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willen, wo nicht Haß hatte mein Vater auf die Müller
geworfen; die nähmen dem Bäcker den Profit immer vor
dem Maule weg; dem Bäcker werde seine Waare von
der Polizei nachgewogen, und jedes fehlende Quentchen
koste ihn schwere Strafe; aber der Muͤhlenstaub lasse sich
nicht wiegen, und doch sei er schwerer als Gold und auch
werthvoller. Er war bei den meisten Müllern in der
Stadt und der Umgegend umhergezogen und von jedem
in Unfrieden geschieden. Endlich hatte er in einiger Ent⸗
fernung selbst eine Mühle gekauft, in der Hoffnung, der
Plackereien mit den Müllern nun überhoben zu sein. Aber
zum Frieden kam er doch nicht; denn nun glaubte er von
dem Müllerburschen sich betrogen, und da er gegen den
noch weniger mit seinen Reden auf der Hut war, als
gegen die Müller, so hatte er noch mehr Zank und wech—
selte jetzt noch häufiger den Burschen als früher die
Mühle. Einst kam er voll Aerger nach Hause und schwur,
ich solle Müller werden, oder er wolle kein Bäcker mehr
sein. Der Gedanke, der ihm so durch den Kopf gefahren
war, wurde ihm nicht wieder leid. Besonders wurde er
durch unsern Nachbar darin bestärkt. Der war ein Bier⸗
brauer und hieß Lenz. Ein eben so biederer Mann als
mein Vater, aber viel gelassener, hatte er zwar keinen
Streit mit dem Müller, der ihm sein Malz schrotete, aber
denselben Verdacht auf ihn wie mein Vater auf alle Müller.
Als nach einigen Abenden Nachbar Lenz mit meinem
Vater auf der Ofenbank saß, erzählte dieser seinen
noch nicht verwundenen Aerger; denn er hatte den Muͤhlen⸗
burschen auf frischer That ertappt, wie er einer Fremden,
vielleicht seinem saubern Schatz, wie mein Vater meinte,
vom feinsten Semmelmehl ein ganzes Klutchen zusteckte.
Nachdem beide ihren Unmuth über die Müller gründlich
ausgesprochen, fuhr mein Vater mit lauter Stimme auf:
„und was meinst du dazu, wenn ich meinen Friedrich
einen Mühlenknappen werden lasse? Der Junge hat zu
Allem Geschick; so sollte ich denken, es müsse ihm ein
Leichtes werden, einmal so einen dummen Mühlensack ab⸗
zugeben. Treibt dann der Gottfried, so hieß mein älterer
Bruder, die Bäckerei, und Friedrich die Müllerei, so wüßte
ich nicht, wie es zugehen sollte, wenn die nicht allen An—
dern etwas zu rathen aufgeben sollten! Was meinst du?“
„Wenn der Herr seinen Wohlgefallen daran hat und
seinen Segen dazu gibt!“ schaltete die Mutter bedenklich
und wohlweislich ein.
„Das versteht sich“, bekräftigte Nachbar Lenz, während
mein Vater seinem Käppchen einen Stubs gab, daß es
auf dem linken Ohr saß, was er jedesmal that, wenn die
Mutter etwas sprach, was ihm nicht recht war, dem er
jedoch nicht widersprechen konnte.
„Das versteht sich, Frau Nachbarin“, wiederholte der
Bierbrauer, „denn an Gottes Segen ist Alles und allein
gelegen; aber nach menschlichem Ansehen zu urtheilen,
müßte das Ding allerdings ein Echo kriegen, wenn der
eine Bruder Baͤcker, der andere Müller wäre. Dann
lollte mein Malz auch nicht mehr dem dicken Untermüller
einen Haustrunk so gut machen; denn, wenn Friedrich
jeute Müller wird, so thue ich morgen bei ihm ein“.
Die Sache war abgemacht, und am andern Morgen
heilte mir mein Vater seinen Entschluß mit. Mir wan
das ganz Wasser auf meine Mühle; denn mit Gottfried
neinem ältern Bruder, konnte ich mich nicht recht ver
ragen, seitdem ich als Bäckerlehrling aufgedingt, wäh—
rend er schon als Geselle losgesprochen war. Wir hatten
ins recht brüderlich lieb; aber, wie das so oft geht, der
Ieltere wollte gern befehlen und der Jüngere nicht ge—
zorchen. Daß es nicht zu offenem Bruderkriege zwischen
ins kam, verhinderte die gute Mutter, die uns beiden
zleich theuer und von beiden gleich geachtet, ja ich kann
vohl sagen, verehrt war. Wir sahen, wie oft sie von des
Gaters Heftigkeit verletzt wurde und doch immer voll
tiebe und Geduld blieb und dadurch gar manches Un⸗
vetter auch von uns Brüdern abwendete. Des Vaters
Heftigkeit machte sie nicht unglücklich; das rasche ent⸗
chlossene Wesen des Vaters war's ja gerade, was sie zu
hm hingezogen hatte, und so war sie auch im Stande,
ein Uebermaß desselben zu ertragen. Was sie schmerzte,
war der Tod eines lieben Töchterchens, dessen sanftes
Wesen sie über die Wildheit der Söhne zu trösten ver—
sprach, und gar oft habe ich sie in stillen Thränen gesehen,
die sie dem lieben Kinde nachweinte. Wenn ich dann
heilnehmend sie fragte, was ihr sei, dann strich sie mir
die Haare aus der Stirn, schaute mir in die Augen ties
hinein und sprach: a„du bist doch mein lieber Junge!“
Dann kamen auch mir die Thränen, und ich hing oft laut⸗
chluchzend an ihrem Halse. Ach, die liebe Mutter, sie
ist längst ihrem Töchterlein nachgegangen und sicher ein—
zegangen in ihres Herrn Freude, obgleich auf ihr Grab⸗
mal wohl wenig Thränen gefallen sind«. —
Der Alte hielt inne. Er kämpfte mit seinem Schmerz
aber eine Thräne konnte er nicht unterdrücken.
Nach einer Pause fuhr er fort: „verzeiht Herr, daß ich
weich wurde. Die Liebe zu meiner Mutter hat mir die
Welt, die mir so Vieles nahm, nicht nehmen dürfen!
Also ich that die Bäckerschürze ab und die Müllerjacke
an. Zunächst kam ich in unsere eigene Mühle, in welche
mein Vater jetzt glücklich einen ehrlichen und frommen
Knappen gewonnen hatte. Er hieß Limberger, war eines
Pfarrers Sohn und hatte bei des Vaters frühem Tode
das Studieren aufgeben müssen. Er war Schreiner,
dann Müller geworden, jetzt meines Vaters Knappe und
nein Lehrer. Von ihm lernte ich nicht nur das Schreiner⸗
und Mühlenhandwerk, was ein tüchtiger Müller immer
zusammen kennen sollte, gründlich, sondern lernte auch,
was alle Menschen wissen sollten, Religion. Ach, ich ver⸗
gesse des treuen stillen Menschen nie, wie er Alles that,
aim mich zu einem frommen Jüngling zu erziehen, und
wie er oft in der Nacht, wenn er frisch aufgeschütiet hatte,
nir in's Gesicht leuchtete und dann, wenn er glaubte, ich
chlief, ein lautes Gebet über mich sprach. So gern ich
Müller war und so willig ich mich allen Arbeiten diesee