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Sie ein Freund vom Herrn Pfarrer da sind, dann will ich
vohl mit Ihnen gehen; sprechen muß ich Ihren Freund, der
uuch mein Freund ist, so wie so noch einmal.“ —
So gingen wir denn über den Hof in das bewußte Stübchen.
zald hätte jeder seinen Schoppen vor sich, und der Schuh—
nacher J. begann auf meine Bitte, wie folgt:
„Ich bin ein armer Waisenknabe gewesen und hier im
eformirten Waisenhause erzogen worden. Es ist mir da so
ut und so schlecht gegangen wie andern Waisen auch. Als
neine Confirmation herannahte, wurde ich gefragt, was ich
verden wolle. Ich wollte werden, was mein Vater auch
sewesen war, ein Schuhmacher. Ich kam in die Lehre und
‚atte es hier wieder so gut und so schlecht wie andere arme
ehrlinge auch; aber ich lernte was. Dann ging ich in die
fremde; denn eine eigentliche Heimath hatte ich ja in W.
wuch nicht. In der Fremde erlebte ich das Jahr 1848;
ch war — — doch ich brauche Idnen ja nicht Älles zu er—
ählen. Nachdem diese Zeit vorüber war, kehrte ich doch an
neinen Geburtsort, nach W. zurück. Ich hatie 'was gelernt,
etzte mich selbständig und schusterte mit eisernem Fleiße
Taͤg und Nacht, und den Sonntag Morgen hatte ich allemal
ine tüchtige Portion Arbeit fertig. Dämit machte ich mich
uuf, um sie meinen auswärtigen Kunden zu bringen und
agegen neue Arbeit und Bestellungen zu suchen. In meinem
Itte hatte ich wenig zu thun, und es lag mir nichts d'ran;
ch war freud geworden und meinte auch, man erblicke in
nir immer noch den armen Waisenknaben. Meine Frau,
die ich mir aus der Fremde mitgebracht hatte, fühlte sich
nuch nicht wohl und heimisch. Sehen Sie, mein Herr, wenn
ine Frau fremd in kine Gemeinde kommt, dann wird sie
on Mann und Weib berochen, wie ein fremder Hund, und
venn einer Frau das nicht gefällt, dann wehe ihr! Meine
Frau verstand's also nicht, sich bekannt und beliebt zu machen,
ind ich versiand's auch nicht. Aber so immer allein zu Hause
u sitzen, das wird langweilig. Die Woche hindurch, na, da
at man seine Arbeit und durch sie Zeitvertreibz aber der
Sonntag Nachmittag! Wenn man da so hinter'm Fenster steht
ind sieht, wie sich die Nachbarn besuchen, zusammen reden
ind lachen, vor den Thüren sitzen oder einen Gang durch's
Jeld machen und sich freuen über ihren Waizen und Flachs,
iber ihre Kartoffein und Rüben und ihre Berechnungen
dagen — und hat keinen Waizen, keinen Flachs, keinen
ohl und keine Kartoffeln, so daß auch ein Gang durch's
feld Einen gleichgültig läßt, — ich sage Ihnen, ein solcher
onntag ist bleischwer zu erleben. Aber, was ließ sich
nachen? Meine Frau war aus einer Stadt und verstand
ichts von Felt arbeiten, hatte auch keine Lust an so ein
ischen Gärtnerei; — ich war mehrere Male im Wirthshause
wesen; da ich aber keine Schulkameraden hatte, blieb ich allein
ven; keiner sprach mich an; — ich trank mein Schnaͤpechen,
un auch einen Schoppen Bier; aber es war mir immer,
ls schnütte mir meine Einsamkeit die Kehle zu. Ich trank
nd ging verdrießlich und verbittert heim. Da fand ich auch
ei meiner Frau'ein Geficht, welches die Milch im Schranke
F gemacht hätte, wenn wir nur Milch im Schranke gehabt
Atten. Da fehlte es denn, wie an süßer Milch so auch an
üßen Worlen. Und da bir innerlich unzufrieden waren,
wurden wir's auch äußerlich. Ich verdiente meiner Fran
i genug, und sit gab mir zu viel aus. Ja, mein Herr,
* ein Elend, menn eine Frau nur immer das Portmonnai
Mannes sroluirtz wenn sie vichts thut, um dem Manne
w eine Ausgabe zu ersparen, vorab aber einem Anfänger,
ch wenn er eine gute Profession hat und auten Verdienst. —
m Um's kurz ju machen, win waren so unglücklich, wie das
err lef ist. Und wenn ich an den, Winter und seine
nugen Abende dachte, dann wurde mir himmelbange.
Deshalb hatte ich in der Nachbarschaft Kunden gesucht
ind gefunden, und wie schon gesagt, den Sonntag, wenn
ch gefrühstückt und mich rasiert hatte, dann machte ich
nich auf die Lappen, meine Schuh' und Stiefel auf dem
Buckel, und marschirte über die Berge. In L wo ich die
neisten Kunden, hatte, ging ich, wenn ich Nachmittags mit
hnen fertig war, in's Wirthshaus, aß etwas und trank
affee. Meine Kunden, die meiner Arbeit und meiner Preise
wegen mich wohl leiden konnten, luden mich ein, wenn sie
n's Wirthshaus kamen, mich zu ihnen zu setzen, mit ihnen
u trinken und auch wohl ein Kartenspielchen mit ihnen zu
nachen. Ach, dann ging mir das Herz auf. Ich war doch
inter Menschen, die in mir nicht den armen, einsamen und
erlaßenen Waisenknaben, sondern einen tüchtigen Meister
ahen, die mich auch allmählich gern hatten, da ich ihnen
zon meinen Wanderjahren allerlei Ernstes und allerlei Spaß—
zaftes zu erzählen wußte. So kam's, daß ich mich schon die
zanze Woche auf den Sonntag freute. Ich freute mich,
venn ich aufrichtig sein soll, auch darum, weil meine Frau
zllein sein und sich allein ärgern und versäuern mußte.
Und wenn das Wetier noch so garstig war, so um 9 bis
O Uhr trabte ich mit der brennenden Pfeife im Munde zur
dinterthür hinaus, auf dem Hundepfade durch's Feld auf
k. los.
Da kam mir an einem Sonntage, als der erste Schnee
zefallen war, weshalb ich etwas später zu Hause weggegangen
var, unser Pfarrer, Ihr Freund, auf der Hälfte des Weges
entgegen Er hatte auf seiner Filiale gepredigt und ließ
ein Pferd scharf ausgreifen; denn in W. läutete schon die
Hlocke, das Zeichen zur Kirche. Als er aber mir nahe kam,
»og er vom schmalen Wege ab, so daß ich bequem vorüber
Jehen konnte. Ich that, als kenne ich ihn nicht und wollte
asch an ihm vorbei. Aber er hatte mich erkannt, hielt sein
Pferd an und fragte: „J., was bedeutet doch das Läuten dort
n W.?«“ „Ei, das werden Sie ja wohl wissen“, antwortete
ch schnippischz; „in einer halben Stunde geht die Kirche an.“
„So, das wissen Sie und kehren der Kirche den Rücken?“
„Ja, ich habe keine Zeit in die Kirche zu gehen; ich
orschire meine Profession und muß den Sonntag zu Hülfe
tehmen, wenn ich ehrlich 'rum kommen soll.“
„Wie wäre es aber, wenn Sie Gott zu Hülfe nähmen?“
„O den habe ich auch, Herr Pfarrer; das brauchen Sie
nir nicht erst zu sagen. Adieu, Herr Pfarrer!“ Damit
marschirte ich ab.
Der Pfarrer hielt noch eine Weile stillez ob er mir nach⸗
sah und noch etwas sagen wollte? Ich aber wollte nichts
zören und marschirte stramm d'rauf los. Ich lachte so vor
mich hin. „Dem hast Du's abgemacht,“ dachte ich vergnügt;
‚der hält Dich nicht wieder an. Was geht's auch den
pfaffen an, was und wie ich's treibe? Er giebt mir doch
nichis. Und ich will auch nichts von ihm, und wenn er
etzt käme und sich ein Paar Stiefel wollte anmessen laßen,
ch machte sie ihm nicht. „Adieu Herr Pfarr!“« rief ich laut,
ndem ich mich umdrehte. Da hielt er noch oben auf der
Zöhe und sah mir nach. Ich wußte nicht, was ich daraus
zehmen sollte.
Aber mochte er denken, was er wollte, ich kümmerte mich
nchts d'rum und ging meiner Wege und ging jeden folgenden
Zonntag dem Pfarrer sogar zum Trotz, auch wenn ich 'mal
zätte zü Hause bleiben können. Der Pfarrer wurde auch
nicht müde mit seinen Erinnerungen und Ermahnungen.
So begegneten wir uns denn auch am ersten Christtage,
iber diesmal doch etwas anders. Der Pfarrer ritt scharf
zuf mich ein, und während er sonst sein schweres Pferd hatte
usbiegen laßen, blieb er heute auf der Bahn und ich mußte
in den tiefen Schnee treten, wenn mich das Pferd nicht