Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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Der Hauptmann machte große Augen und begierig, 
zu erfahren, wem anders als seinem eigenen Muthe 
allein er die Errettung schulde, hieß er den Ham 
burger reden. 
Ich war, so berichtete der, an jenem Tage, da 
Ihr Euch, ohne mir ein Wort zu sagen, in die 
Gaunerherberge der alten Kupplerin locken ließet, von 
nnem Freunde zum Vesperbrod eingeladen und zwar 
auf meine Leibspeise, eine Aalsuppe. Meine Frau, 
ber ich, Eurem Befehl gemäß, nichts von unserer 
Verabredung wegen Eurer Leute gesagt hatte, nahm 
der Uebcrbringerin Euer Schreiben ab und gab ihr 
>u gutem Glauben den Champagner mit. Inzwischen, 
tote ich bei meinem Gevatter den ersten Löffel Suppe 
dom Teller schöpfe, seh' ich, daß an dem Löffel ein 
langes Frauenhaar hängt. Die Andern in der Ge- 
lellschaft hatten nichts gemerkt. Mir aber — denn 
f* ist eine Eigenheit von mir, gnädiger Herr, daß 
ich so etwas nicht vertragen kann, indeni ich znm 
^kel geneigt bin wie wenige Menschen — mir ward 
iibel bei dem Anblick, daß ich aufstehen und das 
Ämmer verlassen mußte. Da ich doch nicht hätte 
toeiter essen können, schlich ich mich nach Hause. Welch' 
sinen Schrecken aber jagte mir da meine Frau ein, 
iabem sie mir Euren Zettel zeigte! Denn ich kannte 
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die alte Hexe und wußte, wessen Ihr Euch bei der 
zu versehen hattet. Darum rief ich alsbald Eure 
Leute zusammen und schickte sie Euch zur Hülfe. 
Dem Hauptmann wurde es bei diesem Berichte 
wunderlich zn Muthe. Noch einmal durchlebte er die 
Schrecken jenes Tages in rascher Erinnerung. Daß 
sein Leben damals in buchstäblichem Sinne an einem 
Haare gehangen, erfüllte ihn mit einem Gefühle ehr 
fürchtigen Grausens. Es übermannte den starken 
Mann, der in jener furchtbaren Stunde nicht gezittert, 
nicht mit den Augen vor dem Tode gezuckt hatte, 
nun zu hören, daß er bei allem seinem kühnen Muthe, 
bei all' seiner entschlossenen List dem Tode unrettbar 
verfallen gewesen wäre, wenn nicht durch wunderbare 
Fügung ein Haar durch Unachtsamkeit einer Köchin 
in eine Aalsuppe gerathen wäre. Es überkam den 
hochgemuthen Mann ein demüthiges Verzagen bei 
dent Gedanken, daß er bis dahin in stolzein Sinne 
seine Rettung lediglich ans seine eigene Kraft und 
Stärke und nicht zugleich auf die wunderbare Macht 
gegründet hatte, die der Menschen Geschicke ordnet 
und leitet, und fast wehmüthig sprach er, von deut 
Wirthe Abschied nehmend, zu diesem die Worte: Ich 
wollte, Ihr hättet mir das nicht gesagt. 
6. 2s. 
][. 
Wie alt neue Erfindungen sind. 
Wie jeder einzelne Mensch sich gar zu gern be 
wundert sieht, so ist es auch mit der ganzen Menschheit 
^ Fall. — Gar zu gern hört das Menschengeschlecht 
leine Weisheit rühmen, seine Einsicht preisen und die 
Vorzüge anstaunen, die den Menschen hoch über die 
^>dern Wesen der Erde erheben. 
Macht man inmitten eines solchen Lobes den 
Einwand, daß all' dies gar herrlich, aber eigentlich 
s°ch nicht ein eigen Verdienst des Menschengeschlechts, 
sondern ein Gnadengeschenk sei, das ihm von unseres 
Herrgotts Hand schon im Mutterleibe als Befähi 
gung geworden, so flüchtet der sich selbst bewundernde 
Mensch gar zu gern in das Gebiet seiner reichen 
Erfindungen, um darzuthun, wie Tausende von 
Geschlechtern vor uns gelebt, welche mit gleichen Be 
rgungen dem Mntterschoß entsprungen, gar tief 
suter uns gestanden haben, und wie es also ein 
Weites Verdienst der Entwickelung der Menschheit 
>E>n muß, der wir unsere schönen Einrichtungen, unsere 
"uturbeherrschenden Erfindungen, unsere weltbezwin- 
genden Maschinen verdanken. 
Haben wir aber wirklich Ursache, hierauf so stolz 
zu sein? 
Nun das eben wollen wir einmal hier in Betracht 
ziehen und zu diesem Zweck wollen wir den Blick 
auf den Menschen und auf seine Erfindungen richten. 
Was hat der Mensch nicht im Lauf der Zeit 
erfunden, wovon die Menschengeschlechter vor ihm 
nicht die geringste Ahnung hatten! Wir brauchen 
gar nicht weit zu suchen, wenn wir uns von Bewun 
derung wollen fortreißen laßen. Ueberall in unserer 
Umgebung ist der Naturzustand bereits verschwunden, 
und alles, was wir um uns erblicken, ist ein Werk 
menschlicher Kunst, menschlicher Erfindungsgabe; ja, 
es ist bereits so weit, daß wir in eine ferne Wildniß 
fliehen müßen, wenn wir die Natur so sehen wollen, 
wie sie war, ehe sie der Mensch umgestaltete. 
Wie anders aber sieht cs um unsere großen Erfin 
dungen auö, wenn wir uns die Dinge von einer andern 
Seite betrachten! Und zu diesem Zwecke stellen wir 
folgende Frage auf: Waö erfindet der Mensch, und 
was brachte er schon vor Jahrtausenden mit zur Welt?
	        
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