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Ziegenhains verlangte. Aber der Commandant der Festung,
Heinz von Lüder (s. oben), behauptete dieselbe mit festem,
unerschrockenem Muthe. „Der freie Landgraf hat mir diese
Feste übergeben, und dem freien Landgrafen werde ich sie
auch nur wieder überantworten!^ so sprach er, und Ziegen
hain blieb unversehrt. Und als der Landgraf, wie erzählt
tvird, wieder in sein Land zurückkehrte, kam der kaiserliche
Befehl, den Widerspenstigen unter dem Thore der Festung
an einer Kette aufzuhängen. Philipp gehorchte, legte dem
tapferen Kriegsmanne eine g old e ne.Kette unter den Armen
her, ließ ihn in die Höhe beben, daß er ein wenig über der
Erde schwebte und machte ihm dann die Kette als ein Zeichen
| seiner Hochachtung und Anerkennung für die ihm gehaltene
Treue zum Geschenk.
Landgraf Philipp regierte nach der Rückkehr aus seiner
Gefangenschaft noch 15 Jahre zur Wohlfahrt seines Landes,
zum Segen für sein Volk und zu einer größeren Stärkung
und Befestigung des evangelischen Glaubens. In seinem
Haushalt und seiner Hofhaltung waltete die höchste Einfach
heit und Sparsamkeit. Wie alle Ausgaben und Einkäufe
ein Kammermeister mit einem Secretarius und einem Schreiber
besorgte, so hatte er zu seiner Bedienung nur einen Kammer
knecht und drei „adlige Buben", und das Amt eines Stall
meisters besorgte ein Sattelknecht aus dem alten Geschlecht
ber Diede vom Fürstenstein. Er scheute sich nicht, seinen
Beamten für die festlichen Tage vorzuschreiben, wie viel sie
an Forellen, Hasen und wilden Vögeln zur landgräflichen
Ache liefern sollten; dabei pflegte er selbst vorzulegen und
sah es gern, wenn die Gäste tapfer zulangten. Für ein
Hauptgericht galt bei ihm schon ein Huhn, das in seiner
Brühe mit etlichen Weckschnitten zubereitet war, und als er
einst einen Pfälzgrafen bewirthen wollte, bemühte er sich,
einen wälschen Hahn zu bekommen.
Mit Treue und väterlichem Ernste wachte der Landgraf
über die Erziehung seiner Kinder; er stellte jeden seiner Söhne
Unter die Aufsicht eines eigenen Hofmeisters und war gar
Manchmal in ihren Unterrichtsstunden zugegen, besonders
Menn die alten Geschichtschreiber erklärt wurden. In der
Kleidung und überhaupt im Aeußeren verschmähte er Pracht
Und Aufwand, und wie er selbst stets schlicht und einfach
Meidet einherging, und ein Feind aller neuen Moden und
^errathen war, so blieb er auch dem ausländischen Luxus,
ben hohen Federn zum Schmuck der Pferde, den seidenen
Und sammtnen Kleidern für die Frauen und Edelknaben des
Hofes fremd und gestattete den jüngeren Prinzen nur Röcke
Und Beinkleider von schwarzem flämischen Leder mit Sammt
verbrämt. Als er einst seinenJüngstgedornen, Georg, aus
* er Schule zur Fuchsjagd rufen ließ, und dieser in' seiner
Herzensfreude mit neuen, engen, glatten Stiefeln und einem
mnen, hohen Filzhütchen beransprang, schnitt ihm der Vater
me Stiefel selbst von den Füßen ab und sandte ihn mit einem
-paar seiner eigenen großen Stiefeln und einem breiten,
putzen Hute angethan zu seinem Lehrmeister mit der Weisung
Zurück, ihn so den ganzen Winter kleiden zu lassen. Und als
Ml Philipp ein andermal zu sich zum Essen forderte, und
^eorg in seinen aufgeschlitzten Beinkleidern allerlei Zierrathen
^ug und solches, wiewohl vergeblich, vor dem Auge des
Paters zu verbergen suchte, forderte dieser von seinem Kam
merdiener eine Scheere, schnitt ringsherum die Zipfel der
^'geschlitzten Beinkleider ab und ließ sie nebst dem jungen
w. Tn stn den Lehrer mit einem Verweise zurückgehen. Mehr
als für die leibliche und geistige Ausbildung seiner Kinder
9ar Philipp für das Heil ihrer Seele bedacht, und mit einer
m
Innigkeit und Wärme, wie nur ein Vater es kann, ermahnte
er sie in seinem letzten Willen zu treuem Festhalten m dem
Glauben an Jesum Christum, zu einem keuschen und gottes-
fürchtigen Wandel, zu einem milden, gerechten und unpar
teiischen Regiment, zu Ordnungsliebe, Fleiß, Sparsamkeit
und Sorge für ihr Land. — Von der mit dem Evangelium
gewonnenen bessern Erkenntniß sollte keiner einen ehrbaren
und frommen Lebenswandel trennen. Daher war er uner
bittlich streng gegen jede grobe Verletzung der Zucht, duldete
keine Entweihung des Sonntags und der Sacramente, keine
Schmausereien und Gastereien bei Kindtaufen und ähnlichen
Gelegenheiten und bestrafte unnachsichtlich alle die, welche
durch Raub und Plünderung die Sicherheit der Straßen ge
fährdeten. Sein Ausspruch, daß ein Fürst an seiner Münze,
Sicherheit der Straßen und Haltung seiner Zusagen erkannt
wird, fand auf ihn die vollste Anwendung.
Nachdem Philipp der Großmüthige alles für sein Land
geordnet und sein Haus bestellt hatte, ging er ruhig und
heiter seiner letzten Stunde entgegen, obwohl er von schwerem
körperlichen Leid, das Fußgicht,' Steinbeschwerden und ein
offenes Bein ihm bereiteten, gar mannigfach geplagt und
heimgesucht ward. Am Donnerstag vor Ostern empfing er
mit den Seinigen in dem Schlöffe zu Cassel wohlvorbereitet
das hl. Abendmahl, vertheilte Tags darauf seine Kleinodien,
Kleider und Waffen unter seine Söhne und Freunde, und
entschlief am Ostermontag, den 31. März 1: 67, indem der
Dechant des St. Martinsstisteö, seine Söhne und vornehmsten
Räthe ihn umstanden, sanft und schmerzlos mit den Worten:
„Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!" zum
ewigen Frieden. Er hatte 49 Jahre als ein rechter Fürst
über das Hesse,stand regiert, und darum verkündigten vier
akademische Redner der Welt den Tod eines Helden, von
dem einst Zwingli sagte, im Himmel und auf Erden werde
man von ihm rühmen, daß er der einzige Fürst gewesen
sei — ähnlich jenem Ackermann, der die Hand an den Pflug
legte und nicht zurücksah.
Mit vielen Ehren wurden seine Gebeine in der St. Mar
tinskirche beigesetzt, wo er zuerst für sich und seine Familie
ein Erbbegräbniß gegründet hatte Sein Erstgeborner aber,
Landgraf Wilhelm, errichtete über seinem geharnischten
Standbild ein bis unter das Gewölbe des Domes empor
steigendes Denkmal von Marmor. — Eine tiefe und große
Trauer ging durch das ganze Land, als der Herr ibm sein
letztes Stündlein gesetzt hatte.
Im Land ein großer Riß geschah,
Ein' treuen Vater hat's verloren,
Wie man seithero hat erfahren.
Der arme Mann fühlt es mit Noth
Und klagt des frommen Fürsten Tod.
Mit Nägeln sollt' ausgraben gern,
Wcnn's möglich wär', den alten Herrn;
so empfanden und schilderten die Zeitgenossen den Verlust
des treuen und geliebten Fürsten. Mit ihm wurde das letzte
Rüstzeug abgerufen aus der großen Zeit, die Gott der Herr
heraufgeführt hatte, seine Kirche zu reinigen und zu läutern.
Wir aber' wollen uns bei der Wiederkehr seines Todes
tages des vielen Guten, das er gethan hat, dankbar erinnern
und das Andenken des edlen Fürsten ehren, durch welchen
das Licht des reinen Evangeliums den hessischen Landen ge
gebeir ward. n.
Auflösung des Räthsels iin vorjährigen Kalender.,
Gras — Sarg.
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