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Nacht brach im Hause seines Nachbars Feuer aus;
dessen Wohnhaus und Scheune nebst dem am Sonn—
tage heimgebrachten Heu und auch Rahlenbecks Scheune
wurden von den Flammen verzehrt, und nur den
eifrigsten Bemühungen der Ortseinwohner war es
nächst Gott zu danken, daß sein Wohnhaus, in dem
Vater und Großvater gewohnt hatten, in dem er
als Kind gelebt und gespielt hatte, an dessen Räume
sich so schöne Erinnerungen seines Lebens knüpften,
der furchtbaren Gewalt des entfesselten Elements
entrissen wurde. Wie dankbar war er dafür! Wie
versüßte das dankbare Gefühl ihm und den Seinigen
alle Angst der überstandenen schrecklichen Nacht! Den
Werth der niedergebrannten Scheune bekam er durch
die Versicherungs-Gesellschaft größtentheils ersetzt.
Jetzt war es ein Gluͤck, daß das Heu nicht Tags
zuvor hatte eingefahren werden können; denn es
wäre ja mit verbrannt und verloren gewesen, wie
bas des Nachbars.
Am Werktag schaffe alle Ding',
Am Sonntag höre, bet' und fing!
II.
„Unter den Männern, die trotz ihrer kleinen Kraft
Broßes im Reiche Gottes gewirkt haben, verdient
ein eben so demüthiger wie hochbegabter Mann, der
bis zum Jahre 1861 in Schleswig-Holstein thätig
war, in dankbarem Andenken behalten zu werden.
Er war seines Handwerks ein Schuster und hieß
Sommer. Der bekannte edle Goßner begann ein—
mal einen seiner Briefe an ihn also: „O, lieber
Bruder Sommer, der auch im Winter Sommer
heißt; so soll der Christ sein und heißen, immer
berselbe im Winter und Sommer, in Glück und Un—
glück, im Hellen und Trüben, in Freud' und Leid,
im Leben, Leiden und Sterben, immer ein seliges
Kind Gottes, voll Friede und Freude in Christo
Jesu; denn im Christen muß Christus wohnen, und
der ist immer derselbe, heute und gestern und in
Ewigkeit.“
Sommer, der natürlich nicht studirt hatte, hat
doch studirt, und zwar mit solchem Eifer, daß er
wohin wohl wenige seines Gleichen es gebracht
saben) spat noch so viel Griechisch lernte, um das
neue Testament im Grundtert lesen zu können. Als
Reiseprediger des holsteinischen Vereins für innere
Mission bewies er sich als ein Redner von Gottes
Gnaden, dem Tausende, und unter ihnen auch viele
Geistliche, mit Andacht lauschten; und auf die einzelnen
Gemüther wirkte er im Privatgespräch so maächtig,
daß z. B. ein Wirth, bei dem er geherbergt hat, von
ihm sagte: „Der kann nicht bloß Schuhe flicken, sondern
auch die Herzen, mein Herz hat er auch geflickt.⸗
Selbst solche, die dem lebendigen Christenthum ganz
ferne standen, mußten ihn hochachten und sagten, sie
hätten nichts gegen die „Heiligkeit«, wenn die „Heiligen“
oder, Frommen“ alle so wäͤren. — Aus dem Leben
dieses Mannes möge der liebe Leser nun Folgendes
beherzigen.
Als im Jahre 1835 in der Stadt Husum, wo
er seine Wohnung hatte, der Jahrmarkt beginnen sollte,
kam Abends vorher sein Freund, der Pantoffelmacher
A. aus einem benachbarten Dorfe, zu Sommer, um
mit ihm Einiges zu besprechen. „Mein lieber Freund,“
prach er zu S., „du mußt mir heut' mit einem
juten Rathe dienen. Ich bin meinem Gerber, der mich
tets gut bedient, eine schöͤne Summe schuldig, und
zie muß nothwendig jetzt, über den Markt bezahlt
sein. Das Geld aber rechtzeitig aufzubringen, war
nir nicht möglich, und ist nicht möglich, ohne meinen
hedeutenden Vorrath von Pantoffeln verkauft zu haben.
Nun ist ja morgen am Sonntag bekanntlich der beste
Tag im ganzen Markt, wo immer am meisten abge—
etzt wird. Die andern Tage ist der Handel, wie
Du weißt, nur mäßig. Was soll ich nun thun?
Morgen auf den Markt gehen und so den Tag des
herrn in meinem Theile entweihen, oder bis zum
Montag warten? Aber wie, wenn ich dann mieine
Waare nicht verkaufen und also meine Schuld
nicht abtragen könnte? Was soll ich da thun?“
Sommer entgegnete ihm, ohne lange sich zu besinnen:
„Des Herrn Gebot ist ja einfach dieses: „Du sollst
den Feiertag heiligen⸗; allein ob Du nun so viel
Vertrauen zum Herrn hast, daß Du glaubst, Er werde
Dich nicht stecken lassen, das hängt ja von Dir ab,
und was sagt wohl Deine liebe Frau dazu?“
„Ja, sie ist's zufrieden,“ erwiderte er, „und mit
dem einverstanden, was ich thue.“ „Gut,“ sprach
Sommer, „thut was Ihr wollt, und was Euch gut
dünkt; meine Meinung ist: wir können getrost dem
Herrn vertrauen und bei der Befolgung Seines Ge—
botes auch etwas wagen.“ Damit ging der Freund,
und in seiner Seele stand der Entschluß fest: du be⸗
ziehst morgen den Markt nicht.
Am folgenden Tage kommt ein andrer Freund zu
Sommer, ein Schuster B. aus einem benachbarten
Städtchen. „Du heute hier, am Sonntag schon?“
ragt S. ihn etwas verwundert. „Ja,“ war die
Antwort, „Du weißt ja, daß heute der Haupt⸗Tag
im Leder ist, und um vortheilhaft einkaufen zu können,
bin ich dießmal schon heute gekommen.“ S. erwiderte
aichts; allein in seinem Gesicht mochte B. wohl lesen,
daß S. sein Vorhaben ernstlich mißbillige. Am Abend
kam er wieder mit einem sehr fröhlichen Gesicht und
erzählte, mit seinem Einkauf sei es ganz uͤber Er—
warten gut gegangen. Auch dazu schwieg Sommer