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schenden Klängen der Musik gelauscht, bald im wir
belnden Tanz sich gedreht, oder auch zu traulichem
Geplauder und heiterer Geselligkeit sich vereinigt.
Unter der Linde war es auch, wo sich einmal ein
Vorfall ereignete, der für meinen Großvater und
sein ganzes Haus gar ernste und traurige Folgen hatte.
Napoleon hatte die Schlacht bei Leipzig verloren und
sein noch vor kurzem so stolzes Heer eilte flüchtigen
Fußes durch die deutschen Lande. Aus Thüringen
ging der Zug in hellen Haufen durch das Hessische
über Fulda dem Kinzig- und Mainthale zu. Eine
Abtheilung französischer Reiter hatte sich von der
großen Masse abgeschlagen und war auf den Einfall
gekommen, in meinem Heimathsdorfe zu fouragiren
und die Nacht über Rast zu halten. Die Pferde
sollten auf dem Kirchhofe untergebracht werden und
die Mannschaft wollte in der Kirche Quartier nehmend
Schon fing es an dämmerig zu werden, als die Glocke
der Dorfkirche noch --unter die Linde« läutete. Die
Männer des Dorfes folgten dem bekannten Zeichen
und eilten bestürzt und neugierig, was da noch zu
so später Stunde verhandelt werden sollte, zu dem
gemeinschaftlichen Sammelplätze. Der Schulze, wel
cher in Begleitung eines martialisch aussehenden fran
zösischen Offiziers und mehrerer Reiter gekommen
war, trat hervor und machte mit Widerstreben die
Nachbarn mit dem Verlangen und Begehr der frem
den Gäste bekannt.
--So, Leute", nahm hierauf der Offizier in ziem
lich geläufigem Deutsch das Wort, --jetzt wißt ihr,
was wir wollen, Quartier, Brot und Fleisch für
unö und Stroh und Futter für die Pferde. Und
nun öffnet die Kirche.«
Man deutete auf meinen Großvater, welcher auch
herbeigekommen war und zugleich den großen Kirchen-
schlüßel in der Hand hielt. Der aber sagte ruhig und
fest: --Das thue ich nicht!« »Und warum nicht?« fuhr
der Offizier hitzig auf. »Weil es«, antwortete der
Greis, »nicht recht und heilsam ist, das Gotteshaus
zu einer Nachtherberge für Soldaten zu machen.«
»Laßt das Gerede, alter Graukopf«, schrie der
Franzos zornig. »Wenn Ihr nicht wollt, so werd'
ich Euch zwingen«, und dabei wies er auf seine be
waffneten Begleiter.
»Wagt cs nicht, mich anzugreifen, Herr!« rief
ihm mein Großvater mit funkelndem Auge entge
gen. „Mit meinem Willen kriegt Ihr den Schlüße!
nicht.«
Ein Bcifallsgemurincl ging bei diesen Worten
durch die versammelten Männer.
I Jetzt aber sprang der Offizier, außer sich vor
Wuth, auf meinen Großvater zu und hielt ihm die
geballte Faust vor das Gesicht. Nun hatte der Fran
zose einen schönen, großen Hund bei sich, so eine
Art Wolfsfänger, ^ ein starkes, muthigeö Thier. Als
der die Bewegung seines Herrn sah, fletschte er die
weißen Zähne, hob sich in die Höhe und wollte de»
Greis auf der Brust packen. Schnell gefaßt aber
versetzte ihm dieser mit dem schweren Schlüße! eine»
solchen Schlag auf die Nase, daß er jäh zu Boden
fiel und alle Viere streckte.
Für den Augenblick war die drohende Gefahr
von dem Haupte des allgemein geliebten Mannes
abgewendet, denn der Offizier und seine Begleiter
machten sich sofort mit dem zuckenden, sterbende»
Thier zu schaffen.
»Macht, daß Ihr fortkommt, Nachbar», mahnte
jetzt eifrig der Schulze, »wir sind nicht im Stande,
Euch vor dem Zorn und der Rache des fremden
Volkes zu schützen. Fort, fort", als dieser zauderte,
»Ihr habt keine Minute zu verlieren«, und drängte
mit starkem Arm ihn zur Flucht.
Und in der That, es war die höchste Zeit; den»
als der Offizier von dem Tode seines Lieblings sich
überzeugt hatte, sprang er mit einem fürchterliche»
Fluche vom Boden auf und riß den Pallasch aus der
Scheide, um den Thäter zu strafen. Auch die anderen
Reiter zogen blank, und es sammelten sich bei dem
weithin schallenden Rufen und Schreien immer mehr
Franzosen um die Linde. Nun gab es ein Wälsche»
lind Parliren, ein Zetern und Toben und Klirren
mit den Säbeln, daß wohl alle, die versammelt wäre»,
mit Schrecken auf den Ausgang sahen. Und in wil
der Aufregung schrien die Reiter durcheinander: Wo
ist der deutsche Hund, daß wir ihn massacriren!
Aber keiner von den Bauern gab Antwort, keiner
von den Feinden hatte den Flüchtling gesehen. Er
war eilends durch ein Seitengäßchen gesprungen und
hatte seinen Weg quer über das Feld dem nahen
Walde zu genommen. Ohne noch weiter zu fragen,
stürzten die Reiter auf das Schulhaus zu; jede Stube,
jede Kammer, der kleinste Raum vom Boden bis
zum Keller, Scheuer und Stall ward durchsucht,
aber alle Nachforschungen blieben natürlich vergeblich-
Und meine Großmutter, eine noch rüstige und berz-
hafte Frau, konnte mit gutem Gewißcn sagen, daß
sie von dem Verschwinden und dem Aufenthalte ihres
Mannes auch nicht das Geringste wiße. Aber jetzt
sollte ihr jüngster Sohn Jakob, ein frischer, kräf
tiger Knabe von 15 Jahren, der von vielen Geschwl-