Unterhaltendes und Belehrendes.
Wie man ohne Kosten zu einem Hause
kommen kann.
Der schönste Hof in der schönen Waldau ist der des alten
Homburg droben am Pferdeteiche. Daran ist zu lesen:
Andreas Homburg und dessen Ebefrau Eüuisabeth geb.
Müller haben Goit vertraut und dieses Haus gebaut.“
Ja, auf Gott bat das liebe alte Paar vertraut, und darum
Jehört der schöne Hof mit dem ansehnlichen Gute noch
schuldenfrei der Familie Homburg, und der Urenkel des Er—
»auers reitet darauf herum, wenn auch einstweilen nur noch
auf einem Stocke.
Neben jenes freudige Bekenntnis von seinem Gottver—⸗
rauen hatte aber der alte Homburg auch einen herzlichen
Stoßseufzer setzen laßen: „das Bauen ist meine Lust; daß
z8 aber viel Geld kostet, hatte ich nicht gewußt.“
An den Häusern, welche seit einigen Jahren bier in
Tassel, dicht wie Disteln auf dem Brachfelde, aufschossen, steht
zin Wort von Gottvertrauen nirgends zu lesen. Das ist gut;
denn es wäre ja doch nur eine Lüge gewesen. Sehr viele
Erbauer dieser Häuser vertrauten beim Bauen auf Narren,
welche bald herbei kommen und die Häuser übertheuer be⸗
zahlen sollten. Wie aber die Milliarden sich verltefen, so
derllefen sich auch die Speculanten, und viele, welche noch
nicht haben laufen können, liefen lieber heute wie morgen.
Und doch kann ich nicht leugnen, ich hätte auch gern ein
eignes Haus.
Denn es ist doch gar so uneben nicht, wenn man wie
der alte Homburg seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln so
ein schönes, festes Plätzchen hinterlassen kann. Nur sollte zu
deter Mahnung an meinem Hause der Spruch nicht fehlen:
Wir bauen Häuser schön und feste
And sind doch hier nur fremde Gäste.
Wo wir sollen ewig sein,
Da bauen wir nur wenig ein.
Aber wie zu einem Hause kommen, wenn man nicht mit
Tausenden um sich werfen kann?
Auf diefe Frage, die mich oft quälte, erhielt ich uner—
wartet die Antwort. Und da ich mir denke, daß ich viele
Kameraden habe, die auch gern ein Haus hätten, wenn's
nur nicht so viel, oder gar nichts kostete, so will ich die
Antwort in den Kalender setzen laßen. Ich mustater etwas
amständlich erzählen, auf welche Weise ich die Antwort auf
neine Frage, wie man ohne Kosten zu einem Hause kommen
kann, erhielt.
Es war im vorigen Jahre an einem schönen Sommer⸗
rage. Ich hatte mich mit mehreren Bekannten zu einem
Hange auf die elf Buchen verabredet. Wir wollten uns
bei Schulz in der obersten Gasse versammeln. Da ich nicht
zern Jemanden auf mich warten laße (ich halte das für
ine große Tugend), so ging mir's heute wie oft; ich war
der Erste am Stelldichein, nämlich bei Schulz in der obersten
Gasse. Zu einem Schoppen war mir's noch zu früh; ich
stellte mich deswegen an's Fenster, stocherte in den Zähnen,
obgleich ich kein Fleisch, sondern Pastorenbraten, nämlich
Pfannluchen gegessen hatte, ärgerte mich über meine Bekannten,
die auf sich warten ließen, guckte lints in der Gasse hinaus
nach der großen Kirche, dann auf meine Uhr, ärgerte mich
iber mich, daß ich zu früh von Hause weggegangen war,
zuckte wieder rechts in der Gasse hinaus, zählte die Fenster
in den Häusern, musterte Jeden, der vorüberging, und wat
nan so alles treibt, wenn man Langeweile hat und sich ärgerh
Da klingelte es drüben bei Scholl's, und aus dem Lader
rat ein Mann, den ich gleich für einen Pfarrer hielt. E
zing nach der großen Kirche hin. Aber kaum war er einigt
Schritte gegangen, da, gerade mir gegenüber, stürmte ein
inderer Mann, ein Handwerker, wie leicht zu erkennen, auf
hn ein, faßte ihn bei der Hand und wollte den Pfarre
smarmen und küssen. Der stängelte sich, und man sah ihm
in, daß ihm diese Begegnung unangenehm war, und daß
er ben Andern nicht kannte. Dieser aber schrie laut: „ag
nein lieber Herr Pfarrer, wie freue ich mich, daß ich Sit
inmal wieder sehe; ach, das ist ja doch gar zu schön; wit
ange habe ich doch auf das Glück gehofft, meinem größten
Wohlthäter nach so langen Jahren einmal wieder die Hand
drücken zu können! Ach, wie freue ich mich!“
Der Pfarrer war, wie man ihm ansah, in großer Ver⸗
legenheit. Er blickte den Mann, der vor ihm stand und
mmer fort hasselierte, an, als wenn er ihn fragen wollte:
„sind Sie denn auch recht bei Troste?“ DTann schaute er um
ich her, ob ihm denn Niemand Hülfe bringen könne gegen
den Zubringlichen, und endlich erhob er auch seine Augen
u dem Fenster, an welchem ich stand und meinen Spaß an
Zer Begebenheit deutlich in meinem Gesichte erkennen ließ
Zerr Gott, Hermann! fo entfuhr es meinen Lippen; gbiß
Zu es denn?« Wieder kam der Pfarrer in fichtliche Ver—⸗
egenheit; ich aber eilte hinaus und umarmte den Jugend⸗
reund und Schulkameraden, mit welchem ich Jahre lang
nuf einer Schulbant gesessen, den ich aber seit Jahren nicht
jesehen hatte Dann wandte ich mich drohend an den jetzt
zuch verblüfft dastehenden Fremden und schnauzte ihn an:
Mann, was wollen Sie denn? Scheren Sie sich Ihrer
Wege; Sie sehen, daß Sie der Herr Pfarrer nicht kennt!“
J Ja, ich kenne ihn aber, und ich will nichts von ihm,
ich will ihm nur danken dafür, daß er mir mein Haus
Jebaut hai. Er wird mich wohl auch kennen, wenn ich ihm
age, daß ich der Schuhmacher J. aus W., bin, wo der
derr Pfarrer vor 20 Jahren gestanden hat.“
Und damit wolte er meinem Freunde wieder die Hand
chüttein. Der batte die Hand über die Augen gelegt und
ann nach. Bald aber ergriff er die dargebotene Hand und
prach berzlich: „ja jetzt erkenne ich Sie wieder. Aber Sie
nüssen mich entschuldigen — auf ein halb Stündchen nur —
ch muß nothwendig zum Herrn Generalsuperintendenten; au⸗
3 Uhr bin ich bestellt, und Sie haben gehört, daß die Glockt
eben geschlagen hat.“
„uͤnd auch mit Dir, lieber Fritz, wandte er sich zu min
möchie ich gern einmal nach langer Zeit wieder etwa
laudern. Ich fah, wie Du aus Schutz kamst. Hast, Du
Zeit, fo geh' mit Meister J. hier hinten in das Stübchen,
Du kennst's ja wohl noch, Fetzte er schmunzelnd hinzu, „und
vartet auf mich; in höchstens einer balben Stunde bin ic
wvieder da. Auf Wiedersehn.“
Somit drehte er sich um und eilte der großen Kirche zu
„Na, Meister J., wenn Sie mir nicht uͤbel nehmen, deh
ch Sie vorhin so anranzte, so kommen Sie mit. Ich bit
reugierig, über meinen Freund, den ich, wie Sie bören, auch
ange nicht gesehen und gesprochen habe, etwas zu hören, und
es sheint, als könnten Sie mir eine schöne Geschichte erzählen
Der Schuhmacher fah noch, wie mir schlen, mit feuchter
Augen dem Freunde nach; dann wandte er sich zu mir mit
en Worlen: Ich babe auch eigentlich keine Zeitz aber wenn