Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

sprichst, so mag wol Rath werden, um ihn in Euer Haus 
zu schaffen.“ Dann setzte er sich nieder und stützte den 
verwundeten Kameraden bis der Feldscheer nahete und 
die abgeschickten Kameraden mit den Baumästen kamen. 
Sabyllchen aber war wieder zu Kräften gekommen und 
nach Hause geeilt, um Vorbereitung zur Aufnahme des 
Verwundeten zu treffen. 
Der Feldscheer untersuchte die Wunde, die er doch 
für bedenklicher erklärte als der Verwundete, und war 
einverstanden damit, daß er in Harleshausen behandelt 
und verpflegt werde, damit der Arm nicht steif bleibe. 
Mittlerweile war die ganze Schwadron angerückt und 
unter ihren Schutze wurde der Wachtmeister nach Harles— 
hausen in das Grebenhaus gebracht. 
Als der General Oberg, wie uns der Pfarrer Cunz 
berichtet, aus dieser Gegend abzog, konnte der Wacht— 
meister nicht mitziehen. Jenem Officier, der ihn wieder— 
holt besucht hatte, that das sehr leid; ob dem Wachtmeister 
auch? das war ihm doch zweifelhaft, diesem aber jeden— 
falls sehr heilsam; denn unter der Behandlung des 
ungeschickten Feldscheers hätte wohl der Arm steif bleiben 
müßen. Aber der alte Dr. Döring aus Cassel stellte 
ihn so gut her, daß er den Arm bis ins Alter ge— 
brauchen konnte wie vor der Verwundung. 
Der Pfarrer Cunz hatte von dem Verwundeten in 
Greben Hause gehört und ihn besucht. Er hatte lange 
mit ihm geredet. Als er nun weggehen wollte, hatte 
Runki ihm freundlich gedankt für seine Muͤhe und freundliche 
Zusprache, aber mit den Worten geschlossen: „ich bin 
Ihnen um so dankbarer, daß Sie mich so kräftig ge— 
tröstet haben, weil ich's nicht erwartet hatte; denn ich 
bin nicht Ihres Glaubens — ich bin römisch katholisch. 
Vielleicht ists möglich einen Priester meiner Kirche an— 
zuschaffen, daß er mir die Sterbesacramente reicht, wenns 
mit mir schlimmer werden sollte.“ 
Der Pfarrer hatte in diesen Worten, obgleich sie 
freundlich und bescheiden gesprochen wurden, doch den 
Wunsch erkannt, daß er den Kranken nicht mehr besuchen 
solle. Er hatte das dem Greben beim Abschiede gesagt, 
aber hinzugefügt, wenn der Wachtmeister dennoch nach 
ihm verlangen sollte, so möge man ihn nur rufen. 
Das geschah nicht und Cunz hatte soviel in den anderen 
Gemeinden seines Kirchspiels, die vielmehr gelitten hatten 
als Harleshausen, zu besuchen, zu trösten und zu helfen, 
daß er den Blessirten fast vergessen hatte. 
Deshalb war er sehr verwundert, als den Freitag 
vor dem ersten Advent sein Freund, der Oberförster 
Bötticher, zu ihm in die Studierstube trat und sprach: 
„Herr Bruder, ich habe dir etwas zu sagen; du weißt, 
daß ich geistlich studiren wollte, aber nicht dazu kam; 
ou weißt auch, daß ich trotz des grunen Rockes, den 
ich trage, das Evangelium lieb habe und meinen Mit— 
menschen die Glückseligkeit herzlich wünsche die ich in 
meinem Glauben gefunden habe. Ich denke du hasi 
auch Proben davon“ 
Der Pfarrer kannte die stille Weise des Oberförsters 
seine Frömmigkeit und seinen Eifer für das Reich Gottes 
doch wußte er nicht, was jetzt der Oberförster wollte. 
da er so feierlich sprach, er drückte ihm stillschweigen 
die Hand und sprach: „Herr Bruder, du weißt auch wie 
ehr ich dich liebe und wie unsre Freundschaft auf dem 
Brunde ruht, den wir im Evangelium finden. Aber 
was bhast du? du bist sehr bewegt.“ 
Der Oberförster erzählte nun, wie er gelegentlich einet 
Besuches vom Greben zu Harleshausen zu dem ver— 
wundeten Husaren geführt worden sei und wie ein Wor! 
das andere gegeben, wie sie auf die Religion gekommen 
und auch geredet hätten über den Unterschied der evange— 
lischen und katholischen Kirche, „zu der“ fetzte er seufzent 
'inzu, „unser Erbprinz, verführt von seinem Onkel,“ über 
getreten ist. Du kannst dir denken, daß ich ein gutet 
Bekenntniß von meinem Glauben ablegte. Ich erwartete 
bon Seiten des Blessirten, der, wie er dir ja auch offen 
gzestanden, der katholischen Kirche angehört, Widerfpruch 
Aber er erwiderte nichts, sondern bat, ich möchte doch 
so oft ich könne, ihn besuchen, er möchte gern mehr 
mit mir über den Glauben sprechen. Ich fagte ihm 
2s wäre besser, wenn er sich mit dir bespräche. Das 
ehnte er aber ab, indem er sprach: „später wohl, aber 
noch nicht“. Ich holte ihm dann eine Bibel vom Greben 
uind den »Mell“ und den Katechismus und rieth ihm in 
den langen Stunden seines Schmerzenlagers darin zu 
orschen, ob sich's so verhielte, wie ich ihm gesagt hatte 
Bei Grebens erfuhr ich nun auch, wie er sich erbeten 
hatte, daß sie den Morgen- und Abendsegen vor seinem 
Bette beten möchten; wie die Frau und auch der Mann, 
zbgleich dieser seltener, ihm Gesellschaft leisteten und 
aß er ein gar frommes Gemüth habe. Nur das wollte 
hnen nicht gefallen, daß er so häufig das Kreuz schlage 
Ich sagte ihnen, daran sollten sie sich nur nicht stoßen, 
sie sollten ihm auch nicht etwa wehren, überhaupt nich 
mit ihm streiten, dagegen recht oft den Katechismut 
nit ihm beten und ihn anhalten, daß er ihn lerne. 
Ich bin aber fast täglich hinüber gegangen; denn du 
veißt ja, man ireibt gern Dinge, vie ams eigentlich 
nichts angehn; aber ich dachte so etwas gehe jeden Christen— 
nenschen sehr was an und habe ihm seine Fragen zu 
beantworten, seine Zweifel zu heben gesucht, fo gut ich 
sonnte. Und Gott sei Dank, er hat meine Worte ge 
egnet; der Wachtmeister hat mir heute gesagt, er sei 
iberzeugt, daß unser evang. Glaube der rechtle und er 
entschlossen sei, zu unserer Kirche überzutreien, wenn 
er nicht zurückgewiesen werde, er laße dich bitten, ihm 
zu erlauben, so bald als möglich hiether zu kommen. 
im das Naͤhere mit dir zu verabreden. Mit dieser 
Bitte komme ich, dazu die lange Vorrede. 
„Und nun noch Eins. Mußt du ihn prüfen, so mach? 
kurz. Hast du noch sonst etwas zu thun, fo eile; e 
muß baͤld nach dem neuen Jahre wieder zu seinem
	        
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