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„Sachte, sachte", versetzte der Pfarrer, „nicht
so hastig! Erst komme ich mit meiner Injurienklage,
und hernach Ihr mit der Eurigen. Ihr grollt dem,
der Euch nachsagt, Ihr ließet Euere Leute hungern; —
aber Ihr sagt meinem Herrn und Gotte nach, daß
er mich, seinen Knecht, verhungern lasse und auf
eine Hungerleiderstelle gesetzt habe. Wollt Ihr noch
processiren?"
Der Bauer reicht dem Pfarrer die Hand und
bittet sein vorschnelles Wort zurück. Er selbst soll
nachher treulich dafür gesorgt haben, daß Henke
keinen Hunger zu leiden hatte.
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Eine vornehme Familie hätte den Pfarrer Henke
längst gerne einmal bei sich gesehen, aber er ging
nicht viel aus, außer wenn er in seiner Gemeinde
umherpilgerte, und dazu war er lieber bei den Armen,
als bei den Reichen.
Aber die reichen Leute feierten einst Kindtaufe
und die Frau rastete nicht, bis Henke zugesagt hatte,
als Gast dabei zu erscheinen.
Nun regnete es aber ohne Aufhören auf dem
ganzen Wege und der arme Mann hatte keinen
trockenen Faden mehr an sich, als er zum Tauffeste
erschien. Die Hausfrau versah ihn in theilnehmender
Sorgfalt mit anderen Kleidern, und bedauerte es
immer wieder von Neuem, daß gerade heute so
miserables Wetter sein müsse, an dem man keinen
Hund vor die Thüre jagen sollte.
Als sich Henke anders angekleidet hatte, setzte
er sich mit zu Tische. Kaum hatte er den ersten
Löffel an den Mund gesetzt, als er — sich schüttelte,
wie eine Katze, die kochende Milch genascht hat, und
mit den Worten: „Pfui, wer kann die miserable
Suppe essen!" den Löffel hinwirft.
Nun soll es eine Schwäche der Hausfranen sein,
daß sie ihre Kochkunst nicht gern tadeln lassen, und
die Gastgeberin glühte deshalb über die ihr durch
Henke angethane Schmach auf, wie ein welscher
Hahn. Indeß, denkt sie, der alte Herr sei nicht
verheirathet, also nicht geschult in dieser Hinsicht,
wie es nur ein wackerer Eheherr sein kann, der auch
die versalzenen Suppen süß und das angebrannte
Gemüse vortrefflich findet, und dazu — Henke war
nun einmal als Sonderling bekannt, und sie hat es
ihm schon halb vergeben, wenn er nur ihren anderen
Gerichten Gerechtigkeit widerfahren'läßt.
Kaum hatte derselbe aber sich das Gemüse auf
den Teller genommen und etwas davon genossen, als j
er, die Gabel von sich schleudernd, ausrief: „wer
kann das miserable Zeug essen!"
Und das wäre mir auch zu viel gewesen, sagt
hier und da eine ehrsame Hausfrau unter den Kalender
leserinnen, und die Kindtaufsmutter sagt es auch und
spricht: „ Herr Pastor, ich bedauere es sehr, daß
wir es künftig nicht wagen dürfen. Sie zu Tische zu
laden, da unsere Speisen für Sie viel zu schlecht
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sind, und nie hätte ich gedacht, daß man in Ihrem
Pfarrhause so fein und ausgesucht koche, wie Sie es
gewohnt zu sein scheinen."
„Sachte, sachte", entgegnete Henke, „liebste
Frau. Ich sehe wohl, es ist Ihnen zu viel gewesen,
mir aber auch! Sie nannten das Wetter meines
Herrn ein miserables Wetter, ein Hundewetter; das
soll ich einstecken und kein Wort dazu sagen; aber
wenn ich Ihre Suppe und Ihren Kohl miserabel
nenne, dann werden Sie böse?"
Die Frau aber reicht betroffen und beschämt dem
Pfarrer die Hand und spricht: „es war nicht so
gemeint; es ist wirklich gutes, schönes, vortreffliches
Wetter heute." —
„Ja, ja", sagte Henke, „und Ihre Suppe ist auch
gut, und ich bitte mir nachträglich einen Teller davon
aus, und ja recht voll, und Ihr Gemüse und andere
gute Sachen sollen mir auch vortrefflich schmecken."
Ein Bild des Friedens aus dem
deutschen Walde.
Giebt es wohl eine lieblichere Sprache hienieden,
als das Rauschen der frischen Laubblätter eines schönen
deutschen Waldes? Wahrlich, dem kecksten, wander
lustigsten Gesellen wird das Herz weich, und er zögert
weiter zu schreiten, wenn an einem sonnigen Frühlings
tage die sonnigen, lichten Bäume, zitternd vor Wonne,
über die Gabe des neuen Lebens mit einander reden,
wenn Alles ringsumher säuselt und lispelt. Der
Wanderer wirft sich dann in's Gras, daß die duftigen,
grünen Wellen über seinem Haupte zusammenschlagen,
die herzigen Blumen sich neigen, ihn auf die Wangen
und Lippen zu küssen, — und schaut lauschend in
den grünen Blätterhimmel hinein, träumend von den
Gespielen der Jugend. In traulichem Liebesgespräche
neigt sich der stattliche Eichbaum zur reizenden, zarten
Birke, gar wichtige Dinge hat die schlanke Buche der
ernsten Ulme zu vertrauen, und dazwischen plaudert
unaufhörlich die ruhelose Espe. Ein Leben, eine
Seligkeit zieht durch den ganzen Wald, wunderbar
erfrischend für das Menschenauge und ergreifend für
das Menschenherz.
Inmitten aller dieser üppigen Lust steht ein stummer,
dunkler Baum, der nicht reden kann und nicht mit
hellen Blättern spielt, — es ist der Tannenbaum
mit seinen spitzigen, kleinen Nadeln. Liebend breitet
er seine Arme aus,' kein Neid lebt in seinem Herzen,
und doch schaut er so traurig darein; wie ein kummer
voller Mensch zwischen lachenden, spielenden Kindern
steht er zwischen den laubgeschmückten Bäumen.
Selten, daß ein Vogel auf der Reise durch den Wald
kurze Rast hält auf seinen Zweigen; versteckt er sich
doch weit lieber in die duftige Blätterlaube, die so
unwiderstehlich lockt, Kühlung und Schatten zugleich
verheißend. Die Bienen und die ««**>»"»*•