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Martin, denk' nur immer daran, ein tüchtiger Schäfer zu
verden und schlag dir alles andere aus dem Sinn!“
Martin verstand seinen Vater nicht und fragte auch
iicht weiter. Bald sollte er ihn verstehen lernen. — Bald
vurde er ihm plötzlich auf grauenhafte Weise entrissen.
An einem schwülen Junitage war der Vater mit seiner
deerde an den Fuß der Firnskuppe gezogen, wo Jörg große
Viesen hatte, um, wenn's Noth thäte, auch beim Heu—⸗
aden zu helfen. Und wie er erwartet, so geschah's. Denn
as Heu war kaum dürr und in Walzern gesetzt, so erhob
ich hinter dem Dörnberge eine schwere Wolkenwand, die
neinem starken Gewitter sich zu entladen drohte. Im
alopp kamen Jörg's Knechte mit zwei Wagen angejagt;
MNartin lud den einen Wagen, der Großknecht den andern,
md Martins Vater half den Taglöhnern gabeln und nach⸗
rechen, während seine beiden Hunde die Heerde bewachten.
v s gelang mit knapper Noth beide Fuder zu binden, ehe
die ersten schweren Tropfen fielen, und als Martin an dem
deubaum hing, eilte sein Vater, seine Heerde an einen
eschützten Ort zu treiben. Eben ging er unter einer mäch—
igen Eiche hin, als ein Blitz in dieselbe fuhr. Ein ab—
erissener Ast schlug ihm auf den Kopf, daß er niedersank.
Martin hatte durch Sturm und Donner des Vaters Schrei
ehört und war mit größter Eile dem Unglücksorte zu—
eeilt; alle Heumacher folgten ihm, während die Knechte
mit den Heufudern so rasch als möglich davon fuhren.
Marie Sophie war zum ersten Male nach ihrer Con—
irmation mit in's Heu; deshalb hatten sie die Heumacher
ehänselt, d. h. sie halten ihr einen Blumenstrauß mit
mgen Flatterbändern an den rechten Arm gebunden. Sie
aAgte Martin auf dem Fuße, während die Bänder weit
inter ihr her im Winde flogen. Als sie unter dem Baume
mkam, hatte Martin seinen Vater im Arme und suchte
as Blut, welches aus der rechten Schläfe floß, mit seiner
dand zurückzuhalten. Marie Sophie rieß die Bänder
ib und band sie um das kraftlos sich hin und her be—
degende Haupt.
Vergebens! Noch ehe sie mit ihrem Verbande fertig war,
auchte der Schäfer seinen letzten Seufzer aus. Aber die
linder wollten nicht glauben, daß er todt sei. „Wenn
nr Blut sich stillt⸗, sprach Martin, „dann erwacht der
ater aus seiner Ohnmacht.“
„So saßen und hofften sie noch, als Jörg mit einem
8— Wägelchen augefahren kam, um den Verwundeten
i holen.
Sorgsam wurde er aufgeladen und behutsam heimge—⸗
ren; als man ihn aber vom Wägelchen in's Haus trug,
* er schon starr und steif. Mutter und Kind vermischten
e Thränen mit dem Blute des geliebten Todten, und
Aeg vee mit Mühe seine Marie Sophie mit sich in
of. —
dNachdein Martius Vater begraben, sprach ghrg mit der
uter desselben, was nun werden solle, und sie machten
wp . daß Martin an seines Vaters Statt Jorg's Schäfer
erden und denselben Lohn beziehen sollte. —
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agten
Der Tod des Schäfers war dem Jörg nahe gegangen;
denn er war ein getreuer Mensch gewesen; und wäre
Martin nicht eben so treu und anstellig in jeder Art gewesen,
der Jörg hätte wohl manche schlaflose Nacht gehabt. Als
es aber nun mit Martin als Schäfer sehr gut ging, der
Flurschütz keine Bußen einzuschreiben und Niemand über
das Abhuͤten und Schnäcken der Schafe zu klagen hatte,
als Jörg sah, daß er sich bei Martin besser noch stand,
als bei seinem Vater, da war's ihm doch im Grunde s eines
Herzens lieb, daß er auf gute Manier den Martin aus
dem Hause los geworden war. Denn als er dort an der
Firnskuppe seine Marie Sophie mit dem Martin bei der
Leiche des Schäfers getroffen hatte, war ein böser Ge⸗
danke durch seinen Kopf gefahren: „wenn das Mädchen
sich in den Jungen vergafft hätte!“
An eben diesem Tage war aber auch dem Martin ein
ahnlicher Gedanke durch's Herz gegangen: „die Marie
Sophie ist die beste Seele, die es giebt!“ Was er weiter
an diesen Gedanken reihete, darüber gab er erst viel später
sich Rechenschaft. Jetzt füllte das Streben, ein treuer tüch—
liger Schäfer zu sein, wie sein Vater, seine ganze Seele.
Und er bracht's weiter als sein Vater; er hatte mehr
Grütze als dieser. Bald war er kundig jeder Krankheit
seiner Thiere und der Mittel dagegen; bald war er ein zu⸗
berlässiger Wetterprophet, und nach einem Jahre war er
der geschickteste Viehdoctor weit und breit, so daß er mit
diesem Doctorn weit mehr verdiente, als mit seinem Schaf⸗
hirtenamte. —
Und noch eins war's, wodurch er sich vor seinem Vater
ind vor den meisten seines Geschäfts, überhaupt auch
seinen Kameraden auszeichnete: er trank keinen Brannt—⸗
vein! Er pflegte freundlich aber bestimmt zu sagen, wenn
nan ihm zutrank: „der Brauntwein ist ein Schurke;
venn man Branntwein getrunken hat, dann kann
man nicht beten!“
So war Martin so recht seiner Mutter Freude und
Stütze. Im nächsten Sommer schon ließ er sein Häuschen
inwendig und auswendig zurechte machen, daß es aussah,
vie ein Puppenschränkchen; dann wurde um das Gärtchen
eine Staketenwand gezogen und jede freie Stunde benutzt,
jedes Plätzchen darin auf's Beste zu verwenden.
Seine Mutter wurde ordentlich stolz auf ihren Martin.
Sie kleidete ihn hübscher als die Söhne der reichsten Bauern,
wenn auch mit der größten Einfachheit und Sparsamkeit.
Martin war groß und schlank geworden, und wie Marie
Sophie das schoͤnste Mädchen war weit und breit, so war
er der schönste Bursche. Und wenn er an der Spitze sei—
ner Heerde durch's Dorf zog, zu beiden Seiten seine zot—
igen Gesellen, Strom und Wasser, dann guckte um manche
Ecke ein Mädchengesicht dem stattlichen Martin nach. Die
Burschen sagten ihm scherzend nach, er habe deshalb das
schöne Schellengeläute sich angeschafft, um den Mädchen
den Kopf zu verdrehen.
Aber das sagten sie nur, ihn zu utzen. Und nicht ein—
mal recht utzen mochten sie ihn; denn sie waren ihm alle