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Die Social-⸗Demokraten rufen natürlich: „Das
Großcapital trägt allein die Schuld“. Und umge—
kehrt die Capitalbesitzer: „Ihr Social-Demokraten
mit euren wahnsinnigen Lehren, mit denen ihr die
Arbeiter unzufrieden und unbrauchbar macht“. Die
Particularisten rufen: „Die Großstaaterei ist an
Allem schuld“. Die Nationalen schieben den
Particularisten die Verantwortung zu ꝛc. ꝛc. — —
Wer wollte leugnen, daß alle auch wirklich triftige
Gründe für ihre Anklagen aufbringen können! Aber was
hilft das Anklagen? Wie ist zu helfen? darum gilt's.
Der alte Schulze-Delitzsch begehrt als Heilmittel
mehr Bildung; denn ein gebildeter Mensch werde
sich nie einem Laster ergeben. (17) — Aber die
— jetzt vielleicht bedeutendste — Autorität in der
Gelehrten-Welt auf dem Gebiet der National⸗Oeco—
nomie*) schreibt: „Es wäre eine arge Verkennung
der menschlichen Natur, wenn man glauben
wollte, daß die Selbstbeherrschung und gegen—
seitige Duldung von Reich und Arm, die zu
heilsamer Entwickelung des Volkslebens unentbehrlich
ist, auf bloßer Einsicht ohne Religion be—
—
mancher Gebildete den Socialismus dadurch bekämpfen
will, daß er um sich her eine religiöse Halbbildung
verbreitet; die kann im Ernste bloß zur Weiter—
verbreitung dieser traurigen Irrlehren
führen. — — Unter allen vorgeschlagenen Reformen
der gesellschaftlichen Verhältnisse ist keine einzige, die
nicht zu ihrer haltbaren Voraussetzung eine wesent—
liche Steigerung echter Religiosität im
Volke voraussetzt.
Der gelehrte Mann hat damit gewiß das rechte
Wort gesprochen. Und wer es aufrichtig meint mit
dem wirthschaftlichen und sittlichen Wohle unsres
Volkes, der muß mit Hand anlegen zur „Steigerung
echter Religiosität im Volke,, Im Volks—
leben gibt es aber keinen wichtigeren Halt für die
Religiosstät als eine strenge Sonntagsheiligung.
Und das gehört unstreitig zu den erfreulichen Zeichen
der Zeit, daß man von den verschiedensten Seiten an⸗
fängt, um Wiedergewinnung des Sonntags
für unser deutsches Volk sich zu regen und zu
bemühen. Nicht allein Pfarrer und Lehrer, sondern
auch Fabrikanten, Kaufherren, Landwirthe und Aerzte,
ja Leute jedes Standes und Berufes hahen sich zu—
sammengethan, um unserm deutschen Volke seinen
Sonntag wiederzuerobern. Man fängt an zu er—
kennen, daß eine gewissenhafte Sonntagsfeier
das Geheimniß der Krafterneuerung der
Völker ist. —
* W. Roscher.
Ja, und es ist merkwürdig und Dir, lieber Leser,
ielleicht auch schon aufgefallen, daß gerade die reich—
ten Völker der Erde diejenigen sind, welche den
Sonntag, oder, was die Juden betrifft, den Sabbath
genug, nach göttlicher Anordnung unter 7 Tagen
Finen) am gewissenhaftesten feiern, die Engländer,
Amerikaner und Juden. Es muß demnach doch der
Eine Tag mehr, den man wider Gottes Gebot
mit Arbeit meint ausfüllen zu müssen, den Reich—
hum nicht bringen; sonst müßten ja jene Völker
gjerade ärmer sein, als die andern, welche auch den
sten noch arbeiten. Nein, es muß vielmehr an dem
7ten mit Arbeiten Etwas zu verlieren sein, was man
nit Nichts wieder einbringen kann, nämlich — Gottes
Zegen, an dem Alles gelegen. Es muß wohl
o fein, wie es das Sprüchwort unsrer Väter als
hre Erfahrung bezeugt: „Was der Sonntag erwirbt,
schon der Montag verdirbt;“ es muß kein Segen
sein bei der Sonntagsarbeit. Es muß wohl so sein,
haß der Gott, der uns nach Leib und Seele ge—
schaffen, uns auch am besten kennt und am besten
veiß, daß wir unter 7 Tagen eines heiligen Ruhe—
tages bedürfen, um an den 6 andern tapfer arbeiten
zu können.
Aber wie es jedem Einzelnen gar leicht gemacht
wird, die Wochenarbeit am Sonntag zu lassen,
venn ihn die starke Macht der allgemeinen öffent—
ichen Sitte stützt, so wird es dem Einzelnen gar
chwer, wenn die allgemeine öffentliche Sitte einer
trengen Sonntagsheiligung aufgehört hat. Ja,
ieber Leser, wenn Du etwa in der Stadt wohnsi
und hältft da Deinen Sonntag gewissenhaft, denke
nicht, das sei ebenso leicht auf dem Lande. Wenn
da das Wetter lange Zeit regnerisch gewesen, daß
man sein Heu oder Grummet ꝛc. nicht hat einbringen
vnnen, und nun an einem Sonntage lächelt die
Sonne so hell vom Himmel herunter, als wollte sie
elbst einladen, den Segen Gottes auch einzuheimsen,
ind der Nachbar von links und rechts eilt mit Rechen
und Heugabel ꝛc. hinaus, — da entspinnt sich auch
im Herzen manches sonst entschiedenen Christen leicht
rein Parlamentiren zwischen Gottes Gebot und den
»eignen Wünschen, welche letztere sich dann unter der
Firma der erlaubten Werke der Liebe und Noth so
gern einschmuggeln möchten, und das Parlamentiren
endet mit dem Nachgeben an die Wünsche des
Herzens. Ist aber einmal nachgegeben, dann ist der
Damm durchbrochen, und wird Einem Alles zu
„Werken der Liebe und Noth.“ Weißt Du, was
dazu gehört, um in der Sonntagsheiligung fest zu
bleiben? — Dazu gehört ein fester lebendige!
Glaube an den lebendigen, starken und eifriger
Gott, der da Manus genug ist, um sowohl die