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kein Brot, kein Bißchen Fleisch, nichts im Hause,
was dem Kranken Stärkung geben könnt'. Und seine
Frau, die Anne Katharin', ist nicht im Stande, etwas
Rechtes herbei zu schaffen und ihm dadurch in seinen
Schmerzen Linderung zu bringen; bald muß sie nach
dem kranken Manne springen, bald nach den beiden
kleinen Kindern sehen, denen der leibhaftige Hunger
aus den matten Augen blickt und die durch ihr Schluch
zen nach Brot den Kranken nur noch elender machen.
Sieh, Jakob, wie ich das sah, das war zum Frieren,
und ich meint', es wär' der kalte, durch die zerrissenen
Fenster fahrende Luftzug, der mich schüttelte, aber es
war hier inwendig, was mir das Herz zusammenzog.«
»Und in den großen Städten," fuhr er fort,
»erlebt man es oft noch schlimmer, geht es oft noch
trauriger zu. Da wohnt neben dem großen Reich
thum und Wohlstand die nackte Armuth und der hohl
äugige Hunger. Viele schlafen auf seidenen Kissen
und hüllen sich in kostbare Pelze; aber wie viele haben
kein Stroh zu ihrem Lager und keinen Lappen, sich
die Blöße zu decken. Dabei fällt mir just eine Ge
schichte ein, so ein Gegenstück zu dem, was ich diesen
Morgen sah. Aber cs thut ein warmer Ofen Noth,
wenn man sie hören will, sonst friert einen bei so
viel Elend und Mühsal.«
«Hoffentlich ist aber auch Sonnenschein dabei, an
dem man sich wieder wärmen kann,» fügte Schäfers
Philipp hinzu. »Du hast Recht, Nachbar,» erwiderte
Konrad, »so war es. Das Licht vertrieb die Fin
sterniß und mildes Frühlingswetter die lange kalte
Winternacht». Also hört zu:
»»Im Jahre 1829 war es bitter kalt, und wenn
jemand auf der Straße ging, so knitterte und knirschte
es im Schnee, wie wenn man Glasscheiben zerträte,
und selbst bei wohlhabenden Leuten, die doch ordentlich
einheizen konnten, wollten am hellen Mittag die Fen
sterscheiben noch nicht aufthauen.
In einem Nachbarlande von Deutschland liegt
eine große, alte, volkreiche Stadt; in dieser gibt es
neben schönen, prächtigen Straßen auch elende, enge
Gaßen und Gäßchen mit finsteren Häusern, aus denen
aber doch die Armuth ganz hell heraussieht. In einer
solchen Gaße wohnte eine blutarme Familie, die nur
auf den Raum einer kleinen Kammer angewiesen war.
Und doch war es in der Kammer immer so kalt, wie
auf der Straße. In einem dünnen, elenden Bettlein
mitten in der Kammer lag ein krankes Kind, das
aussah, als werde es bald in ein anderes Bettlein
getragen werden, wo einen nicht mehr hungert und
nicht mehr friert. Bei dem Kinde saß, die Hände
vor dem Gesicht, die arme, dürftig angezogene Mutter
und weinte. — Auf einmal rief es vom kalten Ofen
her: »Mutter, liebe Mutter, ich hab'Hunger». Es
war ein Knabe zwischen fünf und sechs Jahren, der
so rief. Aber die Mutter sagte nichts und blieb wie
todt sitzen. Das Kind aber fing wieder an und sagten
»O, gib mir doch nur ein kleines Bißchen zu essen,
ich kann's nicht mehr aushalten.«
Und nun schaute die Mutter auf mit einem Blick,
dem man nur da begegnet, wo wider Berhosfen jeman
dem das Todesurtheil abgelesen wird, und sagte'
»Johannes, ich bitte dich um Gottes willen, sei doch
still, ich sterbe ja selber vor Hunger." Allein der
Kleine ließ nicht nach und rief wieder: »Ach, gib mir
doch nur ein klein wenig, liebe Mutter!»
Und die Mutter hielt es nicht mehr aus, griff
unter das Bett und langte ein kleines Kreuzcrlaibcheu
hervor und sagte: »Da hast du es, ich hatte es auf
gehoben, uin deinem Schwesterchen Brei davon ZU
kochen, aber das arme Schästein wird cs nicht mehr
nöthig haben.»
Der Knabe griff hastig nach dem Laibchen, doch
als er es halb verzehrt hatte, brachte er die andere
Hälfte der Mutter und sprach mit heller Stimme:
»Da, ich habe das für das kranke Schwesterchen auf
gespart!» Und dann ging er wieder zu dem Ofen zurück.
Eine halbe Stunde darauf kam der Vater nach
Hause, blickte die Frau mit tiefer Betrübniß an und
sagte: »Therese, wir sind doch recht unglücklich. 3$
stehe den ganzen Morgen schon auf dem Markte nm
meinem Schubkarren und habe noch keinen Kreuzer
verdient. Ich weiß nicht mehr, was ich anfangen soll-"
»Vater, Vater,» rief da der Knabe, »ich hab' noch
Hunger, kriege ich jetzt ein Stück Butterbrot?"
Diese Worte schnitten dem Vater in das HerZ-
und als er nun auch sah, wie das jüngste Kind ">
den Tod hinübersiechte, da wollte seine Seele unter
gehen in miendlichem Jammer und Schmerz, und
umsonst suchte er einen Ausweg aus der furchtbaren
Noth. Endlich sprach er: »Ich weiß jetzt nichts an
deres zu thun, — ich verkaufe bei der Versteigerung
unseren Schubkarren.« Und das war doch das einzige
Werkzeug, mit dem der arme Taglöhner sonst sein
Brot verdiente.
An jedem Freitag wird in jener Stadt auf dein
Markte eine Versteigerung gehalten, wo jeder bringen
kann, was er will. Der Mann gab dem Ausrufer
seinen Schubkarren und erwartete traurig, bis dw
Reihe an sein Eigenthum kam. Da gingen gerad
zwei reichgekleidete Fräulein über den Markt un