Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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Auch das ist eine gute Gelegenheit, mit Andern 
in Zank und Streit zu gerathen, wenn Einer Alles 
besser wissen will als Andere, und Alles tadelt, was 
nicht nach seinem Sinne ist. 
Von Hans Pfriemen, dem Fuhrmann, erzählt 
man, wie er an jedem Fuhrmann, der ihm auf der 
Straße begegnete, etwas auszusetzen hatte, der eine 
hatte die Pferde zu lang gespannt, der andere den 
Wagen nicht recht geladen, und der dritte trieb die 
Pferde entweder zu stark oder zu lässig an. Da 
meinten dann die anderen Fuhrleute, wenn's nicht 
recht sei, so gehe es ihn nicht an, und es kam dar 
über manchmal zu verdrießlichen Händeln, natürlich 
im echten Fuhrmannsstil. Nun es war einmal so 
seine Art, und er schonte auch den lieben Gott nicht. 
Wenn er die Pferde beschlagen ließ, fragte er, ob's 
nicht viel besser wäre, wenn das Pferd den Hufbe 
schlag gleich mit auf die Welt brächte; und wenn sie 
an einen Berg kamen, meinte er, der sei den Fuhr 
leuten recht zum Verdruß dahin gesetzt, bergauf 
müßten sich die Pferde über Gebühr anstrengen und 
bergunter müsse man wieder den Hemmschuh anlegen, 
damit der Wagen nicht über die Pferde wegrolle. 
Darum meinten die anderen Fuhrleute denn auch, 
selbst im Himmel, wenn er dahin käme, werde kein 
Ding ihm recht sein, und sein Name ist seit vielen 
hundert Jahren zum Sprüchwort geworden. Seine 
Verwandtschaft aber ist heutzutage noch sehr zahlreich. 
Gehe solchen Rechthabern aus dem Wege, denn es 
ist schlecht Friede mit ihnen zu halten. Wo aber so 
ein Hans Pfriemen mit im Gemeinderathe oder 
Kirchenrathe sitzt, da ist die Gemeinde zu beklagen; 
denn diese Besserwisser denken nur an sich, und benutzen 
jede Gelegenheit, um solche Leute, die nicht fest in 
den Schuhen stecken, in's Schlepptau zu nehmen, 
damit sie ihre Meinung durchsetzen, und sollte auch 
die Gemeinde darüber zu Grunde gehen. 
Der Schmied von Regenbach. 
Wahre Begebenheit. 
Im Fürstenthum Hohenlohe-Langenburg liegt ein 
Dorf, heißt Regenbach, wo sich vor etwa zwanzig 
Jahren folgende herzzerreißende, aber auch herz 
erhebende Geschichte zugetragen hat. 
Es war des Nachmittags, im Frühjahr oder im 
Herbst, da saßen in der Wirthsstube zu Regenbach 
viele Männer und Frauen aus dem Dorfe beieinander 
in gemüthlicher Ruhe, und ließ sich Keiner von ihnen 
träumen, was an diesem Tage noch Schreckliches und 
Furchtbares geschehen sollte. Auch der Schmied saß 
unter den fröhlichen Leuten, ein starker, rüstiger Mann 
mit einem recht entschlossenen Gesicht und kühnen Blick, 
aber auch mit einem so gutmüthigen Lächeln auf den 
Lippen, daß ein Jeder ihn lieb haben mußte, wer ihn 
nur ansah. Jeder schlimme Geselle aber mochte ihm 
ja aus dem Wege gehen, denn der wackere Schmied 
konnte kein Unrecht und Bösthun leiden, und es war 
nicht gerathen, mit ihm anzubinden, außer im Guten. 
Seine Arme waren wie Eisenstangen, und seine Fäuste 
glichen Schmiedehämmern. Nur wenige Menschen gab 
es, die es an Körperkraft mit ihm aufnehmen konnten. 
Der wackere Schmied saß nicht weit von der 
Thüre und plauderte mit seinem Nachbar. Auf einmal 
gehtZne Thür auf, und ein großer Hund kommt in 
die Stube hereingeschwankt, ein großes, starkes, mäch 
tiges Thier von grimmigem, schrecklichem Aussehen. 
Den Kopf mit den rothglühenden, schauerlichen Augen 
hielt er gesenkt; das Maul stand ihm offen, die blei 
farbene Zunge hing ihm weit aus dem Halse, und 
den Schwanz hatte er zwischen die Hinterbeine 
geklemmt. So kam der Hund zu der Stube herein, 
die keinen Ausgang weiter hatte, als nur die einzige 
Thür. Kaum hatte aber der Nachbar des Schmiedes, 
es war der Barbier vom Ort, das Thier gesehen, 
so wurde der Mann todtenblaß, wie der Kalk 
an der Wand, sprang auf und rief mit ensetzter 
Stimme: "Herr Jesus Christus, Leute, der Hund 
ist toll!« 
Aber nun dieser Schrecken. Die Stube war fast 
angefüllt von Männern und Frauen, und das wüthende 
Thier stand vor dem einzigen Ausgang, und Niemand 
konnte in's Freie, außer er mußte an ihm vorbei. 
Die Bestie aber schnappte wild nach rechts und links, 
und keiner vermochte an ihr vorüber zu kommen, ohne 
gebissen zu werden! Das gab ein Angstgekreisch zum 
Entsetzen! Alle sprangen auf und wichen zurück und 
schauten mit stieren Blicken voll Todesangst auf den 
tollen Hund. Wo gab'S Rettung vor ihm? 
Da stand auch der Schmied auf, und wie er die 
Todesangst der vielen Menschen sah, und es ihm 
blitzschnell durch den Sinn fuhr, wie viele der glück 
lichen und zufriedenen Leute durch den tollen Hund 
könnten grenzenlos elend gemacht werden, da faßte er 
einen Entschluß, wie es kaum einen zweiten giebt in 
der Geschichte der Menschheit an Hochherzigkeit und 
Edelsinn. Freilich erblaßte seine gebräunte Wange 
ein wenig, aber sein Auge funkelte in wahrhaft 
göttlichem Feuer und eine erhabene Entschlossenheit 
leuchtete von der Stirn des schlichten, einfachen 
Mannes. 
"Zurück Alle!» donnerte er mit seiner tiefen, 
kräftigen Stimme. "Keiner rühre sich, denn Keiner 
kann das Thier zwingen, außer ich! Ein Opfer muß 
fallen, um Alle zu retten, und dies Opfer will ich 
sein! Ich bändige das Thier und während ich's 
thue, entflieht!" 
Und der Schmied hatte kaum diese Worte ge 
sprochen, so kam die Bestie heran und gerade auf 
den kreischenden Menschenknäuel zu. Kam aber nicht 
weit; ,,Drauf mit Gott!" rief der Schmied, und 
damit stürzte er auf das wüthende Thier, packte es 
mit seinen Riesenarmen und warf es zu Boden. 
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