Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

3. Hast du den Acker fein umgekehrt 
Und bist mit der Egge darüber gefahr'n, 
So laß ihn nun liegen in Rast und in Ruh 
Und richte der Weile die Tenne fein zu. 
4. Und Morgens früh geht auf die Sonn'; 
Sie bringet dem Bauer viel Freude und Wonu'. 
Die Perlen im Gras, wie schön steht das! 
Wie hüpfet das Hirschlein, wie springet der Has! 
5. Die Vöglein thun sich alle erfreun; 
Der Bauer thut ihnen den Samen ausstreun. 
Wenn auf der Welt kein Bauer nicht wär', 
So ständen viel Scheuern und Kasten leer. 
G6G. Wenn's auf der Welt nicht Bauer heißt, 
Sich keiner in Sammet und Seide bekleid't. 
Und wer sich in Sammet und Seide kleid't, 
Der Bauer das Hemd ihm von Flachs bereit. 
7. Mein Bauer, ich wünsch' dir viel tausend Glück 
Und daß du so fein in die Arbeit dich schickst. 
So arbeit, mein Bauer, für Weib und für Kind, 
Daß dir der Sohn Gottes vom Himmel 'rab kömmt! 
Kleine Erzählungen und Anekdoten. 
Eine Geschichte vom alten Fritz. 
So viele Anekdoten auch von Friedrich dem 
Großen erzählt werden, so dürfte die folgende, dem 
Kaiserswerther Kalender entnommene, doch noch 
wenigen unserer Leser bekannt sein. 
Etliche Jahre nach Beendigung des siebenjährigen 
Krieges — zwischen 1770 und 1775 — war der alte 
Fritz noch einmal nach Westfalen gekommen und 
hatte für einen Tag der Woche, an welchem er in 
Bielefeld einzutreffen gedachte, eine Besichtigung 
des dort garnisonirenden Militairs auf 11 Uhr Vor— 
mittags ansagen lassen. Dasselbe stand damals unter 
dem Kommando eines Herrn v. Pfuel. Der alte 
Fritz war am bestimmten Tage statt um 11 Uhr, 
wie er befohlen, schon um 10 Uhr auf dem Platze. 
Natürlich war noch kein Soldat zu sehen. Bebend 
vor Zorn erwartete er Pfuels Ankunft, und als 
dieser gegen 104 Uhr mit seiner Truppe erschien, 
ward er mit den drohenden Worten angefahren: 
„Hol Ihn der Schwarze! Wo bleibt Er? An dem 
und dem Tage hat Er sich in Potsdam zu melden. 
Vorwärts!« Der arme Pfuel, obgleich in gutem 
Rechte, — denn der König hatte sich ja in der Zeit 
geirrt — wagte kein Wort zu sagen. Sehr ungnaͤdig 
nahm der König die Parade ab und reiste weiter. 
Bei ruhigem Blute mag der alte Herr sich 
besonnen, oder Nachfrage gehalten haben; kurz, er 
ward sein Unrecht gewahr und bereuete es. — Am 
bestimmten Tage erschien von Pfuel in Potsdam 
und ließ sich beim Könige melden, war aber nish 
wenig erstaunt, als ihm statt eines derben —— 
ohne weiteres der Befehl zu Theil wurde, er sollt 
zur königlichen Tafel kommen. Er traf dort Gelehri 
und Generale, und da Fritz in seinen alten Ta 
gern von seinen siegreichen Schlachten sprach, war! 
nicht zu verwundern, daß auch an diesem Tage dat 
Gespräch auf die schlesischen Kriege kam. Im Gespräc 
varf er die Frage hin: „Hat wohl einer meine 
unwesenden Officiere alle meine Kriege vom erste 
Anfange an mitgemacht?“ Herr v. Pfuel war du 
einzige an der Tafel, welcher Ja sagen konut! 
„War Er bei Mollwitzꝰu fragte der König freundlih 
„Ja, Majestät, als Fahnen-JunkerErzäh— 
Er, was Er erlebt hat,“ sagte der König noet 
freundlicher. Dem Pfuel war's Herz mittlerweil 
eichter geworden. Er erzählte schlicht und bescheide 
seine Erlebnisse, und der König faßte zu dem treu— 
herzigen Manne ein solches Zutrauen, daß er ihn 
hei'm Abschiede sagte: „Er bleibt fortan hier ir 
Potsdam und hat käglich freien Zutritt“. Glücklit 
zing Pfuel von dannen und dankte seinem Gott, da 
hm und seiner Familie die Lebensaussichten wiedt 
onnig geworden waren; denn er war ein fromm 
Mann. Seit der Zeit knüpfte sich das Band de 
Freundschaft zwischen dem Könige und dem genannte 
Sfficier immer enger, und schleßlich mußte v. Pfu 
äglich im Kabinet seines Königs einkehren. und zwar 
eden Morgen unangemeldet. 
Eines Morgens wollte v. Pfuel wieder ins Kabine 
des Königs gehen und hatte die Thür schon ein wenn 
geöffnet.“ Ploötzlich trat er leise undescheu zurit— 
Warum? Der alte König lag vor einem Stuhlt 
auf den Knieen und — betete. Bald darauf hört 
Pfuel Geräusch im Zimmer. Der König war auß an 
jestanden, und jener trat ein. Freundlich, wie gesböl⸗ 
voͤhnlich, empfing ihn der König und fragte, nachden 
inige Worte gewechselt waren: „Pfuel, war aufi 
ben schon dare Ja, WMajestät., Hat EeM, 
zesehn, was ich gethan habe . Ja, mit ehr 
erbietiger Freude So,« versetzte der Könn 
„betet Er auch? Und warum hat Er sich denn gefreut⸗ — 
Halten zu Gnaden, Megjestterwiderte b. Pfir cua 
„ich habe von Jugend auf täglich mein Gebet gehalto 3 
vie ich's in meiner Eltern Hause gewohnt war, m eh 
Jabe mich gefreut zu sehen, daß mein König auchru 
Vott die Kniee beugt⸗ Nun“, fuhr der Könnge 
sort, „hat Er das vorher nicht gedacht?“ Hauu de 
zu Gnaden, Majestät“, erwiderte v. Pfuel; — 
ann mit dem Gebet Manches, was ich sonst en 
Ew. Majestät gehört habe, nicht reimen“. 2. m 
antwortete der König hastig, „Er denkt an Wibl ar
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.