das zu der schweigsamen Wuth des
Gegensatze steht und bemüht sich seinen Kopf, auf welchen
die Angriffe zumeist gerichtet sind, demselben dadurch zu
entziehen, daß es ihn tief unter die Streue und unter seine
Pfoten verbirgt. Ist einmal dieser erste Wuthausbruch vor
über, so gibt sich das wüthende Thier n uen Liebkosungen
hin, auf welche jedoch bald wieder ein neuer Wuthanfall folgt.
Im Zustande der Freiheit schießt der tolle Hund vor sich
her und zwar anfangs noch mit ganz unbehinderten Bewe
gungen; er befällt alle lebende Äesen, die er antrifft, mit
besonderer Vorliebe aber den Hund, so daß es für den
Menschen, der sich auf seinem Wege findet, ein glücklicher
Zufall ist, wenn sich gerade in seiner Nähe ein Hund zeigt,
an dem das tolle Thier seine Wuth stillen kann. Nicht
lange jedoch erhält sich der freie Gang des tollen Hundes.
Erschöpft durch sein Herumschweifen, durch die Wuthaus
brüche, denen er sich auf dem Wege hingegeben hat, durch
Hunger, Durst und ohne Zweifel auch durch die Einwirkung
der Krankheit selbst, wird er nach kurzer Zeit von Schwäche
der Glieder befallen. Sein Gang verlangsamt sich nun und
wird wankend, der hängende Schweif, der gesenkte Kopf,
das offenstehende Maul, aus dem eine bläuliche, mit Staub
beschmutzte Zunge hervortritt, geben ihm ein ganz eigen
thümliches Aussehen. In dieser Periode der Wuth ist der
tolle Hund viel weniger gefährlich, als zur Zeit seiner ersten
Wuthanfälle. Macht er jetzt noch Angriffe, so geschieht dieses
nur dann, wenn sich auf der Linie, welche er durchläuft,
Gelegenheit zur Befriedigung seiner Wuth darbietet. Er ist
jedoch nicht mehr so erregbar, daß er seine Richtung verließe,
um einen Menschen oder ein Thier anzufallen, welche ihm
nicht gerade im Wege stehen.
Bald erreicht seine Erschöpfung einen solchen Grad, daß
er genöthiget ist, seinem Laufe Einhalt zu thun. Dann
kauert er sich in den Straßengräben nieder und bleibt da
selbst stundenlang tm Zustande krankhaften Schlafes. Wehe
aber dem Unvorsichtigen, der seinen Schlummer stört! Aus
seinem dumpfen Hinbrüten erweckt, findet das Thier oft noch
Kraft genug, um ihn zu beißen.
Das Ende des tollen Hundes ist immer die Lähmung.
AuS dieser Auseinandersetzung geht hervor, daß viele,
ja die meisten durch die Hundswuth verursachten Unglücks
fälle, welche nur zu häufig Angst, Schrecken und Ver
zweiflung in der Gesellschaft hervorrufen, darin begründet
sind, daß die Eigenthümer der Hunde aus Mangel an ge
nügender Belehrung sich über die ersten Erscheinungen, durch
welche der Wuthzustand sich zu erkennen gibt, keine Rechen
schaft zu geben wissen; daß sie aus den Warnungen, welche
ihnen die unglücklichen Geschöpfe durch unzweifelhafte und
leicht verständliche Zeichen äeben, keinen Nutzen zu ziehen
wissen; daß sie mit einem Worte nicht frühzeitig genug jene
Maßregeln ergreifen, mit deren Hilfe das drohende Unheil
abzuwenden wäre. In dieser Unwissenheit liegt die haupt
sächlichste Quelle des Uebels; ihr muß man mit allen Kräften
entgegen wirken. Zu diesem Zwecke suche man die Erkenntniß
der Krankheit in die weiteste Kreise zu verbreiten und die
Aufmerksamkeit des Publikums durch wiederholte Darlegung
der betreffenden Thatsachen wach zu erhalten.
Auf diese Weise werden die Vorurtheile, welche hinsicht
lich der Hundswuth noch so sehr verbreitet sind, allmälig
verschwinden. Man wird nicht mehr die Wasserscheue als
ein untrügliches Zeichen betrachten, bei dessen Mangel man
sich einer vollen Sicherheit hingeben kann; man wird besorgt
werden, wenn ein Hund sich unaufhörlich und ohne augen
scheinlichen Zweck hin und her bewegt, wenn er eine ver
kehrte Freßlust zeigt, der Klang seiner Stimme verändert
ist, wenn er in den Kundgebungen der Zuneigung gegen
seinen Herrn das gewöhnliche Maß überschreitet, gegen Lhiere
seiner Art eine ungewöhnliche Bissigkeit an den Tag legt,
unter dem Schmerze der ^Züchtigung stumm bleibt u. s. tp.
Und die Folge dieser Belehrung wird sicher eine Abnahme
der Wutherkrankungen sein. Möge Jeder sich selbst schützen
durch die Kenntniß dessen, was zu seiner Selbsterhaltung
nöthig ist; hierin liegt die beste, die wirksamste Verdauung.
Unter den polizeilichen Maßregeln gegen die Hundswuth
empfiehlt sich allein nur das Anlegen von Maulkörben
für alle Hunde, wenn anders diese Maßnahme streng
und angemessen gehandhabt wird.
Der Maulkorb in seiner heutigen Gestalt und Anwendung
aber ist nur eine Ausflucht, ein Mittel, durch welches man
sich den Anschein gibt, die Verordnung zu befolgen, indem
man ihr aus dem Wege geht.
Es ergibt sich demnach die Aufgabe, um den Kopf des
Hundes einen Apparat anzulegen, welcher — indem er dem
Athmen durch den Mund volle Freiheit gewährt — ihn den
noch verhindern würde, mit den Kiefern anzugreifen und zu
beißen. Das einfachste und sicherste Mittel, diese Aufgabe
zu lösen, bestünde darin, daß man um den Kopf des Hun
des ein Drahtgitter befestigte, welches geräumig genug wäre,
nur innerhalb desselben den Kiefern freien Spielraum zu
lassen. Das Anlegen eines Zwangsapparates um den KM
des Hundes, der sich dem Abziehen der Kiefer entgegenstellt,
ist schon an sich ein Mißgriff. Bei dem Hunde sind nämlich
die Nasenhöhlen zu enge, um ihm das Athmen durch dre
Nase allein zu ermöglichen, wie dieses bei dem Pferde des
Fall ist; der Hund muß mit offnem Maule athmen, er muß
durch die Zunge und die ganze Mundschleimhaut trans-
spiriren, er muß daher im Stande sein, die Kiefer zu öffnem
Zwei Arten von Maulkörben, beide nach demselben be
danken hergestellt, sind erst kürzlich erfunden woroen; dre
eine von Professor Goubaux in Alfort, die andere von
Herrn Charriere in Lausanne. Muster dieser Maulkörbe
konnte man bei der letzten Hundeausstellung in Paris ftbem
Beide Arten von Maulkörben gestatten es, das Thier seiner
Kiefer zu entwaffnen, während sie ihm gleichzeitig die Frei
heit gewähren, bei offenem Maule und heraushängendes
Zunge zu athmen. Diese Maulkörbe bestehen aus zw^
durch Gelenke beweglichen Stücken, welche länger sind, aw
die Kiefer des Hundes, für den sie bestimmt sind, und die
selben in einem Kreise (peripherisch) umgreifen; die beiden
Stücke des Maulkorbes können nun durch die Wirkung der
das Maul öffnenden Muskeln von einander abgezogen werden
und treten, sobald sich das Maul wieder schließt, vermog
einer sehr einfachen federnden Vorrichtung wieder in iyr
ursprüngliche Lage zurück. Diese sinnreichen Apparate ge
statten es, die Verordnung bezüglich des Anlegens von Mam
körben strenge zu vollziehen, während sie gleichzeitig de
Hund des unerträglichen Zwangs der bisher im GebraM
gewesenen, wenn nicht blos auf Täuschung berechneten Mau
bänder überheben.