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der Kirchenältesten des einen Filialdorfes von H.
Der Mann, als er merkte, auf wen der Spott zielte,
ward in seinem Herzen zornig, daß man ihm seinen
lieben Pfarrer und Seelsorger in solcher Weise ange
griffen hatte. Er berief eine Versammlung der ehren-
werthesten Bauern seiner Gemeinde und hielt Rath
mit ihnen, was geschehen könnte, den Spötter zu
züchtigen. Da wurden sie einig, daß auf eine solche
Anrede eine Antwort gehöre, und zwar eine Hessische
Bauern-Antwort. Also wurde der Schriftgelehrteste
der Versammlung beauftragt, mit Beihülfe des Herrn
Schulmeisters die Antwort abzufassen, und nicht lange
danach stand in derselben Zeitung, welche den Schmäh
artikel gebracht hatte, zu lesen:
Antwortschreiben an den Verfasser des Aus
satzes: »Der Pfarrer und sein Pferd».
Wir endesunterschriebene Bauern von P. wissen
gar wohl und schon lange, wem das Pferd gehört,
auf weichern unser Pfarrer allen Sonntag vorr H.
herüber zu uns geritten kommt. Weil wir aber unsern
Pfarrer als einen frommen und getreuen Seelsorger
lieb haben und ehren, ist er uns jederzeit willkommen,
mag er geritten kommen, wie er will. Ja, es sollte
ihni an unserer Ehrerbietung keinen Abbruch thun,
wenn er sich auch von einem Esel zu uns tragen
ließe-, welches Thier ja unser Herr und Heiland selbst
zu besteigen einstmals nicht verschmäht hat. Nur das
würden wir uns verbitten und niüßten in allem
Respect dagegen protestieren, wenn sich unser Pfarrer
zu seinen Filialritten desjenigen Esels bedienen wollte,
welcher den Aufsatz: »Der Bauer und sein Pferd«
in diesen Blättern hat ausgehen lassen.
Die Bauern in P. bei H.
So oft der Kalenderschreiber die Straße entlang
wandert, die zwischen Cassel und Fulda läuft, und so
oft er das Kirchlein links vom Wege auf dem Berge
anschaut, "das dem Dorf angehört, darin jene Hessische
Bauern - Antwort ersonnen ist, wirft er ihm einen
freundlichen Gruß mit Blicken zu, und fast wolle»
ihm dabei die Augen ein wenig übergehen. Denn der
Pfarrer, der in diesem Kirchlein das Evangelium ver-
kündigthat und auf dem Pferd des WasenmeisterS von
H. den Bergweg viel hundertmal herauf und hernieder
geritten ist, der war ihm gar wohl bekannt, und der
Kalendermann darf von ihm, der nun lange zu seiner
Ruhe eingegangen ist, die Worte sagen, die der edle
Matthias Claudius seinem Vater nachgesungen hat:
Sie haben r" : :r
Etnen guten Mann begraben,
llnd inst war er mehr! c. *.
Ein Held ohne Ruhm.
Als der Kalenderleser zu seiner Zeit in der Schule
erfuhr, durch welche hochherzige Handlung Arnold
Struth von Winkelried am 9. Juli 1386 in
der Schlacht bei Sempach seinem Schweizervolk de»
Sieg über Herzog Leopold von Oesterreich ver
schafft hat, ist ihm vielleicht der Gedanke durch den
Kopf gefahren: heutzutage kommen solche Thaten
nicht mehr vor. Denn das Herz der Menschen, aller
irdischen Behausungen wunderlichste, herbergt neben
anderen närrischen Stammgästen auch die Neigung,
das was in seiner Nähe Gutes, Großes oder Schönes
geschieht, zu übersehen oder gering zu achten , dagegen
aber die Dinge und Begebenheiten in räumlicher oder
zeitlicher Ferne zu bewundern und eher über Gebühr
zu schätzen. Das ist einer von den Gründen, warum
das Lied von der „guten alten Zeit" gesungen worden
ist und gesungen werden wird, so lange Menschen
auf Erden wohnen. Die Erinnerung ist eine Schön
färberin von Profession und bemalt das Vergangene
gar zu gern mit lichten hellen Farben, daß es von
Weitem aussieht wie eitel Glanz und Herrlichkeit.
Der Gegenwart aber sehen wir scharf und dicht in's
Gesicht, und da ist denn immer Unliebliches in Menge
zu gewahren. Jedoch die Gerechtigkeit, die zu den
allerköstlichsten Tugenden gehört, danach ein Mensch
trachten soll, fordert, daß man neben den häßlichen
Zügen der Zeit, in der man lebt, auch die schönen
und edlen in's Auge faßt, und deren hat Gottlob eine
jede Zeit aufzuweisen.
.Einen solchen schönen und edlen Zug aus unserer
Zeit will der Erzähler hier aufzeichnen. Eine That,
so groß und herrlich, daß die Heldengeschichte aller
Völker keme größere und herrlichere kennt. Und
doch eine That, von per ^ nur Wenige wissen, und der
Held, der sie vollbracht hat, ein „Held ohne Ruhm"
Die Begebenheit mit Arnold Struth von Winkel
ried hat sich vor nun fast einem halben Jahrtausend
in weiter Ferne von uns ereignet, und doch wird sie
unsere» Kindern in der Schule noch heute unter
Preis und Lob erzählt. Das Ereigniß dagegen, von
dem hier Kunde gegeben werden soll, ist vor einem
halben Jahrzehnt in unserem deutschen Vaterland
geschehen, und heute gedenkt desselben fast Niemand
mehr. Ja auch zur Zeit, Pa sich die Begebenheit
zugetragen, haben ihrer kaum einige dürftige Zeile»
in der einen oder andere» Zeitung Erwähnung gethan-
Und so sehrist der Held meiner Geschichte ein Hck°
ohne Ruhm, daß ich Euch nicht einmal seinen Name»