Unterhaltendes und Belehrendes.
In der Grundmühle.
(Eine Geschichte aus Niederhessen.)
Unser liebes Hessenland ist schön überall und immer.
Es gibt für mich in der ganzen weiten Welt kein
schöneres Plätzchen Erde, als dieß mein liebes Hessen—
land mit seinen kräftigen Wäldern, seinen saftigen
Wiesen, seinen Höhen und Gründen, mit seinen
Flüssen und Bächen und mit den alten tapfern
Hessenherzen und treuen Hessenseelen. Das kann
ich nicht leugnen, die mächtigen Wälder und die
Gründe an ihren Füßen hatten mir schon in der Kind—
heit das Herz gestohlen und halten es heute noch
fest. Wenn aber irgend wo, wo Wald und Wiese,
wo Berg und Thal an einander stoßen, so an einer
Ecke ein hohes Mühlrad sich dreht, und ein Gickelhahn
auf der Miste schreit, da zieht's mich hinein; da muß
ich horchen auf das Klipp Klapp und auf das Rauschen
des Baches und das Seufzen des alten müden
Rades; da muß ich sitzen, auch wenn ich keine Zeit
habe; da muß ich mit den Müllersleuten einen recht⸗
schaffenen Schwatz halten, auch wenn's ihnen pressirt;
da rieche ich den Geruch des Mehles und trinke
seelenvergnügt ein Schälchen Kaffee, wenn mir's an—
geboten wird. — — O, du liebe Grundmühle!
Ja, in der Grundmühle, da habe ich oft gesessen
und vom alten Umbach Geschichten gehört, die sicher
Manchen erfreuen würden, wenn sie nur geschrieben
und gedruckt wären.
Dießmal eine Geschichte vom alten Umbach selbst,
die er mir nicht erzählte, von der es ihm auch nicht
lieb war, daß ich sie wußte.
Der alte Umbach stammte nicht aus der Grund⸗
mühle. Sein Vater hatte jenseits des Berges ein
kleines Mühlchen, in welchem während des einen
halben Jahres das Wasser, während des andern die
Mahlgäste dünn waren. Die ältern Brüder waren
deshalb schon längst aus dem Vaterhause fort in die
Welt gegangen; er, der jüngste von sieben, sollte
nicht fort, so gern er auch gegangen wäre.
Bald jedoch sollte seine Sehnsucht befriedigt werden.
Der Müller Krug in der Grundmühle war krank
geworden und hatte über den Berg herüber geschickt:
der Valentin sollte doch auf ein vierzehn Tage
kommen und ihn, derweil er krank sei, vertreten in
seiner Mühle. Natürlich war Valentin sofort parat;
denn Grundmüllers und seine Eltern waren Ge—
vattersleute. Und hatte es auch so eilig, daß er
gar nicht mehr in's treue Mutterauge sah und weg—
rannte, ohne dem Vater die Hand zu drücken.
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Der Bote und die beiden alten Leute sahen ver—
wundert dem Valentin nach; der Vater schüttelte
den Kopf; die Mutter wischte mit dem Schürzen
zipfel an den Augen; der Bote aber sprach: na, dem
pressirts! Das ist ja gerade, als wenn die beiden
ungen Leute schon Braut und Bräutigam wären!
Ei behüte, sprach die Mutter, unser Valentin und
Grundmüllers Marie haben sich ihr Lebtage nod
nicht gesehen.
Habt Ihr unsere Marie auch noch nicht gesehn,
Wase? fragte Schnellenpfeil, der Bote.
Ist's denn wirklich ein solches Staatsmädchen, wi
seine Eltern meinen?
Ja, Wase, unsere Marie, das ist ein Mädchen,
vie's nicht viele gibt; ja, jedes Loth an der Marie
ist einen Ducaten werth! Aus den Augen guckt's —
ach Herr du meines Lebens, rief Schnellenpfeil, alb
er die Müllerin ansah, na, Wase, so was ist noch
nicht dagewesen; unsere Marie guckt aus den Augen
zerade wie Ihr, nur natürlicherweise, wie Eins guckt,
wenn's 40 Jahre jünger ist, aber sonst doch accurat
vie Ihr; und Ihr habt auch die Haare so gehabt.
so eigen, wie wenn Gold druuter glitzerte, oder Asche
d'rauf gestreut wäre, und Zähne und Backen — 7
Alter Schnellenpfeil, rief der Müller Umbach,
macht Euch nicht lächerlich; Ihr hasselirt ja, als
wenn ihr ein junger verliebter Bursche wäret!
Jung bin ich freilich nicht mehr, aber verliebt in
unsere Marie — ja, aber gerade so wie alle, die
sie kennen; denn sie ist nicht nur das schönste, son⸗
dern auch das beste Mädchen weit und breit, so
ꝛeinfam und still, so gehorsam ihren Eltern, se
freundlich gegen Alle, so weichmüthig gegen die
Armen uͤnd in allen Theilen so stricto und in det
Arbeit, nal Ja, wenn das Mädchen nicht ein liebes
Bottes⸗Kind wäre, man sollte meinen, es hätte den
Teufel!
Na, nun ist's aber genug! Den Teufel laßt uns
weg, Schnellenpfeil! rief Umbach unwillig, und mag
das Mädchen immer gut und tüchtig sein, da drüben
habt ihr nur das eine und könnt mit andern keinen
Vergleich anstellen.
Mittlerweile hatte Frau Umbach ein Päckchen mit
dleidern für Valentin, und in ein Papier sorgfältig ein⸗
geschlagen, das Neue Testament Valentins, sein Gesang
zuch und sein Habermaͤnnchen, herbeigebracht. Dazn
prach sie: nun grüßet mir Eure Leute und auch sn
Marie schoͤn und dem Valentin gebt das alles. Hau
zuch ein bischen acht auf den Wildfang; es ist bn
ste Mal, daß er in die Welt guckt unß sagt ihm, e