Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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Es soll einfach von Konstruktion, dabei aber dauerhaft 
sein, soll einen möglichst kleinen Kraftaufwand sowohl 
von Seiten des Zugviehes wie des damit arbeitenden 
Mannes beanspruchen und darf nicht zu viel kosten. 
Gehe nicht darauf aus, nur eine große 
Ackerzahl zu erwerben. Wer die Erträge sei 
nes Besitzthums verdoppelt, verdreifacht, der ist unser 
Mann! Wer nur strebt, die Zahl seiner Aecker zu 
vermehren, der geht gar oft in den Erträgen, die 
er dem Boden abgewinnt, zurück. Jener erhebt 
vermöge der verständigen und weisen Anwendung 
seiner Mittel den Werth seines Kapitals auf eine 
viel höhere Stufe. Er findet mehr in der 
Tiefe, als der Andere in der Ausdehnung 
Wer die Wege düngt, ist ein Verschwender! 
Vater Schwerz*) kehrte einst bei regnerischem 
Wetter in einem Dorfe ein. Da sah er zu seinem 
großen Kummer, wie die Jauche aus den Ställen 
und den Miststätten die Straßen hinunter lief. Als 
er nun gefragt wurde, wie ihm der Ort gefalle, 
erwiderte er: "herzlich schlecht; ich habe in meinem 
Leben keine fetteren Wege und keine magerern Aecker 
gesehen, wie an diesem Orte." 
Wie oft wird dem Kalendermann auf dessen 
Kreuz- und Querzügen durch's liebe Vaterland diese 
treffende Antwort in's Gedächtniß gerufen! Wie oft 
hat er Gelegenheit sich davon zu überzeugen, daß 
die meisten Belehrungen in den Wind hinein gesprochen 
werden. Cs ist traurig, aber wahr: richtig an 
gelegte Düngerstätten gehören in zahlreichen Dörfern 
bis zu dieser Stunde noch immer zu den Seltenheiten. 
Die besten und wirksamsten Bestandtheile des 
Mistes laufen in der Jauche die Dcrfgassen hinab, 
Gestank und Unreinlichkeit verbreitend, und doch gehört 
gute Mistjauche zu den am schnellste» und kräftigsten 
wirkenden Düngstoffen. 
Sollte man nicht glauben, die Leute hätten Ueber- 
sluß an Dünger? Und doch lamentiren sie fortwährend 
über den Mangel desselben. Der Kalendermann 
plauderte einmal mit einem Bauer vor dessen Gehöfte. 
Der Alte saug auch wieder das bekannte Lied vom 
Düngermangel, und was eS im nächsten Jahre nur 
geben solle bei der geringen Futtererndte! Aus dem 
Hofe heraus rieselte aber lustig ei» Bächlein schwarzer 
Jauche dem benachbarten Mühlgraben zu. 
*) Einer der berühmtesten Landwirthe dieses Jahrhunderts, 
t 1844. 
»Ihr müßt Euch eine richtige Düngerstätte anlegen.« 
»O, erwiderte der Alte, an der fehlt es nicht.« 
Sie wurde in Augenschein genommen. Ein Haufen 
schlechten Mistes lag unregelmäßig zusammengewürfelt 
an der unpassendsten Stelle des Hofes auf fast platter 
Erde, gerade unter der Traufe eines hohen Daches. 
Ein tüchtiger Regen nur, und die beste Kraft des 
Mistes mußte unter'm Hofthor fortgehen. Der 
Kalendermann machte den Alten auf die Mängel 
seiner s. g. Düngerstätte aufmerksam, wie sie aus der 
Nähe der Traufe verlegt, mit einer das Wasser abhal 
tenden Rinne umgeben, wie sie muldenförmig vertieft 
und mit einem Jauchenloche versehen werden müsse. 
»Da haben Sie ganz recht,» meinte er, sich die 
Zipfelmütze auf's linke Ohr schiebend, »aber die 
Kosten!» 
»Alter, die Kosten sind dir im ersten Jahre 
ersetzt; denn du verlierst bei deiner jammervollen 
Anlage jährlich die Hälfte deines Düngers. Wenn 
du einen Haufen feuchten Streuzeugs mit Salz durch- 
streust und gießest noch Waßer daraus, daß dieses 
abfließt, was geht da mit fort?« 
»Ja, das Salz löst sich iin Wasser und fließt 
mit diesem ab!» 
»Na, alter Freund, ähnlich geht's mit deinem 
Düngerhaufen auch; die Kraftstoffe, das, was va 
düngt, löst sich im Waßer und in der Feuchtigkeit, 
die in deinen Misthaufen dringen, auf und fließen 
mit ab. Muß man nun nicht diese mit der besten 
Kraft des Mistes geschwängerte Flüssigkeit auffange» 
und festhalten?« 
Der Alte gab dem Kalendermann zwar Recht, 
es wird aber trotzdem wohl heute, gerade noch so, 
wie dainals, das Jauchenbächlein zum Hof hinaus 
rieseln und den Mühlgraben braun färben; er selbst 
aber wird im Hofthor stehen, sich hinter den Ohren 
kratzen und über Düngermangel klagen. 
Die Leute sind wie mit Blindheit geschlagen» 
Sollte man sie unter solchen Umständen nicht z» 
ihrem Besten zwingen dürfen? 
1) Jeder Viehbesitzer sollte eine mindestens 
2 Fuß tiefe Düngergrube und in Verbindung mit 
dieser ein entsprechend tiefes, wohl zu bedeckendes 
Jauchcnloch Herstellen. 
2) Die in dem Jauchebehälter sich ansammelnde 
Jauche sollte, so oft sich derselbe angefüllt hat, in 
Fässern auf Aecker, Wiese» oder in die Gärten ge 
schafft werden. 
3) Die Ortsvorslände sollten auf Kosten der 
Gemeinde einige Jauchenfässer anschaffen und gegen
	        
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