Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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Etwas über die Geflügel-, namentlich die 
Hühner- und Enten-Zucht. 
Bekanntlich besitzt das Ei einen sehr hohen Nahrungs— 
Verth. Es ist darum zu bedauern, daß die Ge— 
lügel⸗Zucht bei uns in Deutschland noch so sehr dar— 
niederliegt. Der Zoll-Politik unseres großen Reichs— 
danzlers, des Fürsien Bismark, verdanken wir u. A. 
auch die amtliche Nachweisung über Aus- und Einfuhr 
»on Eiern im Deutschen Reiche. Im Jahre 1879 
iberstieg die Einfuhr von Eiern die Ausfuhr um die, 
nan sollte sagen, fabelhaft klingende Menge von 
1,276,318 Ceniner, wofür ein Eingangszoll von eirca 
Millionen Mark entrichtet werden mußte. Rechnet 
man nun durchschnittlich die mäßige Zahl von 8 bis 
) Stück Eiern auf ein Pfund und berechnet das Ei 
mit nur 3 Pf., so sind in dem genannten Jahre mehr 
als 30 Millionen Mark für Eier in das Ausland 
jegangen. Dazu kommt noch der sehr beträchtliche 
veldwerth, welcher für lebende Zucht- und gemästete 
hühner (Poularden) in das Ausland, namentlich nach 
rrankreich, Italien, Oesterreich ꝛc. geht und sich 
benfalls nach Millionen beziffert. Da die Eier auch 
einen hohen Werth für verschiedene Industrie-Zweige, 
B. die Kattun-Druckerei besitzen, so ist es ein 
rauriger Beweis für unsere geringe Wirkthschaftlich— 
eeit, daß wir nicht einmal die Geflügel-, nainentlich 
die Hühner- und Enten-Zucht zu heben und nutzbar 
u machen verstehen. In dem Zeitraum vom 1. Januar 
yis 1. Mai 1880 überstieg die Einfuhr von Eiern in 
»as Deutsche Reich die Ausfuhr um 80,520 Centner 
ind in demselben Zeitraume des laufenden Jahres um 
73980 Centner. Beiläufig wird hierbei bemerkt, daß 
in großer Theil der in Cassel zum Verkaufe kommenden 
Lier nicht etwa aus den benachbarten Ortschaften, 
ondern aus Galizien bezogen wird. Angesichts dieser 
Thatsachen sollte Jedermann bestrebt sein, die erwähnten, 
ur das arme und schwer bedrückte Deutschland so sehr 
»edeutenden Geldsummen uns zu erhalten und den 
edarf von Eiern und Geflügel durch größtmöglichste 
Ausdehnung und rationellen Betrieb der Hühner- ꝛc. 
Zucht im eigenen Lande zu decken. Bei etwaigem Ueber— 
luß werden wir alsdann ein reichlich lohnendes Absatz⸗ 
Bebiet in England finden, wo bekanntlich auf keinem 
Kaffee- oder Fruhstucks-Tische Eier fehlen dürfen. 
Um durch entsprechende Mittheilung zu eigener Thätig— 
leit in der erwähnten Richtung anzuregen, werden 
uachstehend einige Vorschläge gemacht, um einen aus— 
gJedehnten und rationellen Beirieb der Hühner-Zucht 
serbeizuführen. Zumachst muß man guté junge Land— 
Hühner mit einem Rage-Hahn (Italiener, Spanier ꝛc.) 
m constanter und reiner Farbe (schwarz, gelb, grau ꝛc.) 
euzen, wobei die sog. Inzucht streng zu vermeiden 
ou durch letztere schwache und weichliche Thiere 
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erzeugt werden. Die Geflügel-Züchter müssen daher 
sedes Jahr die Zuchthähne wechseln, bezw. gegen passende 
derselben Raçe mit anderen Züchtern austauschen. 
Ebenso sind Spät-Bruten zu vermeiden, welche das 
Mausern in die ungünstigste Jahreszeit verlegen und 
dadurch den Verlust vieler Thiere herbeiführen. 
Der sonnig, trocken, hell und warm anzulegende 
Hühnerstall muß täglich gereinigt, mit frischem Sande 
hestreut und öfters geweißt, auch gegen Ungeziefer, 
Ratten, Mäuse ꝛc. gut verwahrt werden. Die Sitz-⸗ 
tangen müssen ebenfalls sehr oft gründlich gereinigt 
ind zur Verhütung von Ungeziefer-Krankheiten mit 
Petroleum bestrichen werden. Außerdem wird empfohlen, 
in einer Ecke des Hühnerstalles einen eiwa 2 Fuß 
hohen und 4 Fuß im Quadrat haltenden, ebenfalls 
mit Petroleum angestrichenen Kasten anzubringen, dessen 
Boden mit einer Mischung von Holzasche, Kalk und 
Flußsand bestreut wird, um den Hühnern als Bad zu 
zienen. Selbstverständlich muß den Hühnern ein trockener, 
onniger Sandplatz mit Tränke, sowie ein Grasgarten ꝛc. 
ugänglich sein, wodurch der Wohlgeschmack der Eier 
vesentlich erhöht wird. Auch liegt es im Interesse 
owohl des Käufers, als auch des rationellen Züchters, 
dessen gut gezüchtete und ausreichend genährte Hühner 
hegreiflicherweise weit größere Eier legen, daß diese 
iberhaupt nicht mehr nach der Stückzahl, sondern nach 
dem Gewichte verkauft werden. Namentlich sollten die 
Inhaber von Läden oder festen Verkaufsstellen darauf 
»edacht sein, statt der unzweckmäßigen Verkaufsweise 
tiach der Stückzahl die Eier nur nach dem Gewichte zu 
perkaufen. Auch befördert das Aufschreiben des Tages, 
ain welchem das Ei gelegt ist, auf dasselbe dessen Ver— 
käuflichkeit zu einem höheren Preise ungemein. 
Hühner, welche nicht mehr fleißig legen und über— 
zählige oder ältere Hähne mäste man mit Mais und 
ainderer Körnerfrucht, wodurch sich deren Fleischwerth 
hedeutend erhöht. Als Verkaufsobjekt auf dem Markte 
»der des Sonntags im eigenen Topfe wird ein solches 
Thier gleich willkommen sein. 
Aehnlich ist bei der Entenzucht zunächst auf eine 
Kreuzung mit einem großen Ragçe-Enterich zu halten. 
Man wird dadurch alsbald auch ganz andere und 
erfreulichere Resultate als bisher erzielen. 
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Schützet alle nützlichen Vögel. 
Ohne unsere Vögel würden sich viele der Garken-, 
Land- und Forsteultur schädlichen Thiere in einer solchen 
Weise vermehren, daß in wenigen Jahren die frucht— 
barsten Landstriche verödet sein würden. Der Baum— 
veißling, der Ringelspinner, die gemeine Wespe, die 
Ameise, die Schöllkrautlaus, die Blattlaus und andere 
schädliche Insekten würden, wenn sie ungestört sich fort
	        
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