Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

36 
Ein Gefäß der Ehre. 
Der selige Schulmeister Caspar Berghöfer in Eiterhagen 
hatte als werthvollsten Besitz in seinem Schränkchen ein irdenes 
Räpfchen, auf dessen Rand der Töpfer geschrieben hatte: „An 
Bottes Segen ist Alles gelegen.“ Und auf dem Boden stand: 
„Anno 1716.“ Eben dieses Alters wegen war das Näpfchen 
hdem alten Schulmeister (er konnte es in den Tod nicht leiden, 
venn man ihn Herr Lehrer, oder auch nur Schullehrer 
nannte) so werth. Es war ein Erbstück seiner Familie, und 
er hatte es aus Grifte, wo er geboren war, als theures 
But, als ein Andenken von seiner Eltern mitgebracht. 
Im Jahre 1826 wurde ihm von seiner einzigen Tochter 
ein Enkel geboren, — sein einziger Sohn war im Freiheits⸗ 
kriege vor Luxemburg gefallen — und hocherfreut drückte er 
iben an sein Herz. Als er die Taufe bei seinem Pfarrer 
bestellte, da bat er denselben, er möge doch seinen Enkel 
aus dem bewußten Näpfchen taufen. Der Pfarrer gab, 
wenn auch ungern, nach; denn er konnte eben seinem alten 
Schulmeister nichts abschlagen. 
Als nach der Taufe die Familie, der Pfarrer und die 
Kirchenältesten beim Taufkaffee saßen, brachte Berghöfer 
sein liebes irdenes Näpfchen, zerbrach's in seinen starken 
Händen und sprach: „Liebe Freunde und getreue Nachbarn, 
s10 Jahr' hat dieses Geschirr in meiner Familie gedient zu 
den verschiedensten Zwecken. Seit 50 Jahren habe ich meine 
Nothheller darin verwahrt. Nun aber, da es zu einem 
heiligen Gefäße und zu einem Gefäße der Ehre geworden 
ist, soll es keinem irdischen Gebrauche mehr dienen. Deshalb 
habe ich's zerbrochen, und morgen werde ich's verbrennen. 
Der Herr aͤber mache aus dem lieben Täufling und uns 
allen Gefäße der Ehre, seiner Ehre. Amen.“ 
— — —————— 
Es giebt noch ein Mittel. 
Es wird einige Jahre her sein, daß sich in Nordamerika, 
wie die Zeitungen verichteten, mehrere hundert Menschen 
auf ein großes, schönes Tampfschiff begaben, um eine Ver⸗ 
znügungsfahrt nach dem Niagarafall zu machen. Heiter 
and froͤhlich hatten sie den Tag zugebracht, und heiter und 
fröhlich bestiegen sie das Schiff, um stromaufwärts heim⸗ 
zukehren. Doch bald verstummte das muntere Geplauder; 
die Wangen erblaßten; sprachloses Entsetzen malte sich auf 
Allen Angesichtern. Der Maschinenmeister hatte verfäumt, 
zur rechten Zeit für die nöthige Dampfkfraft zu sorgen. 
tles Hinzuschütten von Kohlen, half nicht. Das Schiff 
kämpfte, sobald es in die starke Strömung des Flusses ge⸗ 
rathen, vergebens mit den Fluthen, die, je näher dem 
gewaltigen Absturz des Falles, eine desto größere Kraft 
hekommen. Langsam und doch zu schnell treibt das Schiff 
Ackwärns dem Wasserfalle zu, dessen Getöse immer deutlicher 
zu vernehmen ist. Da besinnt sich der Maschinenmeister, daß 
zr noch einen Vorrath von Oel hat. Er gießt es in's Feuer. 
Die Flammen lodern hell auf; der Dampf strömt kräftiger; 
das Räbderwerk der Maschine bewegt sich mit doppelter 
Schnelligkeit; es erfolgt ein kurzer Stillstand, dann eine 
aAllmählige langsame, kaum merkliche Bewegung vorwärts, — 
ind es ist gewonnen. Der Strömung entgegen arbeitet das 
Schiff sich durch, und die Geretteten danken ihrem Gott. 
Mein Freund, gleich diesem vergessenen und im 
rechten Augenblick noch gefundenen Oel find zu deiner leib⸗ 
lichen und geistigen Rettung auch noch Mittel vorhanden; 
aber du kennst sie vielleicht nicht, und wenn du sie kennst, 
hast du oft kein Zutrauen zu denselben. Es ist aber Einer 
da, der fie kennt, und, dieser Eine ist es, der dich zuerst 
geliebt hal. und der dir zurufen läßt: „Bittet, so wird euch 
gegeben!“ Es ist keine Noth so groß, kein Jammer so tie 
wo Er nicht noch helfen kann. 
(Christi. Volksbote aus Basel.) 
Gottes Finger. 
Zu Gaza, der alten Philisterstadt, wo Simson, durg 
das Umstürzen der zwei Hauptsäulen im Tempel Dagont 
ich und dreitausend Philister unter den Trümmern begrub⸗ 
st' folgende wahre Geschichte in einem schneereichen Winte 
jeschehen. Ein Dieb bricht des Nachts in eine Wohnun— 
in, und nachdem er schon in der Hausflur Manches zu 
animengerafft, tritt er in das Zimmer, in welchem friedlit 
der Hausherr mit seinem kleinen Kinde, das in der Wieg 
iegt, schläft. (Die arabischen Wiegen, sind * Ellen lang 
Etlle breit und ebenso hoch.) Der Dieb denkt, das Kind 
n der Wiege könne an ihm zum Verräther werden; deßhalt 
rägt er dasselbe mit der Wiege hinaus und stellt dieselte 
bor“die Thuͤr. Das Kind fangt dort an zu schreien; du 
Mutter erwacht und greift nach der Wiege, fsindet aber die 
eibe nicht an ihrem' Platze. Das Kind schreit sort, um 
der Mann erwacht nun auch und sagt: „das Kind schreit je 
draußen vor der Thür, —wie mag das zugehen ?“ Bett 
eilen hinaus, und es ist ihnen unbegreiflich, wer das Kind 
hinausgetragen hat. Sie fragen und rathen; aber in dem— 
selben UAugenblicke fält, durch die ungewohnte Schneelah 
mürbe gemacht die Wolbung ihres Haͤuses herunter, und 
hre Wohnung Uegt in Trummern. Sie alle drei aber sut 
gerettet.“ Wir nun des Morgens der Schutt, die Steit 
a. F.w. weggefchafft werden, da findet man einen Man— 
erschlagen unter den Trümmern. Das, was er gestohlen 
ane er schon auf seinen Rücken gebunden und in sein 
Taschen gesteckt. So hat ihn der Herr und der Tod ereil 
Er trug das Kind hinaus, daß es die schlafenden Elteit 
nicht wecke durch sein Weinen, und so, ohne daß er et 
vcute wurde er durch Goles wunderbare Fuͤgung de 
Lebensretter von den dreien; er selbst aber starb in seine 
Sieee Heihtes ba nicht; Ihr gedachtel es böbs! 
Zachenz aber Gott gedachte es gutzu machend 
(Aus einem Briefe der Fr. M. in Bethlehem.) 
Dem Knaben giebt man einen Apfel. 
Nicht leicht hatte Hessen einen Zeitpunkt so voller uniu 
uind Zwiespalt, als wäbrend der Minderjährigkeit Landgn 
philippis des Großmüthigen. So gute Anordnungen ab 
Nandotaf Wuͤhe im in felnem Testament 13009, gemahht hatt 
o wenig wurden sie befolgt. Der Adel sträubte sich geget 
e KLandsaffigkeitz jeber wollte in feinem Vezirke unun 
chränkter Herr sein, ja sogar an der vormundschaftlihe 
RKegierung Antheil haben. Täglich hörte man ven Gewa 
haligkeiten und Kaubereien. Die Ritter Franz v. Sickng 
ind Götz von Berlichingen, die Häupter des unruhig 
Adels in den Rheingegenden, wagten es, selbst Fürsten 
Ztädte zu bekriegen. Franz von Sickingen schickte 150 
em Landgrafen einen, Äbfagebrief, worin er die Konra 
on Hattstein widerfahrenen Unbilden zum Vorwand 
rauchte, und erklärte sich für einen abgesagten Feind 
andes, den Adel, unter welchem er viele seiner Anhaͤnn 
vußte, ausgenommen. Er eroberte hierauf die meisten 514 
er“ dberen und niederen Graffchaft Katenellenbogen 
elagerte Darmstadt. Hier wurde der Friede —8 
esfen Bedingungen waren, daß Sictingen 35,000 Gul 
haiten folite und daß mehreren adeligen Bundesverwand 
zoͤrtheile zugesichert wurden. Kaifer Maximilian hob un 
efen Vertrag auf; allein der erste Punkt wurde 38 
dem vie Gelpsumme in der bedungenen Frist von 3 Wo
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.