Unterhaltendes und Belehrendes.
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Auf dem Daspel. —
Eine niederhessische Dorfgeschichte.
Der Grebe Asmus Klapp von Harleshausen war in
Lassel gewesen. Er ging Tangsam von Rothenditmoͤd
inauf seiner Heimath zu; denn er war müde. Das
Fflaster in Casfel, so schoͤn anzufehen, und von Fremden
ft bewundert und belobt, macht den Mann vonn Dorfe
rausam müde, wenn er länger darauf gehen muß.
Der Grebe hatte den ganzen Vormittag eingefahren;
denn sein Knecht war krank und andere Hülfe nicht zu
haben. Die junge Mannschaft war entweder im Kriege
·der mit der eigenen Feldarbeit beschäftigt. Und Nach—
nittags hatte er nach Cassel gemußt und manch' sauren
Schritt gethan, und daher waͤr er muͤpe. Aber er war
doch froh; denn er hatte Alles, was er sich vorgenommen,
besorgt. Jetzt schrilt er in fiillen Gedonken vahin6
var ihm so sonderbar wohl zu Muthe, daß er den
103. Psalm betete . , Lobe den Herrn meine Seele un
de es weiter heißt; das war so sein Lieblingspfalm.
die Sonne war langst untergegaugen und der Halbmmond
tand gerade auf dem Sprunge hinter dem Winterkasten
uu versinken. „Fahr hin“, spraͤch der Grebe,
„Fahr hin, ein' and're Sonne,
Mein Jesu meine Wonne,
Gar hell in meinem Herzen scheint.“
So vertrieb er sich die Müdigkeit, die ihn wohl sonst
ibermannt und genöthigt hätte, sich an den Wegrand
iederzusetzen. So war er ohne Aufenthalt an die Stelle
jekommen, wo die Pflanzenstitze beginnen und ihre Hecken
en engeren Weg so überschatten, daß er wie eine finstere
Nhle erscheint. Kein Harleshaͤufer geht aber diesen Weg
ei Nacht gern allein, uͤnd muß es doch sein, so gruselt's
hm, bis er durch ist. Denn gerade beim Anfang steht
in halb versunkenes Kreug aus weißem Sandstein. Man
Zahlte sich, an dieser Stälte sei ein grauencoller Mord
ollbracht worden. Der Mörder zwar sei entflohen; aber
iach langen Jahren habe das Kreuz eines Morgens da
Estanden, daneben habe noch Schippe und Hacke an der
Stitzhecke gelehnt, vor dem Kreuze aber habe ein alter
rauer Maͤnn gekniet, todt; aber in seiner Hand einen
— worauf zu lesen gestanden: „Ich bin der Mörder!
Hott sei meiner armen Seel⸗ gnädig!“
Das Kreuz steht noch; aber die Geschichte, an die es
nnert, ist in Harleshausen ——— Der Grebe
lapp kannte sie noch; ihm hatte sie feine Wroßmutter oft
erzaͤhlt. Er war überhaupt der Geschichte seines Vater—
andes, namentlich aber der Geschichte von Harleshausen
wr kundig, wußte genau, was seine Gemeinde uͤm 30jährigen
iege erlitten hatte und wie die damaligen Drangsale
n Oetober des Jahres 1630 starben allein 18 Menschen
an der Vest. wesch⸗ Li⸗ Krooten mitgebracht hatten —
ast unerträglich gewesen waren und wie noch jetzt die
hemeinde daran zu lecken hatte. Und nun war wieder
drieg und die Kriegsvölker der Franzosen sollten, wie er
n Cassel gehört, von Oberhessen schon aufgebrochen sein,
m auch Niederhessen zu überziehen. Das preßte ihm
inen tiefen, lauten Seufzer aus.
Aber kaum haͤtte er diesen Seufzer ausgestoßen, als
in noch tieferer, lauterer Seufzer von dem Kreuze her in
eine Ohren drang. Der starke Mann stand wie ange—
purzelt, sein Haar sträubte sich hoch und seine Augen
suollen fast aus ihren Höhlen, als er neben dem Kreuze
ine menschliche Gestalt liegen sah. Sollte es wahr sein,
aß der Mörder, der hier verscharrt worden war, wandere?
biele aus Harleshausen wollten ihn gesehen haben. Der
hrebe betete den Glauben und ein Vaterunser in seinem
Zerzen und gewann dadurch seinen Muth wieder. „Wer
a?u rief er mit fester Stimme. Keine Antwort. „Alle
uten Geister loben den Herrn!« rief er lauter. Da kam
in „Amen!“ vom Kreuze herüber, vernehmlich aber
chwach. Als nun der Grebe näher trat und sich bückte,
»a sah er einen bärtigen Mann, der sich vergeblich an—
trengte sich zu erheben. Rasch griff der Grebe in die
Tasche und holte ein Stückchen Brod hervor, das er dem
stiedergesunkenen hinreichte. — Dazumal ging kein Mensch
iber Feld, ohne ein Stück Brod in der Tasche, theils gegen
»en Jähhunger, theils, wenn der Weg länger dauerte, als
rrühstück oder Spätstück und Mittagsessen; wer's konnte,
teckte wohl auch ein Endchen Wurst dazu; denn Zechen in
»en Wirthshäusern zu machen, kam Niemanden in den Sinn
ind wenn die Männer von damals hätten sehen müssen, was
etzt täglich vorkommt, daß sich Einer im Wirthshause hätte
ine Portion rohes Fleisch, oder Gebratenes mit Brannt⸗
vein und Bier zugleich geben lassen; er hätte es für unver—
intwortliche Verschwendung, für Sünde gehalten, und
nit Recht. Ja, wenn's übest möglich war, so brachte der
Wanderer immer einen Theil des beigesteckten Brodes
vieder mit nach Hause, und die lieben Kinder jubelten
iber das Hasenbrod, welches der Vater mitgebracht hatte,
ind das wie Zucker schmeckte, den man nicht kannte.
Der Mann, der am Kreuze niedergefunken war, griff
yastig zu und verschlang das Brod mit Heißhunger.
Dann faltete er die Hände, sah den Greben mit feuchten
Augen an und sprach endlich, ihm die Hand entgegen
treckend, mit eigenem, fremdem Tone: „Habt Dank, Freund,
hr habt einem Verschmachtenden das Leben gerettet!“
Der Grebe von Harleshausen griff die ihm entgegen—
estreckte Hand fest an, zog den jetzt Sitzenden in die Höhe
ind stützte den Taumelnden und Wankenden; dann fragte
r, ob's ihm möglich sei, mit ihm zu gehen in's Dorf, das
ie bald erreichen würden. Der Mann antwortete nicht,
cickte nur und ging langsam und oft ruhend am Arme
des Greben: dieser aber frug in dem anderen das Pckchen