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solgte. Am meisten machte das arme Lieschen dem Pfarrer
zu schaffen: „ich trage die Schuld an diesem Unglück; ach,
hätte ich der Marie Sophie diese Geschichte nicht erzählt!
Ach, meine arme Gothel!“ so jammerte das arme Mädchen
maufhörlich und wollte sich nicht trösten lassen.
Als man vor Jörg's Hof kam, war dieser soeben auf
seinem Wägelchen von Cassel angelangt. Man erzählte
hm, was geschehen war. —
Einen furchtbaren Blick warf er auf die Leichen; dann
sank er zurück, ohne einen Laut von sich zu geben.
Man mußte ihn in's Haus tragen. Der Schlag hatte
ihn gerührt; aber er lebte noch. —
Als nach drei Tagen die Schüler vor seiner Thür sangen:
Was Gott thut, das ist wohlgethan
Es bleibt gerecht sein Wille.
Wie er fängt meine Sachen an,
Will ich ihm halten stille. — —
da that er einen lauten Schrei. Der Schlag hatte repetirt
und todt sank er zurück.
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Etwas vom Gänserupfen.
IL.. Unsere Nationalökonomen sagen aus, es sei eine große
Thorheit, die lebenden Gänse zu rupfen. Denn dadurch
schade man der Gans, dem Geld und dem Gaumen.
Durch das Rupfen der Federn, auch bei der ausgewachsenen
Gans, sei das Thier gezwungen, das Fehlende alsbald zu
ersetzen; es bliebe also im Ansetzen an Fleisch und Fett
zurück; es bedürfe, wenn's nicht verkümmern solle, mehr
Futter, als die wenigen Loth Federn werth seien. Das
sann man auch leicht sehen, wenn man nur Augen hat.
In manchen Bauernhäusern, namentlich in solchen, in
welchen eine Schaar Mädchen auf dickgestopfte Braut—
betten warten, wird eine Anzahl Gänser gehalten blos
deshalb, um sie von Zeit zu Zeit zu rupfen. Ach seht ein—
mal diefe unglücklichen Geschoͤpfe an! Sie sind zum Bren⸗
nen dürr, und wer sie braten wollte, der würde einen Braten
bekommen, um welchen ihn kein Hund beneidete. Seht
einmal die jungen Gaͤnse an, wenn sie gerupft sind! Wie
lassen sie die Flügel hängen! Gerade als wenn sie an
jeder Seite einen Schleppsäbel trügen.
Eine junge Frau, welche unglücklich verheirathet war,
fragte so ein armes Gänschen: „ach Gössel, hast du auch
gefreiet?“
Und wenn dann nach einiger Zeit die junge Gans ver—⸗
kauft werden soll, dann spricht der Käufer, sei er von Ehlen,
Burghasungen oder Oehlshausen, „ja, für die Gans gebe
ich eine Mark weniger; denn sie ist gerupft·. Und wenn
Du sie dann selbst schlachtest, dann schelten die Weibsleute
beim Rupfen: „die Gans kann man nicht rein kriegen, sie
ist ganz voll Stöpel!“ Und wenn Du sie wiegst, dann mußt
Du Dich hinter den Ohren kratzen. Die Wans ist so leicht
und so mager, wie es bei dem guten Futter doch gar nicht
hätte sein dürfen. Und wenn Du Dir den Schnabel auf
den Sonntaa zum Gänsebraten weßest. so krabest Du Dick
wieder hinter den Ohren, wenn Du die erforderliche An
zahl Theile oder Portionen herausbringen sollst. Un
enn Du Montags einmal Dir etwas zu Gute thun will
mit einem Gänsesettenbrode, dann heißt's: „ja, Fett ba
die dumme Gans nicht gehabt!“
Alfo rupft die Ganfe mcht, ehe sie geschlachtet sind, sprit
Herr Geh. Regierungsrath Wendelfadt, und der versteht
Aber die Herrn vom Vereine gegen Thierquälerei bitte
zuch um's Wort und sprechen: „es ist doch die ents etzlichs
graufamkeit, wenn ihr die lebenden Gänse rupft. Den
»inmal, wie's Euch thun würde, wenn man Euch de
Schädel so blos rupfte, wie Ihr die Brust und den Bau
er Gans! Und wie würdet Ihr dazu frieren! Wenn It
zuch habt scheeren lassen, danu setzt Ihr eine Betzel an
ind wenn nicht, so kriegt Ihr Husten und Schnupfen ode
wie der Doctor fagt, den Katarrh! Aber die arme Gan
kann an Brust und Bauch keine Betzel setzen, auch kein
Strickjacke anthun; sie muß frieren, daß sie eine Gänsehan
friegt und schnattert wie eine Gans. Also rupft die lebende
Gänse nicht! Es ist eine Barbarei und Graus amkeit.“
2. Der Herr Magersuppe, Gastwirth /Zum schmutz
gen Löffel“, hatte vom Branntweinsbrenner Werner en
Faß Branutwein bekommen, welches so groß war, da
nan's nicht in den Keller bringen konnte, also auf den
Hofe in Eimer zapfen mußte, die man dann in den Kelle
rug und dort wieder in ein Faß schüttete. — Das Wasse
sat daun Herr Magersuppe allein in das Faß getragen
Wie es nun gekommen weiß ich nicht, aber ein Eim⸗
Branutwein war auf dem Hofe stehen geblieben. Da kan
un die alle Frau Gans und glaubte, das in dem Eime
ei Wasser, und that einen Schluck aus dem Eimer m
Branntwein. Ansangs brannte das Zeug in der Kehn
vie Feuer, und die Frau Ganus schlickerte den Kopf, blien
hastig aus beiden Nasenlöchern und schauete in den Eime
erst mit dem rechten, dann mit dem linken Auge, gin—
inen Schritt zurück und that, als wenn sie dem Branut
vein den Ruͤcken zukehren wollte; da kam aber auch Hem
hänserich und fragte die liebe Frau, was sie sich so
ruften habe Gieerzaͤhlte ihm naturlich den Fall. D
Zerr Gänserich lachte dazu, ging an den Eimer, gudh
eæꝛst mit dem rechten, daun mit dem linken Auge d
Branntwein im Eimer an und dachte: „du hast doch ein
omplete Gans zur Frauz Wasfer ist in dem Eime
Wasser und sonst nichts!“ Er that einen tüchtigen Zut
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ind brustete noch ganz anders als seine liebe Frau. 2
eben Kinder und ihre Tante erhoben ein lautes 6
chnatter über die Grimassen der beiden Alten, kam⸗
erbei und machten's gerade wie die. Kurz zu sagen—
zimer Branntwein wurde von drei alten und zwölf jung
Bänsen bis auf den Boden ausgesoffen; denn allma
yatten sie sich an den Brand und, Dunst gewöhnt; a
chmeckte ihnen gut. Darauf gab's zwischen dem jung
Volk eine Weile Balgerei und Beiserei und entfehlic
Wefchnatter enplich aber sekten sich alle still auf die Mist
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