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„Dankenswerth“, versetzte Rumpf; „aber von der
dückkehr aus der Fremde in die Heimath kann bei mir
eine Rede sein; denn ich bin Deserteur, was ich dir
och nicht gesagt habe. Ich war Husar in Hofgeismar,
unte aber den Dienst nicht ertragen, und so gieng ich,
sis ich den ersten Urlaub erhielt, statt an der Diemei
nauf, über die Weser hinüber und will nie wieder in
ie Heimath, wo meiner nur Ketten und Bande warten.
lber deine Sabine möchte ich für mein Leben gern erst
hen, ehe ich aus Deutschlaͤnd scheide; denn du hast
nir's mit deinen Erzählungen von ihr angethan. Brauchst
oeder zu fürchten, daß ich sie dir abspanne; denn von
Deiberliebe weiß ich nichis; ich liebe sie nur, weil du
ie so gern hast, und ich nur dann mit dir von ihr
prechen kann, wenn ich ihr einmal in die Augen geguckt
abe; noch zu fürchten, daß du geuzt würdest; denn ich
abe mir das Ding so ausgesonnen, daß wir uns nicht
u erkennen geben, nur bei einem Nösel Bier in ihres
haters Bierstube sie uns ansehen.“
„Ach, das geht ja nicht! Glaubst du denn, sie würde
nich nicht sofort erkennen, und meinst du, ich könnte so
hersteckens spielen? Laß die Possen!“
„Nun gerade nicht! Sieh, wie dein Bart in den vier
Vvochen, seit du von Hause weg bist, gewachsen ist; bis
vir nach Einbeck kommen, kennt dich kein Mensch mehr,
nderlich, wenn du meine Kleider anziehst.“
„Ach, lieber Rumpf, mach' mir das Herz nicht schwer.“
„Ich merke, fing er verschmitzt an, du darfft deine
duleinea nicht sehen lassen; hre Schönheit hast du dir
los gedacht, oder haft am Ende har keinen Schatz
rahlst wohl nur damit.
„Nun, so komm, du Quälholz“! rief ich aus; „du
allst sie mit deinen Augen sehen. Aber du mußt mir
uch dafür haften, daß nichts passirt!“
Hurrah!“ rief Rumpf, und „links umkehrt!“
So gieng's denn wieder der lieben Heimath zu.
dachdem das nun einmal beschlossen war, war ich
zelenvergnügt, und Rumpf konnte kaum mit mir fort.
achend rief er oft: „langsam, daß der Bart noch waächst!
„Wir kamen denn auch glücklich bis in die Nähe von
inbeck. Ich nachsten Dorfe übernachteten wir, wech⸗
elten die Kleider und wanderten des andern Tages
pie fremde Handwerksburschen zum Thore von Eindeck
ein. Am Laden unseres Hauses saß meine Mutter,
der Rumpf für 8 Pfennige Wecke kaufte, und dann
dat er mit mir in Lenzes Bierstube. Ach, Herr, wie war
da, als Sabine uns das Bier brachte! Sie hatte
hgeweinte LÄugen und sah uns nicht an, sonst hätte
, gnich auf der Stelle erkentien müssen; denn ich sperrle,
e man zu sagen pflegt, Maul und Nase auf und war
F verlegen wie ein Junge, der zum ersten Male in
eSchuͤle kommt.
ig boer wie schon und lieblich das Mädchen war, sah
liich jetzt erst. Sie war schwarz gekleibet. unp diese Fach.
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job ihr helles Haar und ihre weiße Haut noch mehr.
And nun dieser Wuchs, und in einer jeden Bewegung
ziese Zucht und Sitte. Rumpf war auch erstaunt, und
ein Blick sagte mir, daß er nun sehe, ich habe ihm
nichts vorgeprahlt. Lange saß er, ohne einen Blick von
hr zu verwenden und ohne ein Wort sprechen zu können,
vährend er doch sonst das Maul auf dem rechten Flecke
jatte, wie alle Diemelfüchse. Endlich aber ermannte er
ich und suchte, da sonst Niemand in der Stube war, ein
Hespräch mit Sabinen anzuknüpfen. Aber es gelang ihm
nicht. Anfangs antwortete sie gar nicht, da sie seine
Worte überhört hatte; dann aber, als sie merkte, daß sie
»on ihm gemeint war, gab sie mit Ja und Nein Antwort,
ind damit war das Gespräch aus. Sie hatte bejaht, daß
ie Trauer habe, verneint, daß ihr Jemand gestorben sei.
Damit hatte ich genug. Die Trauer galt mir; ich lag
nit dem Kopfe auf dem Arm und weinte; aber es waren
üße Thränen. Rumpf hatte ausgetrunken, ich mein Glas
noch nicht angerührt; er stieß mich an zum Fortgehen;
ber ich konnte nicht; ich waͤre so gerne hier sitzen unb
iegen geblieben. In der Verlegenheit forderte Rumpf
ioch ein Glas Bier. Als Sabine es brachte, streifte
hr Aermel an meinem Kopfe her; es war mir, als gehe
ein Strahl durch Leib und Seele; ich wollte aufspringen
ind sie umarmen; aber Rumpf legte seine Hand auf
neine Schulter und drückte mich fest auf die Bank. Endlich
orderte er dringend zum Aufbruche auf, und da ich nicht
ofort Folge leistete, fragte Sabine mit zutternder Stimme:
ist euer Kamerad krank?« „Ach nein, entgegnete Rumpf,
ie Sonne hat ihm nur zu hell in die Augen geschienen.“
Und dann rief er mir zu: „Na, nun kurz gemacht, trink
uus und dann marsch!“ Wie im Traume stürzte ich
nein Glas hinab, warf noch einen langen Blick auf
Sabine und eilte zum Hause, zur Stadt hinaus. Ich
hatte sie zum letzten Male gesehen.
So rasch meine Schritte waren, als es der Heimath
ugieng, so langsam waren sie jetzt, als wir uns wieder
entfernten. Sabine und mein Leben an ihrer Seite,
neine Hoffnungen und Wünsche waren die Gegenstände
uinseres Gespraͤches jeden Tag, bis wir Smolensk er—⸗
reichten. Wir hatten beide Reisegeld genug, so daß wir
mterwegs nicht in Arbeit zu treten brauchten, und so
vurde der weite Weg in verhältnißmäßig kurzer Zeit
urückgelegt. In Smolensk wurden wir vom Velter
nit vielen Freuden aufgenommen und festlich bewirthet.
Rumpf blieb bei ihm in Arbeit, als ich aufbrach, um
neinem Vorhaben nachzugehen. Auch Rumpf habe ich
nicht wieder gesehen, nur gehört, daß er in Tiflis sich
niedergelassen und ein wohlhabender Mann geworden ist.
Aber mein Plan, in der Müllerei noch etwas zu lernen,
zieng nicht in Erfüllung. Die Mühlen in Rußland waren
ämmtlich noch in einem sehr unvollkommenen Zustande.
Ich machte nun, als ich der Sprache etwas maͤchtig ge⸗
vorden war, darauf aufmerksam, wie fie zu verbessern feien,
ind kam bald in den Ruf eines geschickkten Mühlenarztes