Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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Braut mit solchem Segen heimführte, von dem hieß 
8: „ja, der hat einen heimlichen Reichthum,“ und der 
alt damals höher, als ausstehendes Geld, ja mehr 
ls baares Geld, womit man nichts zu machen wußte, 
ils es in Strümpfen im Kleiderschranke aufzuhängen 
ind darin an regnerischen Sonntagen zu „mähren“. 
Sabyllchen ging gern hinaus auf den Daspel, und 
m jedem Abend wurden die Knotensäcke weniger und 
ꝛichter, und die Säcke mit Lein voller und schwerer. 
Leil bisher Alles so gut gegangen war, so fuhr 
lapp die Tücher und die Sacke mit den Knoten auch 
n jenem 26. September hinauf auf den Daspel. 
das sollte der letzte Tag sein. Blieb denn auch noch 
in Kern Lein in den Knoten, so schadete das ja nichts; 
enn dadurch wurden ja die Knoten zum Futter für 
—chweine und Federvieh nur nahrhafter. Damals war 
uch dieses Knotenfutter um so üeber und werthvoller, 
ls die Kartoffeln erst eben aufkamen und die Kohlraben 
ind Wurzeln vom Vieh erst dann gern gefressen wurden, 
venn Knoten daran gebruͤht waren. 
Sabyllchen war ganz mit seiner Arbeit beschäftigt, 
o daß es nicht bemerkte, wie sehr es beobachtet wurde. 
dinter den erften Buchen des Waldes stand ein Hanno⸗ 
erscher Officier und schaute durch ein Fernrohr hinüber 
ach der Söhre auf die Straße, die von Melsungen 
ach Cassel führt, auf welcher, wie ein Gerücht sagte, 
ie Franzosen herannahten, hinüber nach Kirchditmold, 
ach dem Kratzenberge und in die ganze Gegend, welche 
jan hier vor sich hat. Seine Aufmersamkeit wurde 
ber bald ganz von der Nähe in Auspruch genommen. 
eine hundert Schritte von ihm hatte sich's Sabyllchen 
equem gemacht, es hatte Schuhe und Strümpfe aus— 
ezogen, das Jaͤckchen und die Mütze auf den Wach— 
lder, welcher dicht dabei stand, gehenkt, und das reiche 
aar gelöst; so wanderte es im schneeweißen Mieder 
ud dem rothen Beiderwand-Rock, der 3 Finger breit 
ber dem Saume mit einem breiten grünen Bande ge⸗ 
ert und nicht allzulang war, ein fröhliches Liedchen 
ugend auf den Knoten, mit seinem Rechen sie wendend, 
uf und ab. Des Officiers Blicke wurden von der lieb⸗ 
chen Ers cheinung so gefesselt, daß er nichts anderes mehr 
ih und hörte, als Sabyhllchen und seinen süßen Gesang. 
Plötzlich aber brachen vicht hinter ihm die Busche, 
ind ehe er seine Pistole, die er gespannt in der Hand 
ielt, abfeuern und seinen Säbel ziehen konnte, sah er 
* gefesselt und über den Daspel rasch fortgeschleppt. 
Lradewegs über Sabyllchens Knotentücher sollte es hin⸗ 
ehn, da brach auf der linken Seite ein Piket Hannoversche 
dusaren hervor um ihren gefangenen Officier zu befreien. 
Ne Feinde, eine Abtheilung des Fischer'schen Frei— 
orps, machien sofort gegen diese Kehrt und ihren Ge— 
augenen, der ja gefesselt war, auf die Erde werfend, 
Aben sie auf ihre Verfolger Feuer. Der Führer dieser 
annoverschen Husaren war ein Wachtmeister, der mit 
ochgeschwungenem Sabel auf die Franzosen eindrang; 
aber gerade als er hinter dem großen Wochholder fast 
in der Mitte des Daspels hinsauste, traf ihn eine feind⸗ 
liche Kugel, so daß er den Zügel verlor und vom stutzenden 
Pferde sank. Die übrigen Reiter stürmten weiter, ver— 
rieben die Fischerschen, befreiten ihren Officier und 
vandten sich dann erst ihrem Wachtmeister zu. 
Als der Lärm entstand, hatte sich das erschreckte 
Zabyllchen hinter den Wachholder, das einzige Versteck 
auf dem ganzen Daspel, geduckt und der stürzende Wacht⸗ 
neister war neben ihm niedergesunken, mit seinem Kopf 
un des Mädchens Schooß. Wer beschreibt des Mädchens 
Schreck und Angst! Als aber nun das Blut auf ihre 
Schürze und das weiße Mieder rieselte, da bedeckte 
Leichenblässe das liebe Gesicht, die Arme sanken, der Kopf 
neigte sich und eine Ohnmacht schloß die freundlichen Augen. 
Es war ein wunderbares Bild, welches sich dem Offizier 
darbot und einen Augenblick war er ganz in den Anblick 
esselben versunken. Bald aber kehrte seine Besonnenheit 
urück, er ergriff seine Feldflasche, rieb den Beiden die 
Schläfe ein mit dem Getränk in derselben und kom⸗ 
nandirte einen seiner Husaren, den Feldscheer, welcher 
m rothen Pfahl bei dem Regimente hielt, herbeizuschaffen, 
den Anderen aber, aus Aesten der nahen Bäume eine 
Tragbare zu machen, während er selbst unabläßig be⸗ 
nüht war, die beiden Ohnmächtigen in's Leben zurück— 
urufen. Mit dem Wachtmeister gelang's zuerst. Er 
jatte, wie es schien, einen Schuß in den linken Arm er⸗ 
jalten und lächelte, als er seinen Rittmeister so ängstlich 
uim ihn besorgt mit dem ersten Blicke traf. „Es wird 
vol nichts zu sagen haben; es brennt nur ein wenig.“ 
Sein zweiter Blick fiel auf seine Umgebung, „Jes, 
Marie, Joseph!a rief er entsetzt aus, mein gutes Sa— 
oyllchen! Ach Du bist doch nicht verwundet oder gar todt?“ 
Der Wachtmeister war der uns bekannte Martin Runki, 
der in Greben Hause aus- und eingegangen war, aber, wie 
ꝛs schien, Sabyllchen nicht beachtet hatte und von dem 
Mädchen nicht beachtet worden war. Und doch zeigte sein 
Ausruf, daß ihm das Mädchen nicht gleichgültig geblieben. 
Auch diesem mußte seine Stimme wol erinnerlich sein; 
denn bei dem Ausrufe schlug sie die Augen auf uud als 
ie sein Gesicht so nahe vor dem ihrigen sah, erröthete 
ie bis in die Schläfe und als sie nun ihre Lage erkannte, 
nachte sie sich los, stand auf und versuchte zu entfliehen. 
Doch die Füße versagten ihr den Dienst, fie brach zu— 
ammen und auf den Knieen liegend faltete sie die Hände, 
ah mit ängstlichem Blicke zu dem Offiziere auf und rief: 
„ach, der Martin stirbt doch nicht?“ „ach, schafft ihn doch in 
unser Haus! Mein Vater und meine Mutter kennen ihn 
ind werden Alles thun, um ihn am Leben zu erhalten.“ 
Dann brach ein heißer Thränenstrom aus ihren Augen; 
er Offizier weidete sich einen Augenblick an der Angst 
der Beiden, die sich selbst vergeßend nur des Andern ge— 
achten. Aber nur einen Augenblick; „gutes Kind,“ spräch 
r dann, „nein, der Martin wird so Gott will nicht sterben 
ind wenn Du ihm gutes Quartier und treue Pflege ver—
	        
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