Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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12 Tagen hervorgehende Käfer kann sich dann schon 
uim die Mitte Juni anschicken, durch abermalige 
Absetzung von Eiern eine zweite Zucht von Fressern 
jervorzubringen, welche, da sie auch ihrerseits wieder 
un 50 bis 55 Tagen ihre Verwandlung durchgemacht 
jaben, zu Anfang August noch eine dritte Zucht ab— 
geben können. Die dieser letzten, bis in den Sep— 
ember hinein am Kartoffelkraut fressenden Brut ent— 
tammenden Käfer sind es, welche, wie oben erwähnt, 
den Winter über in der Erde zubringen. Die Ver— 
nehrung dieser Thiere kann demnach eine ganz un— 
geheure sein. Haben im Mai auch nur 100 Weibchen 
auf ein Kartoffelfeld ihre Eier abgesetzt, so würde 
ihre Nachkommenschaft bereits in diesem Monat sich 
auf 70,000 bis 120,000 Stück belaufen, von denen 
unter günstigen Umständen im Juni und Juli eine 
Anzahl von 24 bis 72 Millionen entstehen könnte, 
vas dann für die dritte in den August fallende Ent— 
wickelung schon ganz unzählbare Maͤssen von Thieren 
ergeben würde. Kein Wunder also, wenn in den 
oon dieser Plage befallenen Gegenden Nord-Amerika's 
schon im Juli ganz kahlgefressene Kartoffelfelder auf— 
Jefunden werden. 
Der Nahrungs-Mangel, welcher für den Käfer 
dann leicht eintritt, zwingt ihn zur Wanderung, um 
neue Kartoffelfelder aufzufuchen, und so ist es denn 
zuch häufig beobachtet worden, daß große Schwärme 
des Käfers ostwärts zogen. 
Zuerst wurde der — um das Jahr 1823 in 
der Gegend des Felsen-Gebirges (Rocky Mountains) 
zefunden, wo er auf einer“ widwachfenden Nacht⸗ 
chattenart sich ernährte; als die Ansiedelungen der 
merikaner und damit der Kartoffelbau sich in diese 
Vegenden verbreitete, ging der Käfer auf die Kartoffel⸗ 
elder über, und vermehrte sich in Folge der hier⸗ 
urch gegebenen reichlichen Ernährung so stark, daß 
r bald in immer weitere Gebiete vordrang. 1889 
burden umfangreiche Freßschäden im Staate Nebraska 
emerkt, 1861 war der Missouri überschritten und 
ourde der Staat Jowa überfallen, 1862 auch der 
taat Kansas. Von Jowa aus wanderte der Käfer 
die Staaten Minnesota und Missouri (1865) ein, 
berschritt den Mississippi 1866 und verheerte dann 
Wweiterem Umfang Wisconsin, Illinois und Kentucky, 
ter Indiana, Michigan und Ohio (1870), wobei 
Ibst der breite Michigan-See kein Hinderniß darbot. 
n Jahre 1871 findet sich der Käfer bereits im 
Aden Canada's, in New-gork und Pennsylvanien, 
p im Jahre 1874 hatte der Vortrab des großen 
erwüstungsheeres in den Oststaaten die Küsten des 
ntischen Oceans erreicht, während die Gesammt— 
läche der von bem Käfer befalenen Stactken eine 
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Ausdehnung von ungefähr 40 bis 50,000 Quadrat—⸗ 
Meilen befitzt. 
Die Ueberführung dieser Thiere nach Deutschland 
ann aller Wahrscheinlichkeit nach nur erfolgen durch 
»en Schiffsverkehr. Zunächst in der Weise, daß 
Schwärme solcher Käfer auf das Meer verweht werden, 
vobei es sich dann leicht ereignen kann, daß zahlreiche 
Thiere auf die Schiffe niederfallen und mit denselben 
ebend in die deutschen Häfen gelaugen, da sie, wie 
Versuche gezeigt haben, ohne alle Nahrung über 
3 Wochen lang am Leben bleiben können. Auch ist 
es leicht möglich, daß einzelne Käfer mit in amerikanischen 
däfen eingekauften Gemüsen (besonders Kohl und 
Tomaten) oder mit in Kartoffelkraut verpackten oder 
onstwie mit Kartoffelfeldern und ihren Produkten in 
Beruührung gewesenen Gegenständen auf das Schiff ge⸗ 
bracht werden. Auf ähnliche Weise können die Larven 
uind die Eier der Käfer auf die Schiffe gelangen. 
Auch die den Kartoffeln manchmal noch anhaftende 
krde ist nicht unverdächtig, da mit ihr die Puppen 
und die Käfer selbst eingeschleppt werden können. 
Eine Einschleppung des Käfers in Deutschland selbst 
vürde aber, da bis jetzt alle Mitel, welche man gegen 
den Käfer und seine Larven versucht hat, wie das 
Ablesen oder Vergiften auf den Feldern, ziemlich 
erfolglos geblieben sind, gleichbedeutend sein mit der 
Berwüstung des deutschen Kartoffelbaues, auf welchem 
doch die Ernährung eines großen Theils der Be— 
ölkerung vorzugsweise beruht. 
Alle Capitaine und Mannschaften wie Passagiere 
»er zwischen Amerika und Deutschland verkehrenden 
Schiffe werden daher gewiß gerne zur Verhütung 
ꝛines so großen Unglücks bemüht sein auf den Kar— 
offelkäfer, seine Eier, Larven und Puppen zu achten 
uind etwa an Bord gefundene Exemplare sofort zu 
zernichten, auch in Amerika alle nicht absolut nöthigen 
kinkäufe von Kartoffeln, Gemüsen ꝛc. zu vermeiden 
ind jedenfalls die an Bord gebrachten Materialien 
ieser Art einer genauen Controle zu unterwerfen, 
in dieser Beziehung die Hafenbehörden nach Kräften 
u unterstützen und auch außerhalb der Häfen beim 
arehr mit Lichterschiffen ꝛc. jegliche Vorsicht zu 
iben. 
Die Hafenbehörden in den deutschen Seeplätzen 
verden ersucht, auch ihrerseits eine scharfe Controle 
bei allen von Amerika kommenden und in Bezug auf 
die Möglichkeit des Einschleppens des Käfers ver— 
ächtigen Artikeln auszuiben. Die Einfuhr von 
dartoffeln aus Amerika nach Deutschland und die 
Ueberführung der Kartoffelschalen und Küchenabfälle 
von den Schiffen auf das Land in den deutschen 
Zäfen ist verboten.
	        
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