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Wie ein Menschenleben einmal wirklich an
einem Haare hing.
Friedrich der Zweite, König von Preußen, oder
schlechtweg gesagt, der alte Fritz, hatte zu den vielen
und lange» Kriegen, die er führte, mehr Soldaten
nöthig, als in seinen eigenen Landen aufzutreiben
waren. Deßhalb ließ er, wie denn das im vorigen
Jahrhundert überhaupt ein schlimmer Regentenbrauch
war, in den Nachbarstaaten durch sogenannte Werbe-
Officiere junge kräftige Bursche anlocken und mit List
oder Gewalt der preußischen Armee zuführen. Die
Aufgabe eines solchen Werbe-Ofsiciers war schwierig
und sogar gefährlich. Denn nicht nur, daß die ein
gefangenen Opfer sich oft auf's tapferste und bis zum
Aeußersten entschlossen ihrer Haut wehrten, sondern
es hatten auch die ausländischen Regierungen das
Werben in ihren Gebieten (obschon, sie in fremden
es selbst eifrig treiben ließen) streng verboten und
mit schwerer Strafe bedroht.
Unter den von dem großen Preußenkönig zu dem
abenteuerlichen Gewerbe verwendeten Ofsicieren war
ein besonders geschickter und verwegener, ein Haupt
mann F. Gegen den Schluß der siebziger Jahre
wurde dieser commandirt, sich nach Hamburg zu be
geben und dort in's Geheim das Werbegeschäft zu
betreiben. Zur Begleitung erhielt er zwölf Unter-
officiere, hie aber in Civilkleidern gingen, wie auch
der Hauptmann selbst seinen bunten Rock mit einem
einfarbigen vertauscht hatte, um dem Magistrat und
der Polizei in Hamburg, welche das Werben im
Gebiete der Stydt wiederholt untersagt hatten, keinen
Verdacht zu erwecken. Der Hauptmann nahm mit
seinen Begleitern in einem kleinen Gasthause Quartier,
und der Wirth desselben war der einzige Mensch in
Hamburg, dem er unter dem Siegel unverbrüchlicher
Verschwiegenheit anvertraute, weßwegen er nach der
Elbstadt gekommen sei. Dabei verabredete der Ofsi-
cicr mit dem Wirth, so oft er in Gegenwart fremder
Menschen von seinen Leuten, den Unterofficieren, zu
sprechen habe, wolle er sie als --Champagnerflaschen"
bezeichnen und überhaupt, um, Verdacht zu vermeiden,
so thun, als sei hon solchen die Rede. Der Wirth
begriff den Vorschlag vollkommen, und es war um so
weniger Gefahr, daß er die Ausdrucksweise seines
Gastes jemals mißverstehen könne, als dieser, gleich
dem Schwedenkönig Carl dem Zwölften und gleich
dem General Tilly, miemqls Wein zu trinken pflegte.
Einige Wochen hindurch wollte dem Hauptmann
keine Beute in's Garn laufen. Schon fing er an
mißmuthig au feinem alten Jägerglück zu verzweifeln,
als ihn eines Tages, da er müßig durch die Straßen
schlenderte, ein altes Weib anhielt, das er schon von
einem früheren Werbe - Aufenthalt in Hamburg her
kannte, als --recht wie auserlesen zum Kuppler- und
Zigennerwesen--, das ihm auch bereits einmal ehedem
ein paar kräftige Burschen in die Hand gespielt hatte.
Gnädiger Herr, sagte die Alte, wenn es Euch
jetzt auf ein hübsch Stück Geld nicht ankommt, weiß
ich Euch wieder ein paar frische Jungend, die just
reif sind für die Muskete.
Dem Hauptmann leuchteten die Augen auf bei
dieser Nachricht. Denn die Menschenjagd kann ebenso
eine Leidenschaft werden für den, der sie treibt, wie
die Hirsch- und Wildschweinsjagd. Er verhieß der
alten Hexe eine reichliche Belohnung, wenn sie ihm
zu einem Fang verhülfe, und verabredete mit ihr, daß
er am Nachmittag desselben Tages die beiden junge»
Männer im Hause der Alten (es war eine elende
Kneipe in einem Gäßchen des verrufensten Stadt
viertels von Hamburg) treffen solle.
Als der Hauptmann, nachdem er sich wie ein
etwas zerlumpter Handwerksgeselle angezogen hatte,
zur bestimmten Stunde am bestimmten Orte eintraf,
fand er die zwei Leute schon vor. Der eine trug
einen Jägerrock, wie die Bedienten vornehmer Herr
schaften sie manchmal anhaben; der andere war als
Matrose gekleidet. Jung und kräftig beide, stachen
sie dem Ofsicier verlockend in die Augen, aus denen
die verstohlene Lüsternheit, einen rechten Capitalfang
zu machen, blinzelte. Er nahm an dem Tisch, wo
die beiden saßen, Platz, ließ sich von der Wirthin
ein Glas Grog vorsetzen und unversehens hatte er
mit den zweien ein Gespräch angeknüpft, wie es aus
gar mancher Wirthshausbank in dieser Welt geführt
wird und in dem unzufriedenen Sinn der meisten
Menschen reichlichen Stoff hat, das alte Gespräch
nämlich davon> wie die Zeiten schlecht sind, die Ar
beit sauer und der Verdienst gering.
Ja, wahr muß es sein, sagte der Hauptmann,
als die Unterhaltung so eine Weile herüber und hin
über gegangen war, es ist ein Hundeleben heutzutage
für unser einen und es wird auch nicht besser, r
lange die Reichen das Geld haben und die Armen
keins. Will man mal in einer Woche zwei Tage
blau machen, jagt einen der Meister — mir ist's mehr
wie einmal passirt — fort. Dabei wird alsfort vom
vielen Saufen geredet; vom großen Durst spricht
keiner. Ich bin'S lange müd', auf dem Schusterschemel
zu sitzen und dafür zu arbeiten, daß andere Leute