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geeignete Anpflanzungen auf solchen Stellen, welche
roch für die Kultur nicht benutzbar oder ungeeignet
lind, wie z.B. steile Abhänge, sumpfige Niederungen x.
zu entschädigen. Kann es da wundern, daß die Vögel
solche Fluren, auf denen ihnen die Zufluchtsörter
genommen wurden, für immer verlassen? Oder darf
man darüber klagen, wenn verschiedene Insektenarten
als Hauptfeinde unserer Kulturpflanzen auf solchen
Strecken in auffallender Weise überhand nehmen, und
Käfer, Raupen und Blattwespenlarvcn die Rübsaat,
die Kohlarten, die Blüthen der Fruchtbäume, die
Rosen- und Stachelbeersträucher rc. zerstören?
Wenn ferner um die bewohnten Orte herum'
Planken an die Stelle lebendiger Hecken treten, und
modernes Gitterwerk die dichten Umzäunungen und
alten Mauern verdrängt, so werden auch hier viele
Vögel verscheucht und nehmen an anderen geeigneten
Orten ihren Aufenthalt. Finden sie nun zunächst
in den Bosquets der Gärten oder in Ristwäldchen
ein Unterkommen, so begegnen sie dort gewöhnlich
einem anderen Hauptfeinde, den Hauskatzen.
Die Verheerungen, welche diese listigen und ge
wandten Räuber unter den Vögeln anrichten, sind
unglaublich. Hat erst einmal die Katze Geschmack
an dem Herumstreifen in den Gärten und Feldern
gefunden, dann ist ihr die Hausarbeit, das Mausen,
Nebensache; ihr Hauptgeschäft, in welchem sie bald
eine große Fertigkeit erlangt, ist dann der Vogelfang
und die Zerstörung der Vogelnester. Cie lauert
nicht allein auf der Erde, unter Büschen und Blatt
werk versteckt, auf ihre Beute, sondern sie klettert
auch auf die Bäume, frißt die Brut aus den in die
Zweige gebauten offenen Nestern und versteht es auch
vortrefflich, mit der rechten oder linken Vorderpfote,
je nachdem eS die Stellung erheischt, in die hohlen
pöcher der Stämme zu langen und die kleinen Vögel
einzeln hervorzuziehen. In Gebäuden, die von ver
schiedenen Familien bewohnt werden, findet man oft
zwei, drei und mehr Katzen; da aber eine gute
Katze genügt, um das Haus von Mäusen zu säubern,
so wäre es sehr wünschenswcrth, alle übrigen in
demselben abzuschaffen und auch jede Katze, die im
Freien herumstreift und auf Vögel Jagd inacht,
ohne Weiteres tobten zu lassen.*)
*) Es sei hier bemerkt, daß erstens Katzen mit abge
stutzten Obren nicht in dar Feld gehen solle», weil
sie dann Thau und Regen scheuen und daß Ivettens,
künstliche Nistkästen an Häusern und Bäumen angc-
bracht, wenn sie dem Geschmack der verschiedenen
Vogelarten zusagen, von denselben gern bewohnt werven,
wodurch dem Umfug der Katzen bedeutend gesteuert wird.
Ferner ist das Fangen der Singvögel, namentlich
! der Insektenfresser, bei Strafe verboten. Wie viele
! Leute gibt es aber, die sich an solche Verbote nicht
im Geringsten kehren, sondern sich des Vergnügens
! oder des Nutzens halber systematisch auf den Vogel
fang legen und von Morgens früh, wenn der Tag
graut, bis zum Abend herumlungern, um ihre Käfige
zu füllen. Kaum hat sich im Frühjahr ein Roth-
kehlchcn, eine Nachtigall, eine Singdrossel rc. in
einem Garten oder einem Bosquet niedergelassen
und der neuen Heiinath flötend oder schmetternd den
ersten Gruß gespendet, so hat auch schon das geübte
Ohr des Herumstreichers die bekannten Töne ver
nommen, und in kurzer Zeit, selbst an den belebtesten
Plätzen, ist der Vogel in seinem Besitz. In dieser
Beziehung gibt es für die Aufsichtsbehörde noch
viel zu thun, »in solche Personen zur Rechenschaft
zu ziehen und ihnen ihr sauberes Geschäft zu
verlegen.
Aber auch das sangen der Vögel in Dohnen
stiegen, sowie der Lerchenfang im Kleinen und Große»
sollten nicht mehr geduldet werden. Bei dem Dohnen-
strich werden zugleich andere Drosseln, z. B. Amseln,
Singdrosseln u. s. w. zu Tausenden den Vogelsteller»
zur Beute, und der Lerchenfang raubt uns jährlich
eine halbe Million lieblicher Sänger und zugleich
für die Kultur durch Vertilgung von Kerbthieren und
Sämereien des Unkrautes nützliche Vögel.
Rechnet man zuletzt noch das Zerstören vieler
Vogelnester durch Knaben, um Eiersainmlungen
anzulegen, hierher, und sieht man »och zur Stunde
das Blasrohr in der Hand böser Buben, — so liegt
es ja klar ain Tage, daß wenn allem diesein Umfug
nicht mit der größten Energie gesteuert wird, die
Zahl unserer lieblichen Sänger mit jedem Jahre
geringer, und die Menge der schädlichen Insekten
immer größer werden muß.
Herr Universitäts-Forstmeister Wiese, sagt in
dem ersten Hefte des Journals für Ornithologie
1867: „Der Schutz der für Feld und Wald nütz
lichen Thiere liegt bei uns noch in den Windeln;
das Meiste ruht noch in den Büchern u»d
wartet auf Verwirklichung. Lächerlich sind mir
immer die Bestrebungen vorgekoinmen, die Italiener
zu bekehren, so lange wir vor unseren Thüren noch
zu fegen haben."
Dr. Schwaab.