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hat's mir zum letzten Weihnachten geschenkt, — lieber Gott
ja, es ist mein letztes gewesen, und — das kleine Testament,
vwo vorn mein Einsegnungsspruch drin steht, — das nehmen
Sie an sich und geben Sie's ihnen zu Hause. — Gott
und lohns Ihnen, Herr Lieutenant, daß Sie das thun wollen,
ehen ich kann's Ihnen nicht vergelten; „aber daheim werden sie es
wie Ihnen nicht vergessen, und die Mutter· —
gen, „Die Stimme wurde immer schwächer; die letzten Sätze
Fer hatte er schon in längeren Zwifchenräumen gesprochen; ich fab,
es ging zu Ende. Ganz leise, fast unboͤrbar flüsterten die
det bleichen on
das „Wenn ich einmal soll scheiden“ — —
ient, Ich betete laut weiter; sots
eint So scheide nicht von mir“ ꝛc.
iete, Beim ietzten Verfe wurde das Röcheln immer schwächer,
und die Endzeilen hörte ich allein; mein tapferer Kamerab
hlet war selig beimgegangen.
F. .Wie still war's um mich; ich dachte an das ferne, kleine
Dorf, wo jetzt vielleicht auch die Augen der alten Eitern,
wes der liebenden Braut schlaflos jum leuchtenden Sternenhimmel
ficht gusschauten und für den beteten, dessen treues Herz aufgehört
hatte zu schlagen, dessen theures Angesicht sie Juf Erden' nie
lũch 3 sehen soülten. Was für eine Wat voll Glück und Freude
dem dppe sich mit diesem einen Augenpaar für sie geschlossen? —
nn ch, und es waren Taufende, die da auf dem weiten, mond⸗
ich eglämten Schlachtfelde lagen, Freund und Feind, die der
Pdesengel heute auf die bleiche Stirn gelüßt. Vielleicht
rnen an er auch bald zu mir; — mir war, als fuͤhlte ich die
den Lebenskräfte immer mehr zu Ende gehenz alle meine Glieder
der Waren wie gelähmt; ich war sterbensmatt; die Nacht war so
inir, AUnendlich lang; würde ich die Grüße des odten Kameraden
rern Ausrichten lonnen ? Würde ich die eigene Heimath wiederfehen?
— In der Ferne sah ich manchmaͤl Gestalten sich bewegen;
afen. 5 waren Johanniter, welche die ganze lange Nacht“! die
den. lerbenden und Verwundeten suchten; ich lag etwas abseits;
en⸗, J ich die barmherzigen Samariter wohl auch noch finden
dern Vrren Pluto wachte noch immer neben mir; es war
Ipen wie still und bewegungslos er da lag und auf ein
Aebe eet Wort von mir mit dem buschigen Schwange wedelie
am — den Kopf mit den ugen, treuen Augen zu mir hin—
*8 anee 83 wollte er sagen: „Du kannst ruhig sein, ich
Das Dich.“
mit fli Endlich, endlich zog der Morgen herauf; immer bleicher
igen elen die Sterne; immer klarer traten die Umrisse meiner
Ibe — Umgebungen hervor. Plötzlich bellt der Hund laut
v und springt in ungeheueren Sätzen davon; ich häne
und ch gern umgewendet, um zu sehen, was er vor hatte,
wer F jedoch unfähig mich zu rubren Gleich darauf börte ich
9 Per schnelle Schritte und eine Stimme rufte, Gon se
ge Fank, Herr Lieutenant, endlich bab' ich Sie gefunben“ Es
Nir b mein braver Bursche, der mich die ganze Nacht gesucht
—*9 Aun endlich gefunden hatte.
—*— herla seh waren ein paar junge, freiwillige Felddiakonen
lein dehet geholt, und ich wurde leife und schonend auf die Trag—
ꝛ gelegt und in ein Lazaͤreth zu Gravelotte gebracht,
ann Linderung und Hülfe finden follte.
* rand?bald es mir meine Kräfte gestatteten, schrieb ich den
umn rigen Brief an die Eltern meines Gravelotter Freundes;
rme edade mir vorbehalten, selbst in das Dorf zu reisen und
ber —38 das kleine Vermächtniß ihres Sohnes persönlich zu
eute — * ich habe einen sehr rührenden Brief von ihnen,
io e pelhem sie meinem Kommen mit schmerzlicher Freude
oft ahegensehen; bin ich doch der Einzige, der ihrem lieben
c ann in der Todesstunde nahe war, der seinen letzten
an fie in Empfang nahm, ihn feinen lehten Seufzen
shauchen hörte
2. Eine Ueberraschung.
Als das deutsche Hauptquartier einige Tage vor der
Schlacht bei Sedan in Clermont lag, galt (wie immer im
Hauptquartier) der Befehl, es dürfe nicht requirirt werden.
An demselben Tage marschirten die Baiern durch Clermont
in einem Hundewetter, dessen die Betheiligten sich wohl noch
erinnern werden. Der Oberst der baierischen Reiter fühlt
sich am Abend unwohl und wünscht eine Flasche Wein. Er
gibt also seiner Ordonnanz einen Thaler mit dem Auftrage,
zine Flasche zu kaufen, ja nicht zu requiriren. Der Soldai
zeht die Straße hinab, während die Regimenter in dem tiefen
Schmutz die Straße hinauf marschiren. Er sieht ein Gast⸗
zaus, vor welchem zwei Posten stehen, und klopft an die
Thür. Die Posten haben die vorübermarschirenden Offiziere
zu salutiren und winken ihm, er solle weiter gehen. Der
gute Baier aber pocht weiter; er fühlt sich in seinem Recht;
denn er hat einen Thaler in der Hand. Endlich öffnet ihm
ein ältlicher Offizier selbst die Thür. Der Soldat verlangt
ine Flasche Wein für seinen Obersten, der krank sei. Der
Offizier geht fort und kommt mit einem jüngeren Offizier
urück, der eine Flasche Wein in der Hand trägt. „Geben
Sie das Ihrem Obersten,“ sagt der ältere Offizier. — „Ja“
agt der Baier, „ich soll nicht requiriren; hier ist ein Thaler,“
ind reicht ihm den Thaler. — „Schon gut,“ sagt der wohl⸗
wollende Herr; „bringen Sie die Flasche Ihrem Obersten;
agen Sie, der König von Preußen schicke Sie ihm und lasse
ihm gute Genesung wünschen.“ — „Der König von Preußen?“
fragt der Baier; „wo ist denn der König von Preußen?“ —
„Der bin ich selbst,“ antwortete der Offizier. — Der Baier
bringt seinem Obersten die Flasche und legt ihm den Thaler
auf den Tisch. „Ich hab' Dir ja gesagt, Du sollst nit
requiriren!“ fährt ihn der Oberst an. — „Ja, Herr Oberst,“
antwortet der Soldat, „es war ein Herr da, der hat mir
die Flasche gegeben und mir gesagt, er sei der König von
Preußen und lasse Ihnen a gute Genesung wünschen!““
3. Der Rettungs⸗Engel.
Der Krieg entwickelt Leidenschaften, oft aber auch
Edelmuth. So war am 16. August 1870 nach der heißen
Schlacht von Mars⸗la⸗Tour einer Schwadron der sächsischen
Barde⸗-Reiterei aufgetragen, den weichenden Feind durch ein
zroßes Dorf zu drängen. Sie mußte zu diesem Behufe auf
iner nur mäßig breiten Straße hinsprengen. Am Ende der
Straße galt es, eine Kreuzung gegen französische Kavallerie
zu behaupten. — Der Rittmeister, wie die Soldaten zu sagen
flegen, ein wahrer Feuerteufel und doch seelengut dabei,
prengte voran, und freudig folgte ihm die ganze Schwadron.
In der Straßen⸗Kreuzung war ein schreckliches, unbeschreib⸗
iches Durcheinander von Pferden, Wagen und Geschützen
des weichenden Feindes; mitten darin sah man plötzlich einen
naben von drei bis vier Jahren, schmutzig, mit zerrissenen
stleidern, aber engelschön von Angesicht. Weiß der Himmel,
wie er dahin gekommen war! — In seiner Todesangst vor
den Pferden der sächsischen Garde⸗-Reiter gerieth er, indem
er diesen ausweichen wollte, zu nahe an ein Wagenrad;
die Vorderachse riß ihn zu Boden; das Hinterrad mußte im
aächsten Augenblicke über seinen Kopf hinweggehen; — er
schien unrettbar verloren.
Man vergegenwärtige sich eine solche Lage und man wird
ermessen können, welchen Eindruck dieses Begebniß auf
ene Reiter der vorderen Reihen, welche dies saͤhen, üben
nußte. Sie hatten bereits viele Männer sterben gesehen;
aber ein Kind, und eines solchen Todes — noch nie. Einen
Augenblick stockte der Athem, stand das Blut still, um im
nächsten Augenblicke einer freudigen Bewegung zu weichen