Full text: Kurhessischer Kalender (1830-1835)

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nahmen', fürchteten mit Recht, einem ne’!?n ' 
Sturmi der.Fernde unterliegen zu müssen. Sie 
ließen also noch in der auf ihren Sieg folgenden 
Nacht alle ihre Weiber und Kinder sich versam 
meln und kündigten ihnen an, daß sie sich vor 
Anbruch des Morgens nach der nächsten Stadt 
begeben sollten. Umsonst flehten sie um die Ver 
günstigung, noch einmal mit ihren Lieben zu 
fechten und mit, ihnen zu Serben; sie mußten 
dem ernsten Gebote iHrer Männer und Väter 
nachgeben, und verließen nach der letzten Umar 
mung derselben mit Thränen und Wehklagen 
ihre Vaterstadt und Alles, was ihnen darin 
theuer war. 
Noch standen die von den Ihrigen verlassenen 
Helden mit gesenkten Häuptern, um sich in den 
letzten Minuten der Nacht zu berathschlagen, 
was sie am folgenden Tage zum Besten der Vater 
stadt zu thun und zu leiden hätten, als man 
jenseits der Saone eine fast unabsehbare Reihe 
von Menschen erblickte, die brennende Pech 
fackeln trugen und zugleich den Schall einer 
lebhaften und frohen Kriegs-Musik hörte. Es 
war der Graf Ranzau mit acht Regimentern 
Infanterie und 800 Reitern, der, um den Bela 
gerten neuen Muth und dem beschimpften Feinde 
noch mehr Schrecken einzuflößen, diese feierliche 
und triumphirendeArt des Anzuges gewählt hatte. 
Nach dem ersten Entzücken eilten die Bürger 
auf den Wall und zündeten Freudenfeuer an. 
Ja, Einige gingen im Taumel ihrer Wonne so 
weit, daß sie einen Ausfall thaten. Dieser, 
von den Feinden gar nicht erwartete Besuch 
setzte Alles bei ihnen in Schrecken und Angst, 
und ehe sie sich besinnen konnten, hatten die 
tapfern Bürger einen Haufen derselben nieder 
gemacht und einige von ihnen gefangen genommen. 
Dieser neue Auftritt brachte dem Feinde die 
Meinung bei, daß die Belagerten eine sehr große 
Verstärkung erhalten haben müßten. Er nutzte 
also den Rest der Nacht, sein Lager abzubrechen, 
und zog in aller Stille davon. Nur erst mit 
Anbruch des Tages erfuhren die Einwohner 
diesen Abzug und verloren sich in Erstaunen, 
als sie von 80,000 Mann keinen Einzigen mehr 
auf dem so furchtbaren Lagerplatze erblickten. 
Sie eilten in die Kirche, um Gott ihr feierliches 
Dankopfer darzubringen, und überließenFch so 
dann dem Genusse der Ruhe und der Erquickung. 
Als man aber erfuhr, daß noch starke Hau- 
fen der Feinde in den nächsten Dörfern lägen 
"nd R a n z a u den Kern seiner Truppen erwählte, 
An Jene zu vertreiben, vergaßen die meisten 
Bürger Ruhe und Schlaf, und erboten sich, 
^ltzuziehen. Ranzau, der den Ruhm allein 
verdienen wollte, gebot ihnen, zurück zu blei 
bn, vnd einige junge Offiziere, die sich schäm 
ten , Ändern'fechten zn sollen., wiesen dl/-- 
jenigeu von ihnen, die mit ihrerBttte anhielten^ 
sogar gewaltsam zurück. Ranzau fand den 
Feind und griff ihn an, wurde aber in die Flucht 
geschlagen und mußte die Stadt suchen. Die 
Bürger wiederholten ihre Bitte, ihnen zu erlau 
ben, mit zu fechten, mit dein bescheidenen Zusatze, 
sich nicht unter die Soldaten zu milchen, son 
dern zufrieden zu seyn, wenn man ihnen den Nach- 
zua überließe. Ranzau.gab es endlich zu, und 
ließ den Kern der Bürgerschaft ein eigenes CorpS 
bilden. Dieses focht >im Felde so muthig, als 
sie Alle bisher hinter den Mauern gethan hatten, 
und trug nicht wenig dazu"bei, den Feind gänz 
lich aus der Gegend zu vertreiben. 
Nach dieser erhaltenen Ruhe schickten die 
ckapfern Bürger eine Deputation an den Prinzen 
von Co n de ab, der die große französische Armee 
kommandirte, um ihm im Namen der Stadt 
für die ihr zugesandte Hülfe feierlichen Dank 
abzustatten und sich seiner ferneren Gunst zu 
empfehlen. Er empfing sie mit der größten 
Freundlichkeit und versprach, dem Könige ihre 
bewundernswürdige Tapferkeit zu melden. Dies 
geschah, und LudwigXIV. bezeugte den Helden 
von St. Jean nicht nur seinen vollen Beifall, 
sondern bewilligte auch ihrem Städtchen die 
immerwährende Freiheit von Krön-Abgaben. 
(Geftllsch. von Gubltz.) 
Der Pfarrer von Villarcajo. 
'(Erinnerung aus meinem KriegSkkben in Spanien.) 
Ich kam mir meinem Detaschement nach 
Villarcajo, um in der dortigen Gegend die Con- 
tributivn an Geld und Lebensmitteln einzutrei 
ben. Stumm und finster stand die Menge, die 
mit verhaltenem Grimm unsern Einmarsch ansah. 
Desto freundlicher empfing mich der Pfarrer, 
ein siebenzigjähriger Greis, von langer majestä 
tischer Gestalt, bei dem ich mein Quartier bekam. 
Nach einigen Worten, die sogleich herzlich wur 
den, da er erfuhr, daß ich ein Deutscher sey, 
trat der Alcalde in's Zimmer, um mit mir das 
Nöthige wegen meines Geschäfts zu verabre 
den.— „Der Senor Coronet ist kein Franzosei" 
sagte der Pfarrer; „er gehört einer Nation 
an, die schon das verloren, um welches wir 
noch kämpfen — die Freiheit! — die nächst 
Gott dem Menschen das Höchste seyn muß. 
Er wird gewiß nur fordern, was ihm aufge 
geben wurde, und nicht vergessen, daß erpreßtes 
Gut Fluch, und keinen Segen bringt." „Sicher 
nicht mehr, als meine Ordre vorschreibt!" fiel 
ich ihm in die Rede, zeigte ihm selbige, und 
in wenigen Minuten war das Geschäft beendigt;
	        
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