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aus dem kleinen Burschen ein gelehrter, und was noch
mehr werth ist, ein frommer Mann. An der Uni
versität zu Leipzig wurde er Professor, und hier that
sich ihm ein großes Feld auf, durch Wort und Schrift,
durch Lehre und Beispiel Vieler Herzen zum Guten
zu führen und die Ungläubigen zu bekehren zu der
Klugheit der Gerechten. Aus seinem Lehrzimmer und
seiner Studierstube fanden seine Lieder, Erzählungen
und Fabeln den Weg in alle deutschen Lande und
noch weit hinaus über die Grenzen des lieben Vater
landes. Da, wo er lehrte, versammelte sich Jung
und Alt, um ihn zu hören und von ihm zu lernen,
und von Nah und Fern dankte man ihm mit Worten,
Briefen und Geschenken für die guten Vorsätze, die
er befestigt, für die Herzensumwandlung, die er be
wirkt, kurz für die schönen und heiligen Lehren, die
man aus seinen Schriften und Vorträgen gezogen und
mit fortgenommen habe. Sein Name war bald in
Aller Munde und der Professor Gellert der Lieb
ling des Volkes. Die angesehensten Personen suchten
ihn auf, um ihm ihre Hochachtung zu bezeigen, und
auch Friedrich der Große, der eben nicht viel auf die
deutschen Gelehrten hielt, versagte es sich nicht, den
gepriesenen Dichter zu sich zu rufen und sich lange
mit ihm zu unterhalten. Bei aller äußeren Ehre aber,
die ihm widerfuhr, blieb er stets bescheiden und voll
Demuth, und das »Wohlzuthun und Mitzutheilen«
der heiligen Schrift vergaß er keinen Augenblick seines
Lebens. Was er verdiente oder was ihm von seiner
knapp zugemessenen Besoldung übrig blieb, gab er den
Armen und Kranken, und hatte er nichts mehr zu
geben, so ging er zu Andern und mit seiner Fürbitte
kam er selten leer nach Haus. Besonders hatten seine
geistlichen Lieder, die er aus einem frommen und
gläubigen Herzen gesungen, einen weiten Wiederhall
in dem deutschen Vaterlande gefunden, und wer ge
denkt nicht heute des frommen Dichters noch mit Dank
und mit Freude, wenn er in der Kirche »Wie groß äst
des Allmächt'gen Güte«, oder »Wenn ich, o Schöpfer,
deine Macht«, oder »Auf Gott und nicht auf meinen
Rath« mitsingt und in Andacht sein Herz daran
erquickt und erbaut. Unter den Bauern — und das
wollte ich hier gerade sagen — war aber Gellert
auch ein guter Bekannter und man hielt ihn da hoch
und werth; denn da hatte er manchmal den Nagel
auf den Kopf getroffen und einem in das Gewissen
geredet, daß der vor sich selbst erschrak und seinen
Hochmuth und seine Unzufriedenheit, seinen Geiz und
seine Mißgunst fahren ließ und stille wurde und in
seinem Gott vergnügt.
Einst, so wird erzählt, hatte der Bauer Wer
ner — wo, das thut zur Sache nichts — den schö
nen Spruch von Gellert gelesen:
Genieße, was dir Gott beschieden,
Entbehre gern, was du nicht hast;
Ein jeder Stand hat seinen Frieden,
Ein jeder Stand hat seine Last.
Das schlug ein. Von Stund' an wurde der Bauer
ein anderer; er hatte keinen Groll mehr auf seinen
Nachbar Peter, daß der Dorfschulze war, auch war
ihm jetzt nicht mehr seine Scheuer zu klein, und sei»
Vieh erschien gerade so gut gehalten, als das der
Andern im Dorfe auch. Und seine Frau , die Mar
garethe, konnte sich nicht genug wundern, daß der
Mann gar nicht mehr so knutterig war, wie vordem.
Wie stieg aber ihr Erstaunen, als er eines Morgens
in seinem blauen Sountagsrock vor sie trat, mit der
Peitsche in der Hand, und sprach: »Ich fahre in die
Stadt; der Gellert hat mir's angethan; draußen habe
ich ein schön Stück Holz ans dem Wagen, dawnt
will ich ihm zeigen, daß unser eins auch noch das
Herz auf dem rechten Fleck hat.« Gesagt, gethan-
Und wie lustig das zum Hofe hinausging und wie die
Räder über den gefrornen Schnee knatterten, denn
es war kalt, und der Bauer dachte, dem Herrn
Professor käme das Holz zu solcher Jahreszeit recht
zu Paß. In wenigen Stunden war die Stadt erreicht
und das Haus, wo Gellert wohnte, auch bald gefun
den. Ohne erst zu fragen und sich lange zu besinnen,
machte sich der Bauer an das Abladen, und wie das
Hol; auf dem Hofe durcheinander polterte, trat de>
Diener — oder wie ein solcher damals bei einem
Professor hieß — der Famulus Gellerts in die
Thüre und fragte voll Verwunderung, wem das Holl
gehöre.
»Dem Professor Gellert. Wem anders?« war
die Antwort des Bauern.
»Der hat aber keins gekauft!» erwiderte der Fa
mulus.
„Thut auch nichts!« entgegnete der Bauer.
soll's doch haben!« und dabei leerte er den Wagon
bis aufs letzte Scheit.
Und nicht lange, so stand der Bauer vor dein
frommen Dichter selbst und sagte ihm unter derboi
Händedruck, wie er durch seine Schriften von bo>e^
Wegen abgebracht worden sei, und wie er nicht an
ders gewußt habe, ihm seinen Dank abzustatten, a
durch das Fuder Holz, bei dem auch nicht ein Scho
an einer guten Klafter fehle.