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Trübsinn, unsere Armut und unser Reichthum —
das Alles und noch weit Mehr wird bestimmt und
geregelt, erzeugt und vernichtet, vermehrt und ver
mindert durch die guten oder schlechten Launen des
despotischen Herrschers im Lustreich, den wir Wetter
nennen.
Wer wollte sich da wundern, daß die Menschen
von jeher bemüht gewesen sind, die Natur dieses
Herrschers, der bei ihnen eine so große Rolle spielt,
zu ergründen, seine Launen womöglich im Voraus zu
berechnen, und danach ihr Tun und Laßen einzurichten.
Es hat auch von jeher Leute gegeben, besonders unter
den Kalendermachern, welche behaupteten, sie wüßten
um das Wesen und die Tücken und Ruppen besagten
Luftherrschers genauen Bescheid. Am weitesten hatte
es, wenn man seinen Versicherungen glaubte, der
Verfasser des sogenannten hundertjährigen Kalenders
gebracht. Denn dieser kluge Mann gab vor, zu wissen,
nicht nur, wie das Wetter heute und morgen und
übermorgen, sondern wie es das ganze bevorstehende
Jahr und noch neunundneunzig Jahre weiter beschaffen
sein werde. In Wahrheit aber verstand sich dieser
Wetterprophet nur auf den Wind und zwar nicht auf
das Windwehen, sondern auf das Windmachen. Das
aber verstand er gründlich und er hat mit seiner
Windmacherei zahllosen leichtgläubigen Leuten ihr gutes
Geld aus den Taschen geblasen.
Es ist noch gar nicht lange her, daß die gelehrten
Naturforscher den Geheimnissen der Witterung ein
Wenig auf die Spur gekommen sind. Die eigentliche
Wissenschaft vom Wetter ist noch sehr jung. Sie
weiß zwar trotz ihrer Jugend schon gar Vieles und
Merkwürdiges, wovon unsere Großväter noch keine
Ahnung hatten, aber vom Zukünftswetter weiß sie
noch so wenig wie nichts, und wenn man den größten
Wettergelehrten, der gegenwärtig lebt, den Professor
Deve in Berlin, fragt: wird es morgen regnen oder
wird die Sonne scheinen, so antwortet er: das weiß
ich nicht. Wol ist es möglich, daß die Wissenschaft
noch einmal dahin gelangt, daö Wetter auf einige
Tage im Voraus für einen bestimmten Ort zu be
rechnen. In Nordamerika und neuerdings auch in
andern Ländern sind an den Meeresküsten elektrische
Telegraphen errichtet, mittels deren von zahlreichen
Wetterstationen Nachrichten gegeben werden können,
ob ein Sturmwind im Anzug ist. Denn da der
elektrische Telegraph schneller ist als der Wind, so
gewinnt er diesem den Vorsprung ab, und die Schisse
auf dem Meer erhalten oft von fünfzig Meilen weit
Kunde, daß und woher ein Sturm kommt, und treffen
danach ihre Vorkehrungen. Gar mancher Mutter
! Kind ist durch solche wirklich^ zuverlässige Wetter-
! Prophezeiungen vor dem Ertrinken in der salzigen
Meerflnt behütet worden. Wenn einmal Stationen
zur Witterungskunde durch das ganze Festland Europas
vorhanden und diese durch elektrische Telegraphen ver
bunden sind, — eine Einrichtung, die wahrscheinlich
gar nicht wehr lange ans sich warten lassen wird —
so kann man zum Beispiel in Kassel am Sonnabend
Nachrichten von vielen Stationen in Nähe und Ferne
haben, wie es um die Luftströmungen (denn die machen
die Haupt-Ursache alles wetterwendischen Wesens aus)
steht, und dann werden die Wirte auf der Wilhelms
höhe s. w. mit ziemlicher Sicherheit wissen können,
ob sie für den Sonntag viele Spaziergänger erwarten
und tüchtige Einkäufe machen dürfen oder nicht.
Einstweilen aber steht es mit dem Vorauswissen
des Wetters noch schlecht und töricht ist es, auf die
Weissagungen derer, die sich für Wetterpropheten aus
geben, zu vertrauen. Auch die meisten unter den
sogenannten Bauernregeln über die Witterung sind
gänzlich trügerisch und treffen nur dann zu, wenn
es gerade nicht anders kommt. Am sichersten außer
den erwänten des Telegraphen sind bis jetzt noch die
Prophezeiungen, welche manche Tiere, die beständig
im Freien leben und für die Aenderungen im Lust
reich besonders feine Empfindung haben, für das
Wetter auf einige Stunden hinaus liefern. Diese
Prophezeiungen sind seit uralter Zeit bekannt; aber
die Wissenschaft ist erst viel später dahin gelangt,
sie zu erklären. Die Spinnen verkriechen sich vor
einem Regen und bessern ihr Netz nicht aus, die
Schafe springen ungewöhnlich viel, wenn Regenwetter
naht, die Häne krähen, die Pfauen schreien unauf
hörlich. Anzeichen gut werdenden Wetters sind: wenn
die Lerchen hoch fliegen, wenn sich die Bienen weit
von ihrem Stock entfernen u. dergl. mehr. Die
Weisheit dieser Wetterpropheten ist zwar nicht weit
her, oder, richtiger gesagt, sie reicht nicht weit hin,
das heißt in die Zukunft. Dafür wird aber auch
Niemand, der sich auf sie verläßt, betrogen wie von
der hundertjährigen Kalenderweisheit, für deren Wind
macherei heutiges Tages kein vernünftiger Mensch
mehr gibt als sie wert ist, nämlich: Nichts.
Ein wenig Himmelskunde.
Wer hätte nicht schon an einem sternhellen
Abend, wenn der Himmel gleich einem demantbe-
säeten Königsmautel flimmert und strahlt, die Frage
aufgeworfen: Wie groß mag die Zahl dieser goldnen
Zeugen von Gottes wunderbarer Allmacht sein, die