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Erinnerungen aus dem Franzosenkrieg 1870 und 1871. ia
— — Sie
Zchlachifeldes beschützt hatte, einige freundliche Worte und lohr
lrich ihym uͤber das schöne schwarze Fell. Ihr hättet sehen iche
ollen, wie er mir Hand und Gesicht vor Freude leckte, wie Ihr
ärtlich er winselte; mir traten die Thränen in die Augen,
ind dabei war das arme Thier felbsi verwundet, die ser- batt
schossene Schnauze war ganz geschwollen. es
Nun sah ich mich nach meinem Leidensgefährten um, der die
ben wieder laut stöhnte. Mein Gott! mir blutete das Je
herz bei dem Anblick; es war einer von meinem Regiment,
ein ganz junger Mann; eine Granate hatte ihm beide Beint
erschmettert. Da lag er, die Hände auf der Brust gefaltet
das sterbensbleiche Antlitz vom Monde hell beleuchtet, mi r
schmerzverzogenen Zügen, die Augen gen Himmel gerichtet wa
„Gott tröste Euch, Kamerad, Ihr leidet wohl entsetzlich,“ D
sagie ich zu ihm.
„Swird bald zu Ende sein, Herr Lieutenant; aber es der
ist doch schön, in der Sterbestunde noch eine menschliche w
Stimme ꝛi hören; dann ist's weniger schwer“ dp
„Wollt Ihr cinmal trinken, Kamerad?“ Ich hatte glüche
icherweise noch meine Feldflasche bei mir, und 'an seinen —
Danke sah ich, wie ihn der Schluck Wein erquickt hatte; mü —9
that es auch gut, und nun sprachen wir zusammen. O, ich 5
werde es nie vergessen! Vo
Von der Heimai, von dem lieben Vaterhause am fernen an
OIstseestrande erzählte er mir. Vor den Augen des Sterbenden 3
zogen noch einmal die Bilder einer ganzen glücklichen Kinder⸗ *
zeit vorüber; jedes einzelne der Geschwister beschrieb er mir—
Der Karl ist auch eingezogen, so sind nur noch die Schweftera-au
zu Hause; aber ich wollte, ich hätte mehr Brüder, die alle es
nitgehen könnten und für König und Vaterland kämpfen. Z
Der Vater selbst wäre gern noch einmal Soldat geworden x*
„In solcher Zeit möchte man wünschen, immer jung zu bleiben“, wür
hatte er oft gefagt, und dann hatte er mu seinen Schullindern 9
wunderschöne Vaterlandslieder gesungen, daß sie alle immer *
zanz begeistert auseinander gingen. Ach, und meine liebe pr
Mutter! meine liebe, liebe Mutter! ihr dank' ich's vor Allema
daß ich jetzt uudi⸗ sterben kann; sie hat mich meinen Heiland *
ennen gelehrt, als ich noch ein ganz kleines Kind ware Das veise
sagen Sie ihr nur, Herr Lieutenant, wenn Sie ihr von mir fli
erzäblen, daß ich ruühig und getrost in den Tod gegangen un
hin und ihr noch in der Ewigkeit für all' ihre treue Liebt au
danken will.“ mit⸗
Er schwieg jetzt ein wenig; das Gesicht sah friedlich und 46
zlücklich aus; zwei helle Thränen rollten ihm langsam über obe
die bleichen Wangen; seine Lippen bewegten sich leise; er da
nochte wohl das Verslein beten, das ihn seine Mutter gen war
lehri, als er noch ein Kind war. Ich tbat dasselbe; mit ant
var's, als läge ich wieder in meinem kleinen Bett in den
rünen Stube, und die Mama käme zu mir, um mir den her—
Zutenacht ⸗Kuß zu geben und mich mein Abend Mebetlein gaß
prechen zu lassen. *
„Noch eine Bitte hab' ich, Herr Lieutenant,“ begann
nein armer Gefährte wieder; „heute ist gerade meiner Marie wrar
Beburtstag; wir sind schon lange versprochen, und um ich
Pichgelis sollt' die Hochzeit sein; wenn ich an das arme jha—
MNädchen denke, wird mir doch recht weh um's Herz; — aber Ihr
agen Sie ihr, sie soll sich nicht zu sehr grämen; heute in
Morgen hab' ich noch ihren Brief bekommen, der war so ent⸗
chön und ich war so glücklich darüber; — sie soll recht oft e⸗
zu meinen Eltern gehen; die Mutter wird sie gewiß trösten. Gr.
— Und was ich so bei mir habe, Herr Lieutenant, — au—
die Uhr mit der Schnur von meiner Marie Haar, — so
l. Der Pommer und sein Hund.
In der Schlacht bei Gravelotte war's (so erzählt ein
Offizier), wo uns die Aufgabe geworden, die Höhen hinter
Bravelotte zu erstürmen.
Auf den Abhängen standen die Franzosen in Schützen⸗
zräben in drei übereinanderliegenden Etagen; die hinter den
Höhen hinlaufenden Landstraßen waren mit starker Artillerie
besetzt; so wurden wir denn foͤrmlich mit Kugeln überschüttet.
Tren zu meiner Seite lief mein Hund Pluto umher; er ist
aicht von meiner Seite gewichen; selbst das mörderische
Feuer, das uns Pommern empfing, als wir gegen die Höhen
anstürmten, konnte ihn nicht zuruckschrecken.
Mitten in dem entsetzlichen Kampfe war es doch komisch,
wie der Hund rechts und links nach den Kugeln schnappte,
die ihm an Nase und Ohbren vorbei summten; es war
klar, er hieit sie für Maikäfer, für die er eine ganz besondere
Feindschaft hegt. Plötzlich höre ich ihn laut aufwinseln; das
Blut stromt ihm aus der Schnauze; aber dann springt er
wüthend bellend vorwärts, gegen die in der Dunkelheit um⸗
herpfeifenden Kugeln. Die Artillerie war schon verstummt,
da bekam ich meinen Schuß; aber der Sieg war unser; was
nachte ich mir daraus, daß ich jetzt auch mit meinem Biue
dafür bezahlen mußte. „Hurrah! Hurrah!“ so jauchzte es
ausendstimmig zum Abendhimmel binauf, und ich mmt⸗
ein in den jubeinden Siegesruf.
Meine Wunde blutete stark; ich hatte, so gut es gieng,
dieselbe nothdürftig mit meinem Taschentuche verbunden;
aber nun die entseßliche Aufregung nachlließ, nun der Feinb
urückgeworfen war, fühlte ich daß ich schwankte und suchte
mich, auf meinen Säbel geflützt, nach Gravelotte zurückzu⸗
schleppen. Dort hatte ich schon, als wit vor einigen Stunden
dindurch und zum Angriff stürmten, Verbandpläßtze eingerichtet
und verschiedene Häuser mit der Johanniterfahne beflaggt
zesehen; denn der Tag hatte ja schon vor unserem Eingreuen
so viele, viele Opfer gekostet.
Pluto, das treue Thier, das mir ab und zu winselnd
und liebtkosend die Hand leckte, neben mir, legte ich mit der
gzroßten Anstrengung ein paar hundert Schritt zurück über
das Schlachtfeld. Es war nach 10 Uhr. Der Mond war
aufgegangen so klar und mild wie immer, als schiene er
nicht nieder auf so viel Jammer und Elend. Laßt mich von
all' dem Schrecklichen schweigen, das ich bei seinem Scheine
sab; aber da wünschte ich, ich möchte nicht verwundet sein,
um denen, die dort lagen und meist so viel schlimmer daran
varen als ich, beispringen und helfen zu können.
Gravelotte schien mir unerreichbarz neben mir hörte ich
schweres Stöhnen; halb bewußlos sank ich an der Seile
rines Verwundeten nieder. „Wenn zwei zusammenliegen, werden
sie von den Krankenträgern wohl noch eher gefunden wie
ein Einzelner, und du bist dann doch auch nicht so ganz
allein“, das war mein letzter ziemlich klarer Gedanke, dann
raubte mir die Erschöpfung fuͤr einige Zeit die Besinnung.
Mich erweckte ein lauies Knurren; mein treues Thier
stand, den schönen Kopf hoch aufgerichtet, neben mir, und
eine dunkle, ünheimliche Gestalt huüschte nur wenige Schritte
oon mir davon.
„Die Leichenräuber!“ so fuhr mir's durch den Kopf;
es überrieselte mich kalt bei dem Gedanken an diese ent⸗
etzlichen Unmenschen, und ich griff mit meiner Hand in bie
Brusttasche, wo ich meinen Revolver stecken hatte. Ich fagte
»em Hund, dessen Wachsamkeit mich vor diefen Hyänen ves