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schlosserten Schwadronen heran zu kommen, während
das Fußvolk frei unter ihnen wegzuschreiten vermag.
So gewinnt dieses allmählich immer mehr Vorsprung,
während der Feind zaudert und zaudert, das in muster
hafter Ruhe und Ordnung dahinziehende Bataillon an
solcher Stelle anzugreifen, indem erdarauf rechnet, dieses
später mit mehr Glück thun zu können, da es, um an
einen der Edcr-Uebergänge zu gelangen, ja doch endlich
wieder aus dem Walde heraus kommen müsse.
Mittlerweile aber war dem Herzoge von Broglie
der Vorfall gemeldet worden. Er eilte selbst herbei,
um sich durch eignen Augenschein von der ihm als
beispiellos geschilderten Haltung des Bataillons zu
überzeugen. Und da er es fand, wie ihm gesagt
worden, ward er so von Bewunderung hingerissen,
daß er nicht nur voll Hochherzigkeit den Befehl er
theilte, das Bataillon ruhig seinen Weg ziehen zu
lassen, indem er zu seinem Gefolge gewendet die
Worte sprach: "Ehren und schonen wir diese Braven!«
sondern auch noch, voll ritterlichen Sinnes, einen
Trompeter an den Herzog von Bräunschweig absandte,
demselben — seinen Glückwunsch abzustatten, daß er
so brave Truppen unter seinem Commando habe.
Ich denke, dieses Beispiel dürfte es klar machen,
welche Zauberkraft militärische Zucht und pünktlicher
Gehorsam zu üben und wie solcher selbst unter ganz
verzweifelt erscheinenden Umständen doch noch Rettung
zu bringen vermag. Denn hätte nur einer von den
400 Mann, die das Bataillon etwa zählen mochte,
von Angst bewegt oder ungehorsamer Weise den Fin
ger gekrümnit und sein Gewehr auf die anstürmenden
feindlichen Reiter abgefeuert, so würde dadurch wahr
scheinlich ein unordentliches Plackerfeuer entstanden
sein, welches die Angreifenden schwerlich abgehalten
haben würde, ans das Bataillon einzuhalten. Doch
selbst wenn dieses sich solcher Weise des Angriffs
erwehrt und den Hntewald erreicht hätte, so würde
es da, von allen Seiten umstellt, sich doch endlich
haben gefangen geben müssen, denn der Widerstand
hätte, wenn er auch noch so brav war, kein so außer
ordentlicher sein können, daß der Herzog von Broglie
aus Bewunderung für denselben einen so hochherzigen
Entschluß gefaßt haben möchte.
Bescheidene Ehrlichkeit.
Thu', was Jeder loben müßte.
Wenn dk ganze Welt es wüßte;
Thu' es, daß es Niemand weiß.
Und gedoppelt ist der Preis.
„Es ist die Ehrlichkeit eine gar seltne Pflanze,
und wo sie noch wächst, da kommt sie gar häufig!
aus keinem guten Grund, und ihre Blume hat darum 1
nur Farbe aber keinen Wohlgeruch." : '
So hört man häufig sagen, und meint damit,
es gäbe wenig Ehrliche, und die es seien, die wollten
damit groß thun, oder etwas erlangen. So mag's
im Handel und Wandel oft sein; aber der Handel
ist nun auch einmal kein ganz heller Bach. Willst
Du Ehrlichkeit finden, dann geh' in's Volk hinein,
in's gute, stille Christenvolk, da kommt sie lauter
und rein, ohne Rumor und Gleißnerei aus dem
guten Schatze des Herzens, in dem der Herr Woh
nung hat. Das lehrt uns folgendes Beispiel von
Ehrlichkeit.
Es lebte in Haingründau, einem Dörfchen unweit
Büdingen, seit Jahren ein katholischer Leinweber
geselle, aus dem Auslande gebürtig. Der Leinweber
gehörte zu den stillen, begnügsamen Naturen, denen
es überall wohl ist, wo sie ihr Stück Brod haben
und in ihrem Glauben nicht gestört werden. Viele
Jahre hatte er schon bei einem Meister gearbeitet,
und war im Orte heimisch geworden, also daß ihn
Alt und Jung lieb hatte. Wer in augenblicklicher
Noth war, der ging zu dem Webergesellen, denn er
hatte beständig Geld übrig, weil er sehr sparsam
war; auch half er gerne.
Im Winter 1842 starb der Leinwebergeselle nach
kurzer Krankheit in dem Hanse seines Meisters, und
auf die Anzeige erschien das Gericht, um seine Ver
lassenschaft zu versiegeln. In seiner Stube und
zwischen seinen wenigen Habseligkeiten fand man ein
zelne kleine Summen Geldes. „Das ist nicht Alles,
was der Leinweber an Geld gehabt hat," sagte der
Bürgermeister zu dem Assessor, der das Inventar
aufstellte, „ich weiß, daß der Verstorbene Diesem
und Jenem aus der Noth geholfen hat; wer aber
die Schuldner sind, kann ich nicht sagen. Wenn's
Ihnen recht ist, so lasse ich durch, die Schelle im
Orte bekannt machen, wer dem verstorbenen Lein
weber etwas schuldig sei, der solle sich melden."
Der Herr Assessor, dem in seiner Praxis wohl
schon manche Unehrlichkeit vorgekommen war, sah
den Bürgermeister kopfschüttelnd an und sprach: „Es
kann nicht schaden, aber helfen wird es auch nichts!"
Schweigend ging der Bürgermeister weg, um dem
Ortsdiener den Befehl zu geben, und bald hörte
man durch das Fenster den Ruf: „Wer dem ver
storbenen , Leinweber etwas schuldig ist, der soll sich
sogleich melden; das Landgericht ist da!"
Es waren seitdem keine zehn Minuten vergangen,
so kam eine Frau, und brachte eine kleine Summe