Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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Armeen vor, deren Oberbefehl König Wilhelm hatte. 
An der Spitze der ersten stand unter dem König 
General von Steinmetz, der zweiten Prinz Friedrich 
Carl von Preußen, der dritten der preußische Kron 
prinz. In Coblenz nahm General Herwarth von Bit- 
tenfeld seinen Commandositz; er sollte den Feind von 
der Rheinprovinz abwehren; der Schutz der nord 
deutschen Küsten gegen Angriffe von der See her 
war dem General Vogel von Falkenstein übertragen. 
DaS elfte Armeecorps, zu welchem die meisten Sol 
daten aus Kurhessen gehören, stand bei der dritten 
Armee unter dem Kronprinzen von Preußen mit 
Baiern und Württembergern zusammen. 
Am 2. August griffen über 30,000 Franzosen 
die unbefestigte deutsche Stadt Saarbrücken an und 
wurden von etwa 800 Preußen Stunden lang abge 
wehrt. In Paris machte man aus dem Siege von 
je 31 Franzmännern über einen Deutschen eine glor 
reiche Heldentat und jubelte wie betrunken über die 
selbe. Die Ernüchterung und der Katzenjammer 
ließen nicht lange auf sich warten. (Der kaiserliche 
Prinz Louis sLulus empfing an diesem Tage die 
Feuertaufe, das heißt sein Vater spielte mit ihm eine 
elende Komödie). 
Am 4. Aug. erstritt die dritte Armee unter dem 
Kronprinzen bei Weißenburg und dem dahinter 
liegenden GaiSberg den ersten glänzenden, aber auch 
blutigen Sieg. Die tapfern Kurhessen waren dabei 
und bewärten ihren alten Kriegsruhm. Die Fran 
zosen, deren General Douah den Tod fand, flohen 
in wilder Flucht und ließen ihr Zeltlager, über 
500 unverwundete Gefangene und eine Kanone (die 
erste in diesem Krieg von den Deutschen genommene, 
deren Eroberer damit nebenbei ein schön Stück Geld 
verdient haben) im Stich. Es war der Ansang eines 
furchtbaren Gottesgerichts über französischen Hochmut, 
Lug und Trug. 
Am 6. August besiegte die kronprinzliöbe Armee 
(darunter abermals unsere Kurhessen) bei Wörth den 
bis dahin noch nie besiegten französischen Feldherrn 
Marschall Mac Mahon vollständig. Die Franzosen 
verloren über 10,000 Todte und Verwundete und über 
6000 Gefangene (darunter viele von den gefürchteten 
afrikanischen Bestien, Turcos, Spahis re. genannt), 
über 30 Kanonen, 6 Mitrailleusen (Kugelspritzen), 
2 Adler, das ganze Gepäck und zwei Eisenbahnzüge 
mit Proviant An demselben »nvergeßlicl en Tage 
erstürmten Teile der Isten deutschen Armee in herr 
lichem Todesmut die Höhen von Spichern westlich 
von Saarbrücken, und wurden ans dieser Stadt die 
Franzosen wieder hinausgejagt. Beim Abzug schoßen 
sie dieselbe gegen alles Völkerrecht mit scheußlicher 
Bosheit in Brand. 
Am 8. Aug. forderten von Paris aus die Minister 
das französische Volk zur allgemeinen Erhebung gegen 
die Deutschen auf. Man sagte dem Volke ein Stückchen 
Wahrheit über die erlittenen Niederlagen; im Uebri- 
gen wurde fortgelogen. Inzwischen drangen die 
deutschen Heere unaufhaltsam dem fliehenden fran 
zösischen nach in's Herz von Frankreich ein. 
Am 9. Aug. wies der Kommandeur von Straß 
burg (General Uhrich) die Aufforderung zur Ueber- 
gabe der von den Deutschen umzingelten Festung 
rundweg ab. 
wurde Kaiser Napoleon in der Pariser 
Kammer für unfähig zum Oberbefehl über das Heer 
erklärt, und derselbe dem Marschall Bazaiue über 
tragen. Die französischen Minister, welche den un 
seligen Krieg hatten machen helfen, wurden gleichfalls 
abgesetzt; der berüchtigte Plünderer des Kaiserpalastes 
in Peking, Graf Palikao, trat an die Spitze eines 
neuen Ministeriums. Das sollte nun die „Rettung^ 
des eben noch so hochgemuten Frankreichs fertig bringe». 
Es brachte jedoch gar Nichts fertig, ausgenommen 
sich selber. 
Am 1L Aug. bewilligte die französische Kammer 
zum zweiten Male eine Summe von 130 Millionen 
Talern für den Krieg. 
Am 12. Aug. erschien eine französische Panzer- 
flotte bei der Insel Helgoland. Am folgenden Tage 
erklärte der Kommandant dieser Flotte die deutsche 
Nordwestküste südwärts von Baltrum (westlich von 
Norderney) vom 15. August ab in Blokadezustand, 
das heißt, es sollte von da an kein Schiff unan 
gefochten in den Häfen der Küste ein- oder auskaufen. 
kündigte dis französische Regierung ihre 
(niederträchtige) Absicht an, alle deutschen Unter 
tanen aus Frankreich zu vertreiben, eine unerhörte 
Barbarei, durck welche bald darauf viele Tausende 
fleißiger, wolhabender Deutscher brodlos gemacht und 
in die Verbannung gejagt wurden. Die in Deutsch 
land ansäßi. en Franzose» blieben zwischen uns un- 
gefärdet wohnen. 
Am 14. Aug. besetzte die preußische Kavallerie, 
ohne einen Schwertstreich tun zu müssen, die fran 
zösische Stadt Ranch (Ranzig). 
— — erschienen deutsche Truppen vor der Festung 
Toul und forderten die Nebergabe, welche abge 
wiesen wurde.
	        
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