Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

23 
V 
es; 
lte, 
nd 
wie 
em 
—R 
ges 
er⸗ 
ort 
ten 
ge⸗ 
nd 
er⸗ 
es 
ete 
ten 
ch. 
och 
ehr 
m, 
as 
er 
en 
in 
zu 
te. 
en 
m 
n, 
ad 
ite 
ge. 
n, 
ht 
u8 
te. 
ou 
ch 
1⸗ 
zu 
ch 
e⸗ 
el 
J 
in 
m 
n, 
er 
44 
degimente und er möchte gern aufs Christfest hier in 
zer Kirche zum heiligen Abendmahle gehn.“ 
Der Pfarrer hatte schweigend gehört; als Bötticher 
hloß, umarmte er den Freund unter Thränen, dann 
eteten sie, inbrünstig dem Herrn dankend für den Sieg 
»es Glaubens und schieden, in ihrer Freundschaft fester 
nit einander verbunden als zuvor. 
Am andern Morgen hatte sich der Wachtmeister in 
em Pfarrhause zu Kirchditmold eingefunden. Was auf 
er stillen Studierstube verhandelt und geredet wurde, 
as hat Niemand erfahren; nur erzählte die Frau 
gfarrin der Frau Oberförsterin, während der Wacht—⸗ 
neister sehr zaghaft und fast schwankenden Schrittes 
ber den Pfarrhof gekommen sei, habe er mit festen, 
icheren und strammen Schritten denselben verlassen; 
as Rasseln des Säbels und der Sporen habe sie ans 
fenster gelockt und als ihr Mann eingetreten, da hätten 
eine Augen geglänzt und er habe ihr einen Kuß gegeben. 
Von der Pfarre lenkte der Wachtmeister seine Schritte 
ber den Berg zur Oberförsterei und bald darauf schritt 
Zötticher mit ihm nach Harleshausen. Grebens waren 
erade beim Morgenbrod und die beiden Hinzukommenden 
ahmen Antheil daran. Nach demselben bat der Wacht⸗ 
ieister die Familie noch ein Stündchen beisammen zu 
leiben; er habe ihr etwas zu sagen und begann als— 
ald also: 
„Meine Wiege stand in der Kaiserstadt Wien und das 
chöne Haus meines sel. Vaters schaute von einer An— 
öhe in die Fluten der blauen Donau. Mein Vater 
Intonio stammte aus Mailand und meine Mutter, Agnese, 
eb. Faller, war Wiener Kind. Meine Eltern hatten 
in Geschäft mit Südfrüchten und waren wohlhabende 
eute. Aber bald nachdem ich gefirmelt war, denn meine 
ltern waren fromme Katholiken, starb mein Vater 
ötzlich; eine Diebesbande hatte unser allein stehendes 
Naus überfallen und bei der Gegenwehr war er getödtet 
orden. Meine Mutter wollte seinen Tod nicht über— 
cben. Sie nahm mich und meine Schwester mit sich 
und stürzte sich, jedes der Kinder an einer Hand haltend, 
nden Fluß.Ich wäre gern mit ihr gestorben, denn 
h war untröstlich über den grausamen Tod des Vaters. 
Joch waͤhrend Schwester und Mutter ihren Tod im 
Basser fanden, wurde ich, wie eigentich, habe ich nie 
rfahren,/ errettet. Ich faub mich in einem Saale wieder, 
n welchem viele Krauke in Betten lagen. Auch ich 
dar krank. Als ich wieder gesund war wurde ich entlassen 
ud ich gieng fort, mit der Absicht, mich wieder in die 
donau zu sürzen. Ein Schulkamerad aber, der mir 
egegnete und saͤh, daß ich noch zu schwach war, um 
lein gehen zu können, erbarmte sich meiner und führte 
in sein väterliches Haus. Bei den wackern Leuten 
ich aber nur kurze Zeit. Durch meine ungetreuen 
ormünder wurde ich meines Vermögens beraubt und 
n die Fremde verstoßen. Gott der Herr hat mich oft 
echt rauhe Wege gesührt aber wie es ielt am Tage 
st, zu meinem Heil und Frieden. Diese Führung Gottes 
m Einzelnen zu erzählen mögt ihr mir jetzt erlassen. 
x8s findet sich hoffentlich später Zeit dazu. — 
Euch, ihr lieben Getreuen, bin ich zum heißen Danke 
zerpflichtet; denn durch euren stillen Christenwandel, durch 
uure Gebete auch für mich bin ich für das Evangelium 
sewonnen worden. Ich bin beim Herrn Pfarrer in 
dirchditmold gewesen und auf's heilige Christfest gehe 
ch drüben in der alten Kirche mit Euch zum heiligen 
Abendmahle.“ 
Bewegt hielt er ein. Bald aber ermannte er sich und 
uhr fort: „ich weiß, daß Euch mein Glaube bisher hinderte, 
nich so ganz als Sohn anzusehn und das Kreuzschlagen 
yat Euch oft gestört. Aber ich denke, diese alte liebe 
Hewohnheit gestattet Ihr mir auch in Zukunft. Der 
heure Gottesmann Luther hat's ja auch nicht verboten, 
zat auch von dem Gebrauch sein Lebtag nicht gelassen 
ind Ihr schämt euch doch auch des Kreuzes nicht; im 
Hlauben bin ich mit Euch Eins; nehmet mich an als 
Zohn und Bruder.“ Dabei streckte er dem Greben, seiner 
Frau und den beiden Kindern seine Hände entgegen. 
dräftig drückten sie der Grebe und sein Sohn, welcher, 
chon weil er Martin hieß, wie er selbst, längst mit 
jsanzer Seele an dem Wachtmeister hieng und stunden⸗— 
ang vor dessen Bett gesessen hatte um sich erzählen zu 
assen, was der Wachtmeister vortrefflich verstand. Die 
Frau Greben wischte sich mit dem Schürzenzipfel an dem 
inken Auge, doch lachte ihr ganzes Gesicht; rasch reichte 
ie ihre Rechte dar und während Sabyllchen abgewandt 
iur so die Hand ausstreckte, fand sie das Wort und 
prach: „Sei mir willkommen mein lieber Sohn! Der 
derr gebe ferner seinen Segen und bewahre Deinen Ein— 
zang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit!“ 
Der Oberforster war stiller Zeuge in dieser bewegten 
Stunde; aber sein Gesicht strahlte die hellste Freude; 
eine Pfeife war ausgegangen und seine Lippen bewegten 
ich; doch dauerte es eine Weile ehe er das Wort finden 
onnte, das er reden wollte. 
Endlich polterte er heraus: „Sohn und Bruder! Ja, 
»as sind schöne Namen, die Ihr dem Wachtmeister ge— 
jeben habt; aber ich weiß nicht, ob wirklich das ganze 
slück des Lebens, das er verdient, auch darin mit— 
»egriffen ist. Ich habe die letzte Zeit so meine Be— 
rachtungen angestellt und will in dieser gesegneten Stunde 
nicht versäumen meine Meinung auszusprechen. Aber, 
Zabyllchen, geh' mal und steck den Gänsen Heu auf!“ Sie 
sieng und der Oberförster hub wieder an: „Ja, was 
ch sagen wollte; aber Du Martin könntest auch einmal 
ehen, ob's deine Schwester recht macht“, unterbrach er 
ich und fuhr, als auch der hinaus war, stotternd fort: 
ich kann den Anfang, den ich mir recht schön ausgesonnen 
jatte, nicht finden; ich falle deshalb mit der Thür ins 
Zaus: Grebe, gebt dem Wachtmeister das Sabyllchen 
zur Frau und nennt ihn auch im anderen Sinne Sohn!“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.