Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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solgte. Am meisten machte das arme Lieschen dem Pfarrer 
zu schaffen: „ich trage die Schuld an diesem Unglück; ach, 
hätte ich der Marie Sophie diese Geschichte nicht erzählt! 
Ach, meine arme Gothel!“ so jammerte das arme Mädchen 
maufhörlich und wollte sich nicht trösten lassen. 
Als man vor Jörg's Hof kam, war dieser soeben auf 
seinem Wägelchen von Cassel angelangt. Man erzählte 
hm, was geschehen war. — 
Einen furchtbaren Blick warf er auf die Leichen; dann 
sank er zurück, ohne einen Laut von sich zu geben. 
Man mußte ihn in's Haus tragen. Der Schlag hatte 
ihn gerührt; aber er lebte noch. — 
Als nach drei Tagen die Schüler vor seiner Thür sangen: 
Was Gott thut, das ist wohlgethan 
Es bleibt gerecht sein Wille. 
Wie er fängt meine Sachen an, 
Will ich ihm halten stille. — — 
da that er einen lauten Schrei. Der Schlag hatte repetirt 
und todt sank er zurück. 
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Etwas vom Gänserupfen. 
IL.. Unsere Nationalökonomen sagen aus, es sei eine große 
Thorheit, die lebenden Gänse zu rupfen. Denn dadurch 
schade man der Gans, dem Geld und dem Gaumen. 
Durch das Rupfen der Federn, auch bei der ausgewachsenen 
Gans, sei das Thier gezwungen, das Fehlende alsbald zu 
ersetzen; es bliebe also im Ansetzen an Fleisch und Fett 
zurück; es bedürfe, wenn's nicht verkümmern solle, mehr 
Futter, als die wenigen Loth Federn werth seien. Das 
sann man auch leicht sehen, wenn man nur Augen hat. 
In manchen Bauernhäusern, namentlich in solchen, in 
welchen eine Schaar Mädchen auf dickgestopfte Braut— 
betten warten, wird eine Anzahl Gänser gehalten blos 
deshalb, um sie von Zeit zu Zeit zu rupfen. Ach seht ein— 
mal diefe unglücklichen Geschoͤpfe an! Sie sind zum Bren⸗ 
nen dürr, und wer sie braten wollte, der würde einen Braten 
bekommen, um welchen ihn kein Hund beneidete. Seht 
einmal die jungen Gaͤnse an, wenn sie gerupft sind! Wie 
lassen sie die Flügel hängen! Gerade als wenn sie an 
jeder Seite einen Schleppsäbel trügen. 
Eine junge Frau, welche unglücklich verheirathet war, 
fragte so ein armes Gänschen: „ach Gössel, hast du auch 
gefreiet?“ 
Und wenn dann nach einiger Zeit die junge Gans ver—⸗ 
kauft werden soll, dann spricht der Käufer, sei er von Ehlen, 
Burghasungen oder Oehlshausen, „ja, für die Gans gebe 
ich eine Mark weniger; denn sie ist gerupft·. Und wenn 
Du sie dann selbst schlachtest, dann schelten die Weibsleute 
beim Rupfen: „die Gans kann man nicht rein kriegen, sie 
ist ganz voll Stöpel!“ Und wenn Du sie wiegst, dann mußt 
Du Dich hinter den Ohren kratzen. Die Wans ist so leicht 
und so mager, wie es bei dem guten Futter doch gar nicht 
hätte sein dürfen. Und wenn Du Dir den Schnabel auf 
den Sonntaa zum Gänsebraten weßest. so krabest Du Dick 
wieder hinter den Ohren, wenn Du die erforderliche An 
zahl Theile oder Portionen herausbringen sollst. Un 
enn Du Montags einmal Dir etwas zu Gute thun will 
mit einem Gänsesettenbrode, dann heißt's: „ja, Fett ba 
die dumme Gans nicht gehabt!“ 
Alfo rupft die Ganfe mcht, ehe sie geschlachtet sind, sprit 
Herr Geh. Regierungsrath Wendelfadt, und der versteht 
Aber die Herrn vom Vereine gegen Thierquälerei bitte 
zuch um's Wort und sprechen: „es ist doch die ents etzlichs 
graufamkeit, wenn ihr die lebenden Gänse rupft. Den 
»inmal, wie's Euch thun würde, wenn man Euch de 
Schädel so blos rupfte, wie Ihr die Brust und den Bau 
er Gans! Und wie würdet Ihr dazu frieren! Wenn It 
zuch habt scheeren lassen, danu setzt Ihr eine Betzel an 
ind wenn nicht, so kriegt Ihr Husten und Schnupfen ode 
wie der Doctor fagt, den Katarrh! Aber die arme Gan 
kann an Brust und Bauch keine Betzel setzen, auch kein 
Strickjacke anthun; sie muß frieren, daß sie eine Gänsehan 
friegt und schnattert wie eine Gans. Also rupft die lebende 
Gänse nicht! Es ist eine Barbarei und Graus amkeit.“ 
2. Der Herr Magersuppe, Gastwirth /Zum schmutz 
gen Löffel“, hatte vom Branntweinsbrenner Werner en 
Faß Branutwein bekommen, welches so groß war, da 
nan's nicht in den Keller bringen konnte, also auf den 
Hofe in Eimer zapfen mußte, die man dann in den Kelle 
rug und dort wieder in ein Faß schüttete. — Das Wasse 
sat daun Herr Magersuppe allein in das Faß getragen 
Wie es nun gekommen weiß ich nicht, aber ein Eim⸗ 
Branutwein war auf dem Hofe stehen geblieben. Da kan 
un die alle Frau Gans und glaubte, das in dem Eime 
ei Wasser, und that einen Schluck aus dem Eimer m 
Branntwein. Ansangs brannte das Zeug in der Kehn 
vie Feuer, und die Frau Ganus schlickerte den Kopf, blien 
hastig aus beiden Nasenlöchern und schauete in den Eime 
erst mit dem rechten, dann mit dem linken Auge, gin— 
inen Schritt zurück und that, als wenn sie dem Branut 
vein den Ruͤcken zukehren wollte; da kam aber auch Hem 
hänserich und fragte die liebe Frau, was sie sich so 
ruften habe Gieerzaͤhlte ihm naturlich den Fall. D 
Zerr Gänserich lachte dazu, ging an den Eimer, gudh 
eæꝛst mit dem rechten, daun mit dem linken Auge d 
Branntwein im Eimer an und dachte: „du hast doch ein 
omplete Gans zur Frauz Wasfer ist in dem Eime 
Wasser und sonst nichts!“ Er that einen tüchtigen Zut 
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ind brustete noch ganz anders als seine liebe Frau. 2 
eben Kinder und ihre Tante erhoben ein lautes 6 
chnatter über die Grimassen der beiden Alten, kam⸗ 
erbei und machten's gerade wie die. Kurz zu sagen— 
zimer Branntwein wurde von drei alten und zwölf jung 
Bänsen bis auf den Boden ausgesoffen; denn allma 
yatten sie sich an den Brand und, Dunst gewöhnt; a 
chmeckte ihnen gut. Darauf gab's zwischen dem jung 
Volk eine Weile Balgerei und Beiserei und entfehlic 
Wefchnatter enplich aber sekten sich alle still auf die Mist 
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