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mal gar umständlich und weitläufig gemacht wurde.
Während er aber noch in den langen Formnlarien
und Titeln herumirrte, siel ihm der Landgraf in die
Rede und sagte: Ja, ja, Meinen freundlichen Gruß
und alles Guts zuvor, und was mehr? Der Abge
sandte, ein versuchter Politicus, merkte wohl, daß
ihm hier zu Land seine künstliche lange Rede mitsammt
allen Titeln und Präambeln nicht viel helfen werde,
also antwortete er behend und kurz: Geld, gnädiger
Herr! Der Landgraf fragte wieviel? »r. Beuterich:
Hunderttausend Gulden. Der Landgraf: Ich will
Euch die Hälfte geben. 0r. Beuterich: Ich thue mich
unterthänig bedanken. Und damit war die ganze
Verhandlung abgemacht.
Jobst Sackmann,
weiland Pastor zu Limmer bei Hannover.
Jobst (oder Jacob) Sackmann stand als
Prediger zu Limmer, nahe bei Hannover, und trat
sein Lehramt bei der dortigen Gemeinde im Jahre
1680 an. Ehrlichkeit und alte deutsche Treue, mit
einer frommen Einfalt der Sitten verbunden, machte
den Hauptzug in der Gemüthsart dieses Mannes
aus, sie leitete alle seine Schritte und erwarb ihm
eine allgemeine Liebe und das ganze Zutrauen seiner
Eingepfarrten. Sie liebten und ehrten ihn als ihren
Vater. Nicht leicht unternahm einer aus ihnen einen
Kauf, einen Proceß, oder eine andere Sache von
Wichtigkeit, ohne vorher die Meinung seines Predigers
darüber eingeholt zu haben; und sehr oft vermittelte
dieser unter ihnen, durch seine vernünftigen Vor
stellungen, eine Zwistigkeit, die vielleicht ftir beide
Theile verdrießliche Folgen gehabt haben würde.
Sein öffentlicher Bortrag war mit allem Bedacht,
nach der Fähigkeit seiner Zuhörer eingerichtet, deut
lich, populär und faßlich; freilich wohl mit dem
Maaße der Aufklärung jener Zeit übereinstimmend.
Zuweilen konnte er auch bei Bestrafung einiger Laster
und Thorheiten einen satyrischcn Einfall nicht ganz
zurückhalten. Dies mochte die Veranlassung geben,
daß im Sommer viele Einwohner aus Hannover
einen Spaziergang nach Limmer machten, um Sack
mann zum Zeitvertreib zu hören. Nicht selten
fuhren auch vornehme Damen zu seiner Predigt,
welche denn gewöhnlich, so gut als jene, ihre Lection
bekamen.
Daß er sich im Predigen sehr oft der Nieder
sächsischen Mundart bediente, bei deren Gebrauch in
unsern Tagen die Würde einer heiligen Rede gar
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sehr verlieren würde, das war gar nichts Unerhörtes ^
und vielmehr dem Geiste jener Zeit vollkommen *
gemäß; denn sogar noch in der letzten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts hörte man hin und wieder
diesen Dialect von den Kanzeln der Landkirchen in :
Niederdeutschland. Sackmann hatte einmal Ge- >
legenheit, sich dieserhalb zu rechtfertigen. Der ver- 1
witweten Herzogin von Hannover hatte man von j
ihm gesagt und sie wünschte ihn in der Schloßkirche j
zu hören. Sackmann reifete, sobald er den Befehl ,
erhalten, ohne Umstände dahin und zeigte, daß er '
seinen Vortrag nach dem Zustande seiner Zuhörer 1
einzurichten verstand. Die Fürstin äußerte, daß sie
das Sonderbare gar nicht fände, was ihr von ihm \
hinterbracht worden. Bei einer Audienz fragte sie
ihn, ob er in seiner Kirche eben so predigte, wie sie
ihn gehört hätte? „O nein! gnädigste Landesmutter"
war seine Antwort, „wie würden mich meine armen
Schaafe verstehen, wenn ich nicht anders predigen
wollte? Mit den Einfältigen muß ich einfältig
reden, woferne ich ihnen nützen will." Sie entließ
ihn hierauf mit der Versicherung ihrer Zufriedenheit,
und mit der Ermahnung, in seiner Amtstreue fort
zufahren. Dabei wird von Sackmann erzählt, daß
als er am Hofe haben predigen sollen und er zu
Fuße dorthin ging, und nicht den gesandten Hof
wagen benutzte, und in Folge dessen gefragt sey,
warum er nicht habe fahren wollen, geantwortet
habe: es stünde nicht geschrieben: „Fahret hin in
alle Welt", sondern: „Gehet in alle Welt und pre
digt das Evangelium aller Creatur."
Die Besuche aus der Stadt zu seinen Predigten
dauerten unterdessen fort und wurden nach diesem
Vorgänge noch zahlreicher. Der gute Sackmann
ging aber seinen geraden Weg vor sich hin, ohne
durch etwas sich irre niachen zu lassen.
Eines Sonntags bemerkte er, daß eine zahlreiche
Gesellschaft auö Hannover zur Kirche kam. Schnell
unterrichtete er seinen Küster davon, ließ denselben
eine außerordentlich lange Predigt lesen, die längsten
Gesänge singen und Gebete vorlesen. Die Kirche
wurde geschloffen, so daß keiner vor Beendigung
dieses langen Gottesdienstes dieselbe verlassen konnte.
Die Hannoveraner wurden durch diese Maßregel
die Angeführten. Statt des gehofften Vergnügens,
sich über den Prediger lustig zu machen und reichen
Stoff zu Scherzen über ihn nach Hause tragen zu
können, brachten sie, als endlich ihre Befreiungsstunde
schlug, als Nachwirkungen des verfehlten Ziels und
der empfundenen Langenweile, Mißbehagen und üble