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heraus sich auf gut Hochdeutsch bei Namen rufen
hörte: Guten Tag, alter Freund, wie geht's und
wie steht's? Denn es waren zwar meistens, aber j
| nicht lauter Strolche und Lumpen, die sich den Ver-
folgern in falschem Gewände anschlossen, sondern
auch Männer, welche der Franzosenhaß antrieb, sich
, solchergestalt zu vermummen. Einen Kosackeu nach
zumachen, wenn man nichts Besseres zu thun hatte,
war dazumal kein großes Kunststück. Wer eine
Lanze, eins jener struppigen Pferde und einen der
grauen Kittel, welche die bärtigen Männer trugen,
sich verschafft hatte, brauchte nur, was eben nicht
schwer hält, sich des Deutschsprechens zu enthalten
und statt dessen die paar kosackischen Hauptworte:
Wodki, Dobri, ein bischen unverständliches Fluchen
auf „udschi" und „wudschi" und dergleichen mehr, sich
einzustudieren, so war der nachgemachte Kosack
fertig, zumal die nöthige Nngewaschenheit und Un-
gekämmtheit sich schon durch kurze Enthaltung von
Seife und Kamm ohne Mühe bewerkstelligen ließ.
Zwei solcher nachgemachten Kosackeu, ihres
Zeichens Galgenvögel der schlimmsten Sorte, ritten
an einem der Tage, an welchem die geschlagene
Armee des »Welteroberers" sich die Berkaer Straße
entlang wälzte, in den Pfarrhof des kurhessischen
Dorfes H., banden ihre Pferde an die Staketen
wand, traten ohne Umstände in die Wohnstube des
Pfarrers und gaben demselben durch unzweideutige
Geberden zu verstehen, daß sie nähere Bekanntschaft
mit seiner Kasse zu machen wünschten. Der Pastor,
sich ins Unabänderliche fügend, will auch sogleich
den Schreibpult ausschließen, um die ungebetenen
Gäste durch Einhändigung etlicher Thaler los zu
werden; da giebt ihm die Pfarrerin, welche in ihrem
Nähtisch kleine Münze hat, ein abwehrendes
Zeichen, holt ein Häuflein Groschen und Dreier
herbei und legt es den Strolchen auf den Tisch.
Nix da, brummt der eine von ihnen, groß Geld,
uit klein Geld, und bei diesen Worten streicht er die
Münzen mit der Hand von der Tischplatte weg, daß
sie weit in der Stube umherrollen. Der Hausherr,
erwägend, daß gegen die Leidenschaft für Großgeld
bei dieser Sorte von Baterlandsbefreiern augenblick-
iich kein Mittel zu brauchen ist, tritt nun gelassenen
Muthes an den Pult. Da, wie er eben den
Schlüssel dreht, sieht das raubvogelscharfe Auge
bes einen Dcutschkosacken eine goldene Uhrkette an
der Weste des Pastors baumeln. Wie der Blitz ist
er neben ihm, faßt nach der Kette, die aber reißt
bei dem Griff entzwei, und der Pfarrer eilt nun,
Hülfe gegen die Biedermänner zu holen, zur Thüre
hinaus. Die Pfarrfrau aber, die nur den Griff
des Diebes nach der Brust ihres Mannes und dann
dessen Davoneile» gesehen hat, meinend, der Nichts-
würdige habe ihrem lieben Eheherrn einen Stich
versetzt, fühlt den Zorn der gereizten Löwin in sich
entbrennen. Mit geballter Faust stürzt sie auf die
Kosackeu los, läßt Schlag auf Schlag bald dem
einen bald dem andern auf's Genick fallen, hagel
gleich, dicht und fest, keinen daneben. Und die
rauhen Krieger? Unter des zornmüthigen Weibes
Fäusten, keinen Widerstand versuchend, raffen sie,
von fortwährenden Hieben und Püffen getroffen, die
zerstreuten Münzen von der Erde auf und erst, als
sie das «klein Geld» bis auf Heller und Pfennig
zusammen haben, suchen sie das Weite. Diese Ge
schichte (der Kalenderschreiber hat sie von einem Enkelsohn
der tapfern Frau, einem zuverlässigen Mann) ist wahr
und wahrhaftig geschehen im Dorfe H. im October des
unvergeßlichen Jahres achtzehnhundert und dreizehn.
In der vorstehenden Erzählung ist Alles ächt
und ungefälscht, außer die Kosackeu. Die nun fol
gende handelt dagegen von ächten Kosackeu, geht
jedoch im Uebrigen vielleicht ein wenig an der Wahr
heit vorbei. Wenigstens will sie der Erzähler nicht
verbürgen, sondern nur weitergeben, was ihm
(diesmal aus keinem unbedingt zuverlässigen Munde)
überliefert worden ist.
Im Jahre der Leipziger Schlacht, abermals im
Herbste, stand einmal der Apotheker eines deutsche»
Landstädtchenö (es kann ein kurhessisches gewesen
sein) in seiner Apotheke und mischte seine 99procen-
tigen Tränke und Salben. Da begab es sich — am
selbigen Tage war eine Abtheilung Russen auf dem
Durchmarsch in's Städtchen gekommen — daß zwei
Kosackeu in die Offizin traten und aus dem Urwald
des Bartes, welcher ihr Gesicht beschattete, das
unserem Neunundneunziger bereits wohlbekannte Wort
„Wodki" ertönen ließen. Im Apothekerlatein lautet
dasselbe Ding aqua vilae; zu Deutsch heißt es kurz
weg Schnaps. Der Apotheker, ein etwas ängstlicher
Mann, der glaubte, der Besuch der Bartmänner
gelte andern Absichten, als derjenigen, in welcher
man „in sich geht und denkt, wo man einen gute»
schenkt", beeilte sich, das Begehren seiner Gäste zu
erfüllen, ergreift eine Flasche und gießt ihnen daraus
zwei stattliche Kelchgläser voll; die Kvsacken leeren
sie auf Einen Zug, schütteln sich zwar ein wenig
dabei, etwa, wie wenn sie sagen wollten »brrr, was
man nickst gewohnt ist!« schmunzeln dami aber sehr