Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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1 jä. M. 
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ersten Landtag zu Homberg die in zwei Parteien getheilte 
Ritterschaft ihm eine Liste von vierzehn Personen übergab, 
um sich aus diesen diejenigen zu erwählen, welche die Gebrechen 
des Landes untersuchen sollten, erklärte er mit festem Wort, er 
lasse sich in dieser Sache nichts vorschreiben und würde selbst 
mit allem Fleiß nach dem Rechten sehen. — Zugleich aber 
batte er mit dem unruhigen Ritter Franz von Sickingen. der 
im Rheinlande angesessen war, feste Burgen besaß und als 
Kämmerer und Hauptmann im Dienste des Kaisers stand, 
nicht ungefährliche, zu seinem Nachtheil ausschlagende Händel. 
Und als Sickingen mit einem abermaligen Angriff drohte, 
und einer der hessischen Beamten ihm den aufstrebenden Geist 
des jungen Landgrafen schilderte, da antwortete er ibm mit 
Lachen: „Einen Knaben versöhnt man mit einem Apfel." 
Aber der mächtige Ritter sollte die Aussöhnung mit dem 
gering geschätzten Feinde theuer bezahlen. Der Landgraf 
einigte sich mit noch andern Reichsfürsten zrrr^Demüthigung 
des stolzen Gegners, und bald stand er als Sieger an dem 
Sterbelager des in seiner gebrochenen Burg bis auf den Tod 
verwundeten Mannes. 
Im Jahre 1521 hielt der neu gewählte deutsche Kaiser 
Kar! V. den berühmten Reichstag zu Worms, allwo 
Luthers Sache verhandelt und entschieden werden sollte. Da 
hin zog auch Landgraf Philipp an der Spitze von 600 Rei 
sigen, und indem "ihn viele erfahrene und ergraute Helden 
begleiteten. Einer aus der damaligen Zeit läßt sich überden 
Einzug des Landgrafen also vernehmen: „Oftmals bat mein 
Vater seliger erzählt, wie er mit seiner Fürstlichen Gnaden, 
dem Landgrafen Philipp, auf dem ersten großen Reichstag 
gewesen, den Kaiser Karol V. zu Worms gehalten, und wie 
er vor einem Kramladen gestanden, als die Fürsten nach 
einander, nämlich 6 Kurfürsten, 30 Erzbischöfe und Bischöfe, 
24 Herzoge und 8 Markgrafen und auch der Landgraf zu 
Rathe geritten. Da hat die Krämerin zu ihrem Hauswirth 
gesagt: „Was meinst du, das diesen Fürsten ziert und herr 
lich macht?" Der Mann sprach: „Er ist ein feiner junger 
Fürst und von Person von hohem Stamm geboren, dazu 
reich an Land und Leuten." „Wahr ist das," spricht das 
Weib, „aber das ist sein bester Schmuck, daß er so viele 
graue Bärte, das ist so viele feine, alte, wohlerfahrene 
Männer um sich hat." In Worms lernte Philipp den großen 
Reformator kennen und versagte es sich nicht, ihn in seiner 
Herberge zu besuchen. Und wie Luther so vor Kaiser und 
Reich stand und so voll Gottvertrauen und getrosten Muthes 
seine i^ache führte, da wendete der Landgraf sein Herz der 
neuen Lehre zu, und nachdem er sich durch empfangene Be 
lehrung wie durch eigene Forschung in der heiligen Schrift 
von der Wahrheit des wieder frei gewordenen Evangeliums 
überzeugt hatte, blieb er dem protestantischen Glauben bis 
an sein Ende mit aller Liebe zugethan und ward sein treuester 
Anhänger, sein tapferster Vertheidiger. Das hessische Land 
aber ward fortan das starke Bollwerk der Reformation, und 
wenn es galt, Gefahr und Verderben von der evangelischen 
Lehre abzuwenden, da haben die hessischen Fürsten wie das 
hessische Volk in Kraft und Treue zu ihr gestanden. 
Die Bauern im Reiche seufzten damals unter hartem 
Druck und lästigem Frohndienst. Schwer lag auf ihnen die 
Hand der geistlichen und weltlichen Herren. Vergeblich hatten 
sie schon zu wiederholten Malen versucht, das schwere Joch 
sich leichter zu machen. Jetzt rief die durch die deutschen 
Gaue tönende Predigt Luthers von der Freiheit in Sachen 
des Glaubens, von der mit Unrecht durch die Kirche geübten 
Bevormundung der Herzen, von dem freien Zutritt zu der 
Gnade ohne eine dazwischentretende Geistlichkeit bei ihnett 
mit neuer Kraft das Verlangen nach Eigenthum und persön- 
licher Freiheit wach. In Hellen Haufen traten sie in Schwaben, 
Franken und Thüringen zusammen, um durch die Masse ihren 
Forderungen Nachdruck zu geben und allenfalls mit den Waffen 
in der Hand sich das zu erzwingen, was man ihren Bitten 
versagen würde. Und als man sie zurückwies und nicht 
willigen wollte in das von ihnen begehrte Recht, sich christ 
liche Lehrer zu setzen, in die Abschaffung der Leibeigenschaft, 
in die Gewährung eines Antheils an Jagd, Vogel- und 
Fischfang, in der Minderung der Abgaben/und Pachtgelder 
und Abstellung willkürlicher Strafen u. s. w., schlug das 
schon lange verhaltene Feuer zu wilden, wüsten Flammen auf, 
und Aufruhr, Mord und Plünderung tobte durch das Reich. 
Von Thüringen aus wälzte sich die Bewegung in die Grenzen 
des hessischen Landes. Schon waren die Ltädte Hersfeld und 
Fulda in der Gewalt der Bauern, und von da sollten auch 
noch andere, wie Rotenburg, Melsungen, Cassel, Ziegenhain 
und Homberg in der Treue gegen ihren rechtmäßigen Lan 
desherrn wankend gemacht werden. Da berief Philipp einen 
Landtag nach Alsfeld und stellte den Versammelten in eiw 
dringlicher Rede vor, wie er bisher in treuer Fürsorge Land 
und Leute regiert habe und so auch fernerhin ohne Gewalt 
und Willkür mit Recht und Gerechtigkeit regieren wolle, und 
wie er sich jetzt mit Zuversicht zu ihnen versehe, daß sie ihnl 
auch in Treue und Gehorsam anhangen würden, da ja ge- 
rade diese unruhigen und gefahrvollen Zeiten es erheischten, 
daß Fürst und Volk einig und fest zusammenhielten. Und als 
er diejenigen, welche ihm gegen die Aufrührerischen und Ab 
trünnigen beistehen und zu Willen sein wollten, aufforderte, 
dies durch Aufrichtung zweier Finger zu erkennen zu geben, 
da entstand ein groß Getümmel unter der versammelten Menge; 
alle Hände reckten sich in die Höhe, und von allen weiten 
ries man ihm unter lauter Versicherung der Treue und Er 
gebenheit stürmischen Beifall zu. Den Landgrafen rührte diese 
Anhänglichkeit bis zu Thränen, und mit feierlichem Won 
gelobte er auch seinerseits Leib, Gut und Leben als crn 
wahrer Landesvater für sie einzusetzen. In kurzer Zeit waren 
die von den Bauern besetzten Orte wieder in den Händen 
des Landgrafen, und seine Heereshaufen halfen den andern 
Fürsten das täglich wachsende Bauernheer bei Frankenhausen 
in Thüringen mit Gewalt der Waffen überwinden und zerstreuen. 
Bald nach Unterdrückung des Bauernaufstandes entschloß 
sich Philipp, getrieben durch die Wahrbeit des Evangeliums, 
fein Land der neuen Lehre aufzutbun. Im Herbst des Jahres 
1526 berief er deshalb eine Synode nach Homberg, wo dn 
nöthigen Punkte einer Kirchenverbesserung frei besprochen unv 
in vertragsmäßiger Übereinkunft festgestellt werden sollten; 
denn keiner sollte zum Glauben gezwungen, Niemandes 
Gewissen gebunden werden; vielmehr konnte jeder aus eigener, 
freier Entschließung für die Wahrheit sich entscheiden unv 
indem man zu der Reinheit der alten Kirche zurückkehrte, 
verwarf man die Verehrung und die zahlreichen Festtage 
der Heiligen, die Bilder und Reliquien, die Meßopfer un 
Seelenmessen, die Ohrenbeichlc, den Ablaß, die PEn 
sionen, den Prunk der Priestergewänder, die Mönchsgelübdc- 
die Ehelosigkeit der Geistlichen, die Ausdehnung der Faste 
und die Herrschaft und Gewalt des Papstes. Das het"g 
Abendmahl ward wieder unter beiderlei Gestalt (mit 
und Wein) ausgetheilt; die lateinischen Gesänge wichen de 
deutschen Kirchenlied und an die Stelle der gewöbunw 
Messen traten Abschnitte aus der heiligen Schrift und eva 
gelische Predigt.
	        
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