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Laune nach Hause; sie versprachen, nie wieder die
Limmer'sche Kirche zu besuchen.
Nachher machte der König von Schweden und
Landgraf zu Hessen-Cassel, Friedrich der Erste, aus
seinen Hessischen Staaten eine Reise nach Hannover,
und an einem Burger dieser Stadt wollte man eine
große Aehnlichkeit in der Natur und Bildung mit
dem Könige wahrnehmen. Dieser Mann war ein
Perückenmacher, und die Vergleichung, die. man zwi
schen ihm und einem Monarchen anstellte, war für
ihn außerordentlich schmeichelhaft. Er geriet!) auf
den Gedanken, einen Versuch anzustellen, was für
einen Eindruck seine scheinbare majestätische Gegen
wart auf unsern Sackmann, der nun sein Alter
fühlte, machen, und wie er sich dabei benehmen würde,
wenn er ohne Vorbereitung vor einem Könige reden
sollte. In der Absicht kam er mit zweien seiner
Freunde in einer Miethkutsche nach Limmer, trat in
dem Wirthshanse ab und ließ die Leute, wie im
engsten Vertrauen, benachrichtigen, der Schwedenkönig
sey gegenwärtig, um ihren Prediger zu hören, wolle
aber nicht erkannt sehn, und wie sie deswegen die
höchste Verschwiegenheit zu beobachten hätten. Die
Einwohner waren ihrem Seelsorger viel zu getreu,
als daß sie ihm dieses nicht augenblicklich hätten
hinterbringen sollen, und der Opfermann eilte mit
einem Gesichte, auf dem eine Botschaft von äußerster
Wichtigkeit ausgedrückt war, und ganz außer Athem
auf die Pfarre, mit dem Anbringen, der König von
Schweden sey im Dorfe und werde in die Kirche
kommen, „Schaulmester", sagte Sack mann, „syt
„jy denn so einfäldig, dat jy so wat glövet? Syt
„doch keen Kind! de König will uns nich komen.
„Gaat hübsch na der Kerke und lüet (läutet): wy
„wilt in Goddes Namen ball anfangen." Unterdessen
hatten einige Neugierige Gelegenheit gefunden, den
angeblichen König zu sehen, und zum Unglück war
er von dem einen oder dem andern erkannt worden,
welche ihrem Lehrer die wahre Beschaffenheit der
Sache schleunig hinterbrachten.
„Das hebb ek wol dacht", sagte der Alte, „de
„Lüde sind nich klook, dat se solle Pussen malen."
Während des Gottesdienstes hatte der Perücken
wacher in einem stattlichen Kleide und zierlich frisirt,
in der Mitte seiner Begleiter, der Kanzel gerade
gegenüber Platz genommen und machte eine sehr
ernsthafte Grimasse, um das Ansehen der Großen
nachzuahmen, und die Aufmerksamkeit der Bersamm-
lung war unter dem Lehrer und dem Manne aus
der Residenz ziemlich getheilt.
Es war der dritte Sonntag in den Fasten, da
im Evangelium (Lucas 11 v. 14 bis 28) die Gottes
lästerung der Juden und der Name Beelzebub vor
kömmt, welches Wort Sackmann seinen Zuhörern
erklären wollte. Die Erklärung siel sehr faßlich und
für die anwesende hohe Person ungemein eindrücklich
aus. „Beelzebub is een fremd Woord nt der Syri-
„schen Sprake, dat jy wol nich kennen weret. Vor
„etliken Jahren hev ek't ju schon mal seggt, aber jy
„mögt et wol wedder vergüten hebben. Beelzebub
„fall soveel bedüden, as een Fleigenkönnig (Fliegen-
„könig), so nennden de Juden damals den bösend
„Fy.nd.ut Verachtung. Se wußten, dat he en hoffär-
„digen Geist is, de nich Ehre genoog krhgen kann,
„und wollden ohn damit recht kränken, wenn se Beel
zebub to öhm säden. Du wullt doch geerne een
„Gott syn, so magst du denn een Könnig over de
„Fleigen syn, so hest du doch wat to befehlen. Seit
„mal, mine leven Kinner, dat kummt my eben so
„vör, as de Kerel, de da gegen my över, in dem
„blagen Kleede sitt, de denkt ook, ek schall glöven,
„he were de Könnig von Sweben, un et is doch
„mant een Prückenmaaker nt Hannover. Ja du magst
„my wol de rechte Könnig syn, du dumme Beelzebub.
„Bist du darum her komen, dat du my ölen Mann
„tom Narren malen Wulst, so hädst du man können
„to Huus bliven, du donnersche Haarklöver du! Nun
„wollen wir wieder zu unserm Text kommen."
Ehe man aber wieder zum Text kam, so hatte
diese Episode bei dem Titularfliegenkönig eine starke
Sensation hervorgebracht, so daß er wünschte, über
alle Berge zu seyn. Denn die Gesichter aller Zu
hörer waren nun auf ihn geheftet, und aus ihren
Zügen faßte er die Vermuthung, daß sie die Belei
digung fühlten, die ihrem Lehrer war zugefügt worden.
Er fand es also nicht rathsam, so lange zu warten,
bis die versammelte Gemeinde auseinander ging;
sondern hob sich in der äußersten Zerstreuung nebst
seinem Gefolge, so geschwind als möglich zur Kirch-
thür hinaus, mit der Versicherung, daß er dem Sack
mann in seinem Leben nicht wieder kommen wolle.
Endlich finde auch noch eine Anecdote hier Platz,
welche die Weise unsers Sackmann vollends charak-
terisiren mag.
Zu seiner Zeit kam das Tabaksschnupfen auf;
Sackmann aber hielt es für unschicklich, daß dieser
neue Gebrauch in die Kirche eingeschwärzt wurde.
Unter den vielen neugierigen Zuhörern, die von Zeit
zu Zeit nach Limmer kamen, um sich an seinen Vor-,
trägen zu ergötzen, befand sich einst auch ein gewisse