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Andern Mittags war ich kurz resclvirt. Ich kaufe
mir für zwei Groschen Gelbwurst, für sechs Pfennig
Brot, steck' es zu mir und ged' hinaus vor das Thor,
in das sogenannte Rosenthal. Mein Tisch war schnell
gedeckt. Ich setz' mich auf eine Dank und wickele
meine Sachen heraus, ich zerschneide die Geibwurst
in sechs Theile und lege sie neben mich hin; das
sage ich. ist meine Suppe, das mein Fleisch, das mein
Gemüs mit Beilage, das meine Fische und das mein
Braten und Salat. Ich glaube nicht, daß sie drinnen
in der Stadt bei Frege mehr hatten, und daß es
ihnen besser geschmeckt. Ich war eben an der süßen
Schüssel, sie war sehr gut zubereitet, da seh' ich einen
Mann, auf einem schönen Braunen daherreiteu; der,
denk' ich, macht sich noch ein Bischen Bewegung vor
dem Essen, daß es ihm besser schmeckt. Ich
wünsche ihm meinen gesunden Magen, ich brauchte
kein Pferd müde zu reiten, um tüchtig ein
hauen zu können. Schneller, als ich dies sage
und denke, ist der Reiter bei mir, und — 's ist
der Herr Frege selber! In meiner Augst fällt mir
der letzte B ssen aus der Hand, und der vorauS-
springende Hund schnappt's gleich auf! ich wickle
schnell mein Papier zusammen und weiß mir gar
nicht zu helfen. „Ei! Herr Geller!" sagt der Herr
Frege. was machen S:e da? Glauben Sie, Sie
bekommen bei mir nicht genug zu essen?"
Was soll ich darauf sagen? Ich denk', du bleibst
bei der Wahrheit. Ich sag' ihm nun, daß es sich
bei mir nicht austragen will, gegen zwei Thaler
Trinkgeld für ein einzig Miltazessen zu geben, unv
so und jo, und daß ich mir, vorgenommen habe.
mich heute Abend oder morgen früh zu entschuldigen,
weil ich nicht kommen kann. — Da lackt er ganz
laut auf und sagtr „Ja, das müssen Sie ja thun,
sonst werd' ich bös; ich erwarte Sie um fünf Uhr,
fehlen Sie ja nicht, ich wünsch' gesegnete Mahlzeit."
Und fort war er mit seinem Braunen. Ich weiß
nun gar nicht, was ich machen soll; ich denk' aber
nun, fressen wird er dich nicht, er muß um fünf
Uhr noch genug haben vom Mittag her.
Wie's also fünf geschlagen hat, gch' ich hin, man
weist mich in sein Comptoir, und da kommt er mir
entgegen, nimmt mich bei der Hand und führt mich
in das Kabinetchen und sagt zu mir: „Lieber Herr
Keller, Sie haben für 10000 Thaler Kredit bei mir;
wenn Sie aber daö Doppelte brauchen und auch
noch mehr, sagen Sie mir's nur offen." — Ich
sag': „Sie irren sich, ich habe nur für 1000 Thaler.
Da sagt er zu mir: „Es bleibt dabei, wie ich schon
gesagt habe; Sie sind ein Mann, der zu sparen weiß,
! und heut Abend essen Sie ganz allein bei meiner
! Familie/' Und so hab' ich's auch gemachl, und das
! hat mir noch besonders gefallen, daß er die Geschichte
j seiner F an und seinen Kindern nicht erzählt hat,
bis ich von Leipzig fort gewesen bin. Er hat
wohl gemerkt, daß es mir leid thäte, wenn man
, auch in aller Güte darüber lachen würde. — So
| ist'ö mir durch die Gelbwurst möglich geworden,
eine der grüßten Tuchfabriken anzulegen, und so
lange der alte Frege geiebr hat, hab' ich jede Messe
j bei ihm allein zu Nacht gegessen, und da ist immer
zuletzt noch Gelbwurst aufgetragen worden."
B. Auerbach.
Zur Frage durckgreifmven Schutzes gegen Ungezieftrschäden.
, Die Thatsachen der enormen Schäden, welche die
vielen Milliarden culturschädlichen Ungeziefers dem
Landbau zufügen, sind bekannt. Ebenso bekannt ist,
baß die Ueberzeugung mehr und mehr sich befestigt,
daß das unmittelbare Verfolgen des Ungeziefers, wie
es zudem ein ärgerliches Geschäft ist, für den Zweck
nicht hinreicht. Mehr und mehr verbreitet sich in
dieser Folge die Ueberzeugung, es komme in dieser
8rage daraus au, den gestörten Haushalt der Natur
Möglichst wieder herzustellen, d. h. diejenigen nützlichen
Thiere zu hegen, die von der Natur bestimmt sind,
das cultnrschädliche Ungeziefer zu vertilgen, so gewiß
lie, wenn in hinreichender Anzahl vorhanden, nur
letzterem „sehr bald und sehr viel besser fertig werden,
alle menschliche Kraft und Weisheit jemals im
Stande sein würde." Es sollte dieser Gegenstand
ein ständiger auf der Tagesordnung aller landwirth-
schafrlichen Vereine sein. Reiche Grundlagen und
Hilfsquellen dafür bieten die Schriften des für diese
Aufgabe so unermüdlich thätig gewesenen Ur. Gl oft er,
so namentlich: „ Die nützlichsten Freunde der Land-
und FerstwirthschasL unter den Thüren", „ Kleine
Ermahnung zum Schutze nützlicher Thiere als natur
gemäßer Abwebr von Ungezieferschäden und Mäuse-
fraß", „Die Hegung der Höhlenbrüter". Es sind
diese (sehr billigen) Schriften in vielen Tausenden
von Exemplaren verbreitet, sie sollten aber in weit
größerer Menge verbreitet und namentlich in der
Hand jedes Laudwirths sein. Es mögen hier einige
Stellen aus der genannten „Kleinen Ermähnn,,g"folgen:
„Ehedem, und bei der geringen damaligen Menschen
zahl, war es Jahrhunderte lang die gewerbliche
Vogelstellerei, die auch bei uns jeden Herbst unzählige
nützliche Vögel umbrachte und so immer mehr den