die Gelder wurden gezahlt, und die Lebens
mittel aufgepackt.
Wir setzten uns zu Tische. Es fiel mir auf,
baß noch für einen Vierten gedeckt war, und
ich wurde angenehm überrascht, als ein junges
Mädchen in der Nationaltracht in das Zimmer
trat und neben mir Platz am Tische nahm. —
,, Vittorina!" sagte der Pfarrer, auf das
Mädchen zeigend, „meine Nichte und die Ver
lobte des Senor Alcalde. Sie pflegt mich mit
kindlicher Liebe seit dem Tode ihrer guten Mutter,
die mir als geliebte Schwester mein Alter ver
süßte, und der ich — der Wille des Höchsten
geschehe! — nun wohl bald folgen werde. Froh
will ich diese Welt verlassen, da ich das mir
so innig anvertrauete Pfand so gut versorgt
weisst — Er brach ab und das Gespräch wen
dete sich auf gleichgültige Gegenstände.
Ich hatte nun Muse, das Mädchen näher
zu betrachten. Die schönen Formen ihres Körpers
waren mir nicht neu, sie sind den meisten Spa
nierinnen eigen. Dieses Nymphenhafte und doch
Graziöse, diese feinen Umrisse, und doch diese
üppige Fülle, sah ich nur in diesem Lande.
Aber die dunkelblonden Locken und ihr dunkel
blaues Auge waren mir eine neue Erscheinung
in dieser Zone; mehr aber noch als dies das
Schwermüthige, Schwärmerische im Blick:
nicht jenes Glühende, was unter dem Schleier
der feurigen Spanierinnen hervor blitzt. Sie
zog mich an und erinnerte mich an mein Vater
land; sie zauberte mich an die Seite meiner
Geliebten und meine Phantasie schwärmte auf
heimathlichen Fluren. Ich sprach mir ihr voll
inniger Herzlichkeit; der Ton meiner Stimme
wurde weich, und mir war es, als wenn dieses
holde Wesen mir näher angehörte; doch sie blieb
einsylbig, in sich gekehrt und still, und was
sie sprach, zeigte mir deutlich: diese Stimmung
sey Wiederhall ihres Gemüths, nicht ihres
Geistes. — Wir hatten unsere Mahlzeit bei
nahe geendet, als die Thür sich mit einigem ,
Ungestüm öffnete, und ein junger Mann her
eintrat, den Pfarrer, den Alcalden grüßte und,
indem er sich gegen mich verbeugte, mich ernst,
und fast möchte ich sagen, feindlich betrachtete.
— Ich erfuhr bald, er sey der Sohn deö
Alcalde und Vittorinens Verlobter. Auch er
war ein schöner junger Mann, hager, aber
kraftvoll. In seinem Gesicht war Leidenschaft
der Hauptzug, und ein gewisses Unbändiges
sprach vortretend sich finster aus. — Der Pfarrer
machte ihn mit mir bekannt, lobte gegen ihn
die Freundlichkeit, mit der ich mein Geschäft
abgemacht habe; sagte ihm, daß ich ein Deut
scher sey, und daß die blonden Locken Vittori
nens und ihre blauen Augen mich schmerzlich
an die dahelm gelassene Gattin und an meine
Kinder erinnerten. — Bei dieser kurzen Erzäh
lung, deren Absicht mir leicht klar werden mußte,
erheiterte sich allmahlig das Gesicht des jungen
Mannes; er näherte sich mir, drückte mir innig
die Hand, Loch blieb das Wilde in seinem
Gesicht und ganz verlor es sich nie.
Er nahm zwischen Vittorinen und seinem
Vater seinen Platz, tändelte mit ihren Locken,
verglich ihr Auge mit dem azurnen Himmel und
versicherte endlich, von dem inneren glühenden
Gemüth fortgerissen: So selten als diese Locken,
so selten dies Auge auf kastilianischem Boden
rollte und glühte, so selten sey eine Liebe der
seinen gleich. „Dich, Vittoria!" rief er, „oder
den Tod!" und drückte das schmachtend an
ihm aufblickende Mädchen an sein Herz.
„Fernando!" sagte lächelnd der Alcalde; „Du
hast Dich versprochen! Vittorina, wolltest Du
sagen, und rufst Vittoria!" — „Auf dies!"
rief der Jüngling, und stürzte einen Becher
Wein hinunter. ,. Vittoria und Vittorina, nur
nur durch euch Beide kann dieses stürmische
Herz glücklich werden!" — „Senor Coronel!"
so unterbrach der alte Pfarrer die Rede; „ver
zeihen Sie einem jungen Verliebten den Ausbruch
der Leidenschaft, der hier wohl nicht am rechte»
Orte ist."
Ich fühlte, was er sagen wollte, beruhigte
ihn über meine Grundsätze und bald sprach der
Deutsche zum Spanier. Unsere Herzen öffneten
sich, der junge Mann wurde innig, herzlich,
und ich, unvorsichtig, äußerte: daß jedem
rechtlichen Deutschen das Herz blute, die Hen
kers-Befehle gegen ein edles Volk vollziehen
zu müssen, das durch seinen Muth, seine
Standhaftigkeit unsere Bewunderung verdiente.
Da ergriff er Vittorinens Hand, führte sie za
mir und sagte mit feierlichem Ernst: „Mäd
chen, holde Geliebte! laß zum ersten Mal eines
Andern, als Deines Fernando Lippen, Deinen
holden Mund berühren; Du dankst im Namen
deö Vaterlandes!" — Ich küßte ihre Stirn,
drückte das holde Wesen sanft an mich — sie
ging schweigend aus dem Zimmer.
Das Gespräch ward jetzt ein allgemeines.
Plötzlich sah Fernando aufmerksam zum Fenster
hinaus, winkte dem Pfarrer und Beide ent
fernten sich. — Nach einiger Zeit kamen sie
wieder, der junge Mann sah aus, wie Jemand,
der mit sich nicht einig ist; der Greis lächelte
wohlwollend.
„Das Detaschement, was Sie bei sicl)
haben " — sagte endlich der Pfarrer, während
der junge Mann mit seinem Vater leise spracht
„ das Detaschement scheint meist aus Deutschen
zu bestehen?" — „Es sind lauter deutsche