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ersten Landtag zu Homberg die in zwei Parteien getheilte
Ritterschaft ihm eine Liste von vierzehn Personen übergab,
um sich aus diesen diejenigen zu erwählen, welche die Gebrechen
des Landes untersuchen sollten, erklärte er mit festem Wort, er
lasse sich in dieser Sache nichts vorschreiben und würde selbst
mit allem Fleiß nach dem Rechten sehen. — Zugleich aber
batte er mit dem unruhigen Ritter Franz von Sickingen. der
im Rheinlande angesessen war, feste Burgen besaß und als
Kämmerer und Hauptmann im Dienste des Kaisers stand,
nicht ungefährliche, zu seinem Nachtheil ausschlagende Händel.
Und als Sickingen mit einem abermaligen Angriff drohte,
und einer der hessischen Beamten ihm den aufstrebenden Geist
des jungen Landgrafen schilderte, da antwortete er ibm mit
Lachen: „Einen Knaben versöhnt man mit einem Apfel."
Aber der mächtige Ritter sollte die Aussöhnung mit dem
gering geschätzten Feinde theuer bezahlen. Der Landgraf
einigte sich mit noch andern Reichsfürsten zrrr^Demüthigung
des stolzen Gegners, und bald stand er als Sieger an dem
Sterbelager des in seiner gebrochenen Burg bis auf den Tod
verwundeten Mannes.
Im Jahre 1521 hielt der neu gewählte deutsche Kaiser
Kar! V. den berühmten Reichstag zu Worms, allwo
Luthers Sache verhandelt und entschieden werden sollte. Da
hin zog auch Landgraf Philipp an der Spitze von 600 Rei
sigen, und indem "ihn viele erfahrene und ergraute Helden
begleiteten. Einer aus der damaligen Zeit läßt sich überden
Einzug des Landgrafen also vernehmen: „Oftmals bat mein
Vater seliger erzählt, wie er mit seiner Fürstlichen Gnaden,
dem Landgrafen Philipp, auf dem ersten großen Reichstag
gewesen, den Kaiser Karol V. zu Worms gehalten, und wie
er vor einem Kramladen gestanden, als die Fürsten nach
einander, nämlich 6 Kurfürsten, 30 Erzbischöfe und Bischöfe,
24 Herzoge und 8 Markgrafen und auch der Landgraf zu
Rathe geritten. Da hat die Krämerin zu ihrem Hauswirth
gesagt: „Was meinst du, das diesen Fürsten ziert und herr
lich macht?" Der Mann sprach: „Er ist ein feiner junger
Fürst und von Person von hohem Stamm geboren, dazu
reich an Land und Leuten." „Wahr ist das," spricht das
Weib, „aber das ist sein bester Schmuck, daß er so viele
graue Bärte, das ist so viele feine, alte, wohlerfahrene
Männer um sich hat." In Worms lernte Philipp den großen
Reformator kennen und versagte es sich nicht, ihn in seiner
Herberge zu besuchen. Und wie Luther so vor Kaiser und
Reich stand und so voll Gottvertrauen und getrosten Muthes
seine i^ache führte, da wendete der Landgraf sein Herz der
neuen Lehre zu, und nachdem er sich durch empfangene Be
lehrung wie durch eigene Forschung in der heiligen Schrift
von der Wahrheit des wieder frei gewordenen Evangeliums
überzeugt hatte, blieb er dem protestantischen Glauben bis
an sein Ende mit aller Liebe zugethan und ward sein treuester
Anhänger, sein tapferster Vertheidiger. Das hessische Land
aber ward fortan das starke Bollwerk der Reformation, und
wenn es galt, Gefahr und Verderben von der evangelischen
Lehre abzuwenden, da haben die hessischen Fürsten wie das
hessische Volk in Kraft und Treue zu ihr gestanden.
Die Bauern im Reiche seufzten damals unter hartem
Druck und lästigem Frohndienst. Schwer lag auf ihnen die
Hand der geistlichen und weltlichen Herren. Vergeblich hatten
sie schon zu wiederholten Malen versucht, das schwere Joch
sich leichter zu machen. Jetzt rief die durch die deutschen
Gaue tönende Predigt Luthers von der Freiheit in Sachen
des Glaubens, von der mit Unrecht durch die Kirche geübten
Bevormundung der Herzen, von dem freien Zutritt zu der
Gnade ohne eine dazwischentretende Geistlichkeit bei ihnett
mit neuer Kraft das Verlangen nach Eigenthum und persön-
licher Freiheit wach. In Hellen Haufen traten sie in Schwaben,
Franken und Thüringen zusammen, um durch die Masse ihren
Forderungen Nachdruck zu geben und allenfalls mit den Waffen
in der Hand sich das zu erzwingen, was man ihren Bitten
versagen würde. Und als man sie zurückwies und nicht
willigen wollte in das von ihnen begehrte Recht, sich christ
liche Lehrer zu setzen, in die Abschaffung der Leibeigenschaft,
in die Gewährung eines Antheils an Jagd, Vogel- und
Fischfang, in der Minderung der Abgaben/und Pachtgelder
und Abstellung willkürlicher Strafen u. s. w., schlug das
schon lange verhaltene Feuer zu wilden, wüsten Flammen auf,
und Aufruhr, Mord und Plünderung tobte durch das Reich.
Von Thüringen aus wälzte sich die Bewegung in die Grenzen
des hessischen Landes. Schon waren die Ltädte Hersfeld und
Fulda in der Gewalt der Bauern, und von da sollten auch
noch andere, wie Rotenburg, Melsungen, Cassel, Ziegenhain
und Homberg in der Treue gegen ihren rechtmäßigen Lan
desherrn wankend gemacht werden. Da berief Philipp einen
Landtag nach Alsfeld und stellte den Versammelten in eiw
dringlicher Rede vor, wie er bisher in treuer Fürsorge Land
und Leute regiert habe und so auch fernerhin ohne Gewalt
und Willkür mit Recht und Gerechtigkeit regieren wolle, und
wie er sich jetzt mit Zuversicht zu ihnen versehe, daß sie ihnl
auch in Treue und Gehorsam anhangen würden, da ja ge-
rade diese unruhigen und gefahrvollen Zeiten es erheischten,
daß Fürst und Volk einig und fest zusammenhielten. Und als
er diejenigen, welche ihm gegen die Aufrührerischen und Ab
trünnigen beistehen und zu Willen sein wollten, aufforderte,
dies durch Aufrichtung zweier Finger zu erkennen zu geben,
da entstand ein groß Getümmel unter der versammelten Menge;
alle Hände reckten sich in die Höhe, und von allen weiten
ries man ihm unter lauter Versicherung der Treue und Er
gebenheit stürmischen Beifall zu. Den Landgrafen rührte diese
Anhänglichkeit bis zu Thränen, und mit feierlichem Won
gelobte er auch seinerseits Leib, Gut und Leben als crn
wahrer Landesvater für sie einzusetzen. In kurzer Zeit waren
die von den Bauern besetzten Orte wieder in den Händen
des Landgrafen, und seine Heereshaufen halfen den andern
Fürsten das täglich wachsende Bauernheer bei Frankenhausen
in Thüringen mit Gewalt der Waffen überwinden und zerstreuen.
Bald nach Unterdrückung des Bauernaufstandes entschloß
sich Philipp, getrieben durch die Wahrbeit des Evangeliums,
fein Land der neuen Lehre aufzutbun. Im Herbst des Jahres
1526 berief er deshalb eine Synode nach Homberg, wo dn
nöthigen Punkte einer Kirchenverbesserung frei besprochen unv
in vertragsmäßiger Übereinkunft festgestellt werden sollten;
denn keiner sollte zum Glauben gezwungen, Niemandes
Gewissen gebunden werden; vielmehr konnte jeder aus eigener,
freier Entschließung für die Wahrheit sich entscheiden unv
indem man zu der Reinheit der alten Kirche zurückkehrte,
verwarf man die Verehrung und die zahlreichen Festtage
der Heiligen, die Bilder und Reliquien, die Meßopfer un
Seelenmessen, die Ohrenbeichlc, den Ablaß, die PEn
sionen, den Prunk der Priestergewänder, die Mönchsgelübdc-
die Ehelosigkeit der Geistlichen, die Ausdehnung der Faste
und die Herrschaft und Gewalt des Papstes. Das het"g
Abendmahl ward wieder unter beiderlei Gestalt (mit
und Wein) ausgetheilt; die lateinischen Gesänge wichen de
deutschen Kirchenlied und an die Stelle der gewöbunw
Messen traten Abschnitte aus der heiligen Schrift und eva
gelische Predigt.