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Unterhaltendes und Belehrendes.
Eine Hessische Bauern-Antwort.
doctor Jonas hing einmal dem Doctor Luther
einen schönen Ast voll Kirschen über den Tisch und
lobte dabei den herrlichen Segen Gottes an solchen
Früchten. Da sprach Doctor Martinus: Warum
bedenkt Ihr das nicht vielmehr an Euren Kindern
als Eures Leibes Früchten, welche trefflichere und
schönere, auch herrlichere Kreaturen Gottes sind, denn
aller Bäume Früchte. Und ein ander Mal sagte
kr: Kinder sind die lieblichsten Früchte und Bande
bor Ehe, die binden und erhalten das Band der
Liebe. Es ist die beste Wolle am Schaf.
Besagte beste Wolle sprießt kaum irgendwo in
so regelmäßiger Fülle, und jene lieblichsten Früchte
der Ehe wachsen fast nirgends so reichlich wie in
deütschevangelischen Pfarrhäusern, in die, wie Ihr
>^ißt, Doctor Luther den Ehebaum erst wieder
eingepflanzt hat. Es ist, als ob die Fruchtbarkeit
geistlicher Ehestände recht sichtbar erweisen sollte,
baß Kinder ein besonderer Segen Gottes sind; je
»lehr, desto besser.
Bor nun dreißig bis vierzig Jahren hatte solcher
Segen auch in einem Pfarrhaus der alten Hessen-
stadt H. reichliche Einkehr gehalten. Die heilige
Siebenzahl in Gestalt eines Häufleins gesunder und
solglich schier niemals recht satt zu machender Jungen
b>ar dort kaum zwölf Jahre nach des Pfarrers Hoch-
Kit voll geworden. Das irdische Amtsbrod aber,
bas der Pfarrer für das geistliche Lebensbrod, welches
^ seinen Kirchkindern spendete, empfing, war kärglich
bemessen und mußte sorgsam und genau eingetheilt
werden, wenn es das Jahr hindurch für neun Münder
l>nd mehr ausreichen sollte. An seine eigene Person
wnnte der Hausherr nur wenig wenden, wiewohl er
besonderer Leibespflege mehr als mancher Andere
bedurfte; denn er war kränklich, und vor Allem fiel
>hm das weite Gehen schwer, weil er eine schwache
^rust hatte. Da er nun außer in der Stadt all-
lonntäglich in zwei stundenweit abgelegenen Dörfern
iu predigen hatte, kam es ihm überaus erwünscht,
ein Bewohner der Stadt H. ihm zur Benutzung
den beschwerlichen Filialwegen für sehr geringe
Vergütung sein Pferd anbot.
. Es war das beste und flinkste Pferd in H.;
ledoch hatte es Einen Fehler. Der bestand darin,
baß der Mann, dem es gehörte, Niemand- anders
I.
war als — der Waseumeister der Stadt. Das
Geschäft, welches dieser Mensch trieb, ist ein gar
nützliches, ganz unentbehrliches und, wenn es nur in
Ehren betrieben wird, auch ein völlig ehrbares Ge
schäft. Gleichwohl galt es (ob es noch heute dafür
gilt, weiß der Erzähler nicht) in deutschen Landen
seit uralten Zeiten für ein »anrüchiges-- Gewerbe,
und die sich damit befaßten, waren bei den meisten
Leuten nicht wohl angesehen. Darum gehörte die
herzliche Liebe, welche der Pfarrer zu H. in seinen
städtischen und ländlichen Gemeindeangehörigcn sich
erweckt und groß gezogen hatte, dazu, daß diese
seine Benutzung des muntern, wohlgenährten Abdeckers-
rößleinS nicht als etwas Unziemliches ansahen, be
redeten oder gar verspotteten. Vielmehr ließen sie
den getreuen und vielgeplagten Mann, der tu seinem
schlichten Sinne nicht einmal daran gedacht hatte,
die in pfarrkindlicher Zuneigung ihm angebotene Er
leichterung seines saueren Dienstes zu verschmähen,
ruhig und ehrerbietig manches,Jahr hindurch in der
Sonntagsfrühe vor dem Stadtthor, wo Bleister Häm
merleins Behausung lag, dessen Thier besteigen,^ und
die Bauern in P. und H. wie die Stadtleute vernahmen
nach wie vor von ihrem Pfarrer gern den Trost des
Evangeliums, und was er aus der Tiefe seines treuen
Herzens deutend und vermahnend dazu that.
Da geschah es aber, daß ein Amtsbruder des
Pfarrers in der Nachbarschaft von ungefähr erfuhr,
weß das Thier sei, dessen sich dieser auf seinen Dienst
wegen bediente. Der war ein liebearmer Mensch,
und seine amtsunbrüderliche Seele fühlte sich von
der Spottlust so lange gekitzelt, bis er sich nieder
setzte und in einem Aufsatz, den er mit den Worten:
»Der Pfarrer und sein Pferd-- überschrieb, sein
Müthlein kühlte. Darin war in höhnischer Weise
auseinandergesetzt, wie die Benutzung des Wasen
meisterpferds durch den Pfarrer von H. etwas den
geistlichen Stand Verunzierendes sei, und es war dem
Verfasser des Aufsatzes dabei nicht eingefallen, daß
liebloser Spott doch wohl etwas noch Unziemlicheres
ist, zumal für einen Pfarrer, als das Reiten auf
einem Schinderspferd> wenn man kein besseres hat.
Der Schmähartikel ward in einer vielgelesenen
Zeitung, natürlich ohne daß-sich der Urheber desselben
nannte, abgedruckt. Unter den vielen Augen aber, vor
welche das Blatt mit dem Aufsatz: »Der Pfarrer und
sein Pferd-- kam, waren zufällig auch die zwei Augen eines
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