Unterhaltendes und Belehrendes.
Unsre Hessen im Kampfe wider die
Türken (1717).
J. Von einem alten Liede in stets neuer
Auferstehung — zur Einleitung!
„Prinz Eugenius, der edle Ritter,
Wollt' dem Kaiser wied'rum kriegen
Stadt und Festung Belgarad.
Er ließ schlagen eine Brucken,
Daß man kunt hinüber rucken
Mit d'r Armee wohl für die Stadt.“
Dies Lied ist nun schon über 14 Jahrhunderte
alt. Aber die unverwüstliche Lebenskraft, welche den
Volksliedern innewohnt, hat es auch eben dadurch
bewährt, daß es trotz seiner überaus rauhen, holperigen
Form bis heute unvergessen geblieben ist. Denn wo
in Soldatenkreisen gesungen wird, da ertönt neben
einem weichwehmüthigen: „Morgen muß ich fort von
hier“, oder: „Steh' ich in finst'rer Mitternacht“ ꝛc.
auch heute noch zwischendurch einmal der alte
„Prinz Eugenius“, dessen mannhaft kräftige Soldaten—
weise wie ein Sturmmarsch klingt, unter dem
das Geschütz wider die Festungsmauern donnert,
während die Verse daherrasseln, als ob man die
zertrümmerten. Mauerstücke in die Festungsgräben
hinunterpoltern hörte.
Und bei diesem Liede ist in der That die Melodie
wie der Baumstamm, der stehen bleibt, wenn auch
die Generationen der Schlinggewächse, die sich an
ihm hinaufranken, wechseln. — Fast ein Jahrhunder!
war vergangen, seitdem Prinz Eugenius die Christen⸗
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diesem „Stadt und Festung Belgarad“ abgenommen,
und die Macht des Halbmondes war so geschwächt,
daß die Christenherzen, wenigstens in unserm deutschen
Vaterlande, längst aufgehört hatten, vor den Türken
zu zittern. Aber ein gefährlicherer Feind, als es je
der Türke gewesen, hatte unser Volk in drückende
Fesseln geschlagen, aus denen es sich aber nun zu
befreien mit edlem Manneszorne aufgestanden war.
Da sang Max v. Schenkendorf sein Todeslied
über „die schönste Heldenlanze“, die sich wider den
Dränger Napoleon erhoben, über den Mann, der
dem gewaltigen Schlachtenkaiser das Geheimniß seiner
Schlachtenkunst abgelernt hatte und es nun wider ihn
spielen ließ, — über Scharnhorst, der „auf dem
Feld von Lützen“, wo er „lustig Freiheitswaffen
hatte blitzen“ sehen, „von des Todes Stahl“ selbsi
getroffen ward. Aber sein Todeslied sollte nich!
wie Klage und Trauer, sondern wie siegesgewisse
Schlachtgesang, ja wie Sturmmarsch gegen Napoleon'
Zwingburg klingen. Darum ließ er sein „In den
wilden Kriegestanze“ erschallen nach der alte
Sturmmarsch-⸗Melodie des „Prinz Eugenius
edler Ritter“. — Und als in unsern Tagen wiede
von einem Napoleon unserm Vaterlande Gefah
drohte, aber freilich, um schon nach den ersten Tage
alles ängstliche Baugen in das Hochgefühl zuversich
licher Siegeshoffnung übergehen zu lassen; da san—
ein Vater*) in seines mitkämpfenden Sohnes Name
enes kecke foldatische Spottlied, welches seine beißend
dauge über allen französischen Größenwahn, wi
seine innige Freude an den deutschen Siegen in s
mübertroffen volksthümlicher und naiver Weise zun
Ausdruck bringt, daß es — nach dieser Seite hin—
vohl unbestritten als die Perle der gesammie
dichterischen Produktion aus jener Zeit betracht
verden darf; — wir meinen das köstliche: „Köni—
Wilhelm faß ganz heiter ꝛc.“ Aber wem he
dies Lied jenen so unnachahmlich volksthümlichen,
der Derbheit seiner Sprache, in der Holperigke
seiner Verfe, in der Ungefügigkeit seiner Reime grad
o urkomisch⸗ergötzlichen Ton abgelernt? Die Melod
sagt es uns. Nach „Prinz Eugenius, der edl
Ritter“ haben wir's herausgesungen, oder
weilen auch herausgelacht: „König Wilhelm sa
ganz heiter ꝛc.“
So hat das alte Lied denn schon zweimal sen
Auferstehung gefeiert, indem der Staum der alte
Melodie jebeomal von dem neuen Schlinggewäd
eines in großer Zeit geborenen Liedes umrankt wurdi
Wird es nicht auch jetzt noch einmal, zum dritte
Male, auferstehen? Nicht wahr, lieber Leser, dan
wünschten wir aber: nicht nur die alte Melodi
sondern auch der alte Inhalt nur mit neuen
Helden-Namen. Denn wer könnte ein Christenhen
haben, dem es nicht in allen Gliedern prickelt
wenn er hören muß, wie die asiatische Rauberhord
des Türkenvolkes, die zur Schande Europas se
num schon mehr denn 400 Jahren ihr Raublage
in unferm Erdtheil aufgeschlagen hat, noch imm
raubt und mordet, sengt und drennt, verwüstet un
niedermetzelt und noch immer nicht hinausgejagt win
vbohin sie gehoͤrie Nicht wahr das wünfchiest —
mit mir, daß wir einen neuen Prinz Eugenius erleb
dürften, der den wüsten Barbaren nicht allein „Sta
und Festung Belgarad⸗ abnähme, sondern all di
*) Der waldeckische Arzt Wolrad Kreusler.