Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

4 
Der aber stand wie im Traume, nur die Hand des 
Mädchens hielt er kramphaft fest. 
Der Oberförster prustete gewaltig, endlich kam er 
um Worte: „Grebe, ich bitt' Euch um Gotteswillen, 
hrecht ein gutes Wort, sonst stößt Euch das Blut das 
sderz ab! Ihr seht ja, wie's mit den Beiden beschaffen 
t und daß meine alten Augen richtig gesehen hatten. 
ind nachdem er nun unsers Glaubens geworden, so 
innt Ihr ja gar nicht anders als dem lieben Paare 
uren elterlichen Segen geben. Was er da von arm 
esprochen, ist dummes Zeug; Ihr habt ein Vermögen, 
sovon noch zwei Wachtmeisiersfamilien leben könnten 
hne Noth, und was ihm noch blüht, das weiß man 
icht; einsam und heimathlos will er wohl nicht gerne 
leiben und hier findet er eine Heimath.“ 
Der Grebe war wie im Traͤume; er haͤtte nichts 
emerkt und war zu überrascht, als daß er reden konnte; 
reschaute unverwandt nach seiner Frau, die ja so oft 
as Rechte traf, die aber nach ihm; denn in solchem 
)auptstücke wollte sie nicht vorgreifen dem, der das 
utscheidende Wort zu sprechen hatte, da stürmte Martin 
erein: „Hurrah!“ rief er und hieng an dem Wachtmeister. 
Hurrah, nun wirst du mein Schwager und Sabyllchen 
rau Wachtmeisterin! Herr Oberförster, ich will auch 
Lachtmeister werden, wie der! Hurrah, Hurrah!“ 
Fast gleichzeitig erhoben sich die Eltern, die Mutter 
gte ihr liebes Kind an des Wachtmeisters Brust und 
rach: „wenn's der Vater zufrieden ist, so gebe Euch 
hott seinen Segen!“ „O ja“, stotterte der Grebe, aus 
efer Brust und mit fester Stimme setzte er, sein Mützchen 
bnehmend und die Haͤnde faltend hinzu: in Gottes 
damen, Amen!“ 
Sabyllchen schaute mit verklärtem Blicke zu dem Wacht— 
neister auf, der umfaßte sie fest und drückte den ersten 
uuß auf ihren Scheitel; dann reichte er den beiden 
Ulten und dem Oberförster die Hand, sprechen konnte 
rwnicht; Martin aber stürmte hinaus und schrie auf 
em Hofe aus Leibeskräften: „Hurrah, Hurrah, der 
Wachtmeister und Sabyllchen sind Brautleute und ich 
verde Wächtmeister!“ — 
I1 
y 
e 
J. 
P 
p 
— 
h 
* 
7 
1 
1 
4 
„Am Z3. Christtage war bei Grebens in Harleshausen 
dochzeit. An dem Altare in der kleinen alten Kapelle 
F,sie stand an dem Platze der jetzt noch der Kirchhof 
eißt mid ein Stück alter Mauer, in Bippig's Haus ein— 
ebaut, ist der einzige Rest derselben — stand der 
farret Cunz den Brautzug zu erwarten. Voran trat 
e Braut, geführt von dem alten Oberförster und inem 
sremden. Hatte der Oberförster seine Uniform, Knöpfe 
ind Tressen noch so blank poliert, war des Fremden 
Aniform —DD 
iur auf der Braut. .Oft war sie ja in seinem Hause 
»ewesen, sie war liebe Gespielin und Freundin feiner 
genen Töchter; er hatte ja längst gewußt, daß das 
MNädchen foͤn war, aber so schön. so aumuthiag, so fromm 
55 
Jatte er sie nie gesehen; er sagte nachher seiner Frau, er 
ei ordentlich verlegen geworden; denn es sei ihm gewesen, 
ils trete ein Engel in's Kirchlein, dem er seinen Platz 
räumen müße. Seine Verlegenheit wurde größer, als 
neben die Braut der Bräutigam trat, nicht in der Wacht— 
neister-⸗-Montur, sondern in der schönen und strahlenden 
Uniform eines Husarenofficiers. Ganz verwirrt schaute 
ꝛx auf das Paar; da sie sich aber die Hände reichten, so 
mußte es ja richtig sein und er wartete tief bewegt doch 
mit voller Würde seines Amtes. 
Als er in's Hochzeitshaus trat wurden ihm die Rächsel 
zelöst; der fremde Officier stellte sich ihm vor als Major 
Nicolaus Luckner und fügte hinzu: „Sie dürfen sich nicht 
vundern, ehrwürdiger Herr, daß ich am Hochzeitsfeste 
neines Lieutenants nicht fehlen wollte. Wir haben schon 
ange von Passau her als treue Freunde uns gekannt 
und gehabt, dazu ist er hier vor dem Dorfe mein Retter 
aus schmählicher Gefangenschaft, vielleicht vom Tode, 
zeworden. Und seine liebe Frau hat mein ganzes Herz 
gewonnen. Zudem konnte ich ihm ja auch die Nachricht 
zringen, daß er seinen Abschied, den er beantragt, nicht 
erhalten, wohl aber zum Lieutenant befördert worden ist. 
Hebe der Herr dem lieben Paare den Segen, den Sie 
»orher auf dasselbe herabgefleht haben.“ 
Am folgenden Tage war Nachfeier der Hochzeit im 
Pfarrhause und in der Oberförsterei zu Kirchditmold 
ind noch mehr Gäste als gestern in Harleshausen hatten 
ich eingefunden. Das junge Ehepaar, der Major Luckner 
ind der Oberförster hatten auf der Studierstube des 
pfarrers noch eine besondere Unterredung. Es wurde 
ie Trauung ins Kirchenbuch eingetragen, aber noch ein 
Protokoll aufgenommen, in welchem der junge Mann 
erklärte, er wolle nicht mehr Runki, sondern Runk heißen; 
r habe mit der Vergangenheit abgeschlossen und dafür 
solle sein Name auch Zeugniß ablegen. 
Am 12. Dezember des Jahres 1759 war das Kirchlein 
u Harleshausen wieder dicht gefüllt und die Hochzeits— 
äste des Lieutenants Martin Runk und seiner Eheliebsten 
A— 
hres Erstgeborenen eingefunden. Das Knäblein erhielt 
den Namen Nicolaus; denn der »weltberühmte Oberst 
Nicolaus Luckner“ (so ist's im Kirchenbuche zu lesen) 
var Pathe. Der Vater des Täuflings trug aber nicht 
nehr die Lieutenants-Uniform, wie der Pathe nicht 
nehr die eines Majors; Runk war Rittmeister und 
?uckner Oberst geworden. Am 1. August des Jahres 
satten sie mit ihren Schwadronen, verstärkt durch die 
zeiden Hessischen Husarenregimenter bei Minden einen 
zlänzenden Sieg errungen. Diese beiden Freunde hatten 
—A 
Batterie von 17 Kanonen eroberte. Schon am 29ften 
zesselben Monats wars ihnen gelungen, bei Frankenberg 
»as berüchtigte Fischersche Freicorps, die Plage des 
Hessenlandes. zu zersprengen und zum Theil gefangden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.