weniger Pracht und mehr Aufrichtigkeit habe. Deutsche,
die nach Frankreich kamen, waren ihr stets willkom
men, besonders wenn sie „noch auf den alten teutschen
Schlag waren, wie die Leute zu meiner Zeit gewesen
seyn.« «Ich höre als recht gern, wie es
in Deutschland zugeht, bin wie die alten Kutscher,
die noch gern die Peitsche klacken hören, wenn sie
nicht mehr fahren können", äußert sie in ihrer drol
ligen Weise. Natürlich war es ihr die größte Freude,
pfälzische Landsleute in der Fremde begrüßen zu kön
nen. Ein pfälzisches Sprichwort, ein pfälzisches Volks
lied versetzte sie ganz zurück in den Kreis ihrer hei
matlichen Freuden.
' Es läßt sich danach leicht denken, wie das Herz
der Prinzessin litt, als in den Jahren 1689 und 1698
ihre unglückselige Heirat für den König Ludwig den
Vierzehnten den Vorwand hergab, ihre geliebte Heimat
durch den General Melac auf das Greulichste ver
wüsten zu lassen. Noch lange nachher sagte sie: »Ich
kann an die gute Pfalz nicht denken; es macht mich
zu traurig.« Und wenige Jahre vor ihrem Tode:
»Wenn ich Mannheim, Schwetzingen oder Heidelberg
wieder sehen sollte, glaube ich, daß ich es nicht würde
ausstehen können und vor Tränen vergehen müßte;
denn wie alles Unglück dort geschehen, bin ich länger
als sechs Monat gewesen, daß, sobald ich die Augen
zugetan, habe ich die Oerter in Brand gesehen, bin
mit Schrecken aufgefahren und länger als ein Stund
geweint, daß ich geschlozt hab.« Merkwürdiger Weise
wuchs das Heimweh mit den Jahren bei der Prin
zessin. Je älter sie wurde, desto lebendiger wurden
in ihr die Erinnerungen an die liebe Jugendzeit. Da
sah sie ihr altes Heidelberg mit allen Straßen und
Gäßchen, wußte noch in jedem Winkel Bescheid, erin
nerte sich aller Personen noch genau und fragte nach
diesem und jenem, wie z. B. was die kleine Spina
mache, von der sich ihr Herr Vater Selig »als
Märcher erzälen ließ.«
Diese Vorliebe für das Vaterländische erstreckte
sich auf Alles, selbst auf Speise und Trank: Nie
konnte sich die Prinzessin mit den Delikatessen und
Leckereien der französischen Kochkunst befreunden.
»Guter brauner Kohl«, schrieb sie au ihre Stief
schwester die Raugräsin Luise, »Sauerkraut,
Schinken und Knackwurst schmeckten mir viel besser,
und ein guter Krautsalat mit Speck, diese delicaten
Speisen sind mein Sach.« Auch darin blieb sie
kerndeutsch, daß ihr niemals die französischen Weine
munden wollten; bis in ihr spätes Alter trank sie
ihren edlen Bacharacher.
Wie einsam stand diese Frau mit ihrem warmen,
deutschen Herzen mitten in der kalten, übertünchten
Welt des Versailler Hofes! Wie stark war der Ge
l gensatz zwischen ihrer naiven Einfachheit und all dem
verkünstelten Wesen, daö sie umgab! In allen Stücken
eine Erscheinung der alten Zeit, eine Deutsche von
ächtem Schrot und Korn, sah sie das, was sie selbst
erfüllte, strenge Sittlichkeit, Liebe zu den Verwandten,
Heiligkeit in der Ehe, schlichte Einfachheit der Lebens
art, rings um sich in's Gegenteil umgeschlagen. Der
Aufenthalt in dem glatten, falschen Frankreich macht
mich oft, schrieb sie einmal, «grittlich wie eine Wand-
laus». Gleichwol behielt ihr von Natur heiterer
Sinn die Oberhand über allen Verdruß und jegliche
Widerwärtigkeit des Fremdelebens. Das fröliche
Pfalzblut machte sich immer wieder siegreich geltend,
und die Briefe der Prinzessin sind reich an Proben
ihres unverwüstlichen Humors. Sie besaß auch jene
Neigung zu jovialer Selbstverspottung, welche ein
untrügliches Zeichen für den heiteren -Seelenfrieden
derjenigen ist, die den Scherz gegen ihre eigene Per
son zu kehren lieben, wie denn Liselotte unter Ande
rem von dieser ihrer Person wiederholt briefliche
Schilderungen geliefert hat, welche beweisen, daß sie
von Eitelkeit frei war wie Wenige; z. D.: »Ich habe
kleine Augen, kurze dicke Nase, platte lange Lippen,
große, hangende Backen, ein groß Gesicht und bin
gar klein von Person, dick und breit; Summa Sum
marum, ich bin ein gar häßlich Schätzchen«.
So war die Frau, welche die Stammutter der
Königsdynastie Orleans geworden ist. Am 8. Oktober
1722 entschlief sie sanft und ruhig, in getroster Hoff
nung, ihre Lieben, wie sie einst an ihre Schwester ge
schrieben hatte, »im Tale Josaphat wiederzusehen«.
In früheren Tagen hatte sie manchmal geäußert:
»Wir Kinder des sel. Kurfürsten haben uns wenig
vom zeitlichen Glück zu berühmen; Gott gebe, daß
wir das ewige finden mögen.«
Allerlei Ernst und Scherz.
Der Glockcnmaler zu Dortrecht.
Es war einmal ein Maler in der guten Stadt
Dortrecht in Holland, der verstand weiter nichts zu
malen als Wirtshausschilder und auf alle Wirtshaus-
schilder, die er zu malen bekam, wußte er weiter nichts
zu malen, als eine Glocke. Der einzige Unterschied,
den er anbrachte, lag in der Farbe; zur blauen, zur
roten, zur gelben Glocke und so weiter. Und anders
wußten es die unschuldigen Dortrechter nicht seit Men
schengedenken, — bis endlich ein junger, von der Wan
derschaft heimgelehrter Gelbschnabel den seltsamen Ein
fall hatte, statt der beliebten Glocke einen spanischen
Reiter auf sein Wirtshausschild gemalt haben zu
wollen. Unser Maler sträubte sich dagegen und stellte
vor, es würde sich das schlecht machen; es sei wider
die Mode und den guten Ton; die Leute würden
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