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zurück, ohne ihm jedoch das geringste Leid zuzufügen. Als
man diesem Pferde aber ein Schaf darbot, verfiel es augen
blicklich in den heftigsten Wuthanfall, erfaßte das arme
Thier und zermalmte es mit seinen Zädnen. Dieses Beispiel
ist vielleicht nur eine Ausnahme; weitere Erfahrungen müssen
erst lehren, ob es zulässig sei, hierin den Ausdruck eines
Gesetzes zu sehen, ob wir zu der Annahme berechtigt seien,-
daß jene Thiere, welchen die Wuthkrankheit durch Ein
impfung beigebracht worden ist, nur auf den Anblick solcher
Thiere in die gedachte Rückwirkung gerathen, aus deren
Gattung das eingeimpfte Gift entnommen worden war.
Beispiele, wie das vorangeführte, werden allerdings nicht
so leicht wiederkehren, weil die Übertragung der Wuth-
krankbeit von Pflanzenfressern äußerst selten ist. Halten wir
indeß an der Thatsache fest, daß es in der weit überwiegen
den Mehrzahl der Fälle die der Hundegattung ungehörigen
Individuen sind, durch deren Anwesenheit wuthkranke Thiere
in Aufregung versetzt werden.
Von welcher Wichtigkeit die Kenntniß dieser Thatsache
ist und welchen Nutzen die Eigenthümer der Hunde aus ihr
Ziehen können, ist leicht einzusehen. Wie häufig erfahren
wir von Personen, welche uns wüthende Hunde zuführen,
daß sich diese, bevor sie noch einen Angriff gegen den Men
schen gemacht haben, bei dem Anblicke eines anderen Hun
des im höchsten Grade aufgeregt gezeigt haben und auf diese
losgestürzt sind, selbst wenn sie bislang von der friedfertigsten
Gemüthsart waren. Gleichwohl erregt diese so bedeutungs
volle Eigenthümlichkeit in den meisten Fällen keinen Verdacht
bei Demjenigen, der sie beobachtet und zwar nur deshalb,
weil dem Herrn sowie den Angehörigen des Hauses gegen
über der Charakter dieses Hundes, den der Anblick eines
Thieres seiner Gattung in so ungewöhnliche Aufregung ver
setzt, sich nicht verändert hatte. Bouley erzählt hierüber
emen sehr interessanten Fall aus eigner Wahrnehmung und
schließt denselben mit der Aufforderung, einen jeden Hund,
der gegen seine Gewohnheit und sonstige Gemüthsart plötz-
uch anfängt, über Thiere seiner Gattung herzufallen, als
w hohem Grade der Wuth verdächtig anzusehen.
Endlich kommt häufig vor, daß der Hund beim
ersten Auftreten der Wuthkrankheit vom Hause
entweicht und verschwindet. Fast möchte man glau
bn, daß er das Bewußtsein seiner gefahrbringenden Krank-
heit in sich trägt und daß er, um Schaden zu verhüten
diejenigen flieht, denen er zugethan ist. Wie es sich nun
nuch mit dieser Deutung verhalten mag, so viel ist gewiß,
baß er sehr häufig das Haus seines Herrn verläßt und man
wn nie mehr wiedersieht, sei es nun, daß er an irgend
etnem entlegenen Orte stirbt, oder daß er, wie es an be
völkerten Plätzen gewöhnlich geschieht, durch seine Bissigkeit
gegen Thiere und selbst Menschen als wüthend erkannt wird
und auf der Straße seinen Tod findet. In anderen, leider
?. Ur zu häufigen Fällen kehrt das arme Thier, nachdem es eins
zwei Tage lang hcrumgeirrt und der Verfolgung entgangen
lnT c * ner unheilvollen Anziehung gewissermaßen folgend —
n das Haus feines Herrn zurück Und kaum ist er wieder
^wgekehrt, so drängen sich Alle um ihn, beeifert ihm Hülfe
VhJPu ’ denn meistens bietet er dann ein höchst elendes
zustehen dar, ist auf das Aeußerste abgemagert und mit
und Blut bedeckt. Aber wehe dem, der sich ihm
«S?*/ ^ enn * n dieser Periode der Krankheit ist bei ihm der
beißen so"mächtig geworden, daß er selbst das
esühl der Zuneigung, wenn es noch so lebhaft ist,
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herrscht und nur zu oft läßt er sich von diesem Triebe hin
reißen, die Liebkosungen und die Sorgfalt, welche man ihm
widmet, mit Beißen zu erwiedern. Man hat somit Ursache,
denjenigen Hund mindestens für wuthverdächtig zu halten,
der, nachdem er einen oder zwei Tage von Hause entfernt
gewesen ist, wieder in dasselbe zurückkehrt, insbesondere wenn
er den oben angedeuteten Zustand des Elendes darbietet.
Dieses sind die Erscheinungen und Eigenthümlichkeiten,
welche den Wuthzustand bei dem Hunde kennzeichnen. Aus
der gegebenen Darstellung ist ersichtlich, daß die Hundswuth
keineswegs eine Krankheit ist, in welcher fortwährend Raserei
den Grundzug bildet. Das Publikum, welches noch immer
in dieser Anschauung befangen ist, beurtheilt die Krankheit
nur nach den in der letzten Periode derselben auftretenden
Erscheinungen. So lange diese noch fehlen, glaubt es ge
wöhnlich nicht an das Vorhandensein der Wuth. Aber bevor
diese Erscheinungen sich entwickeln, bevor der tolle Hund sich
vollkommen rasend zeigt, verstreicht ein ziemlich langer Zeit
raum, während dessen sich das Thier harmlos benimmt,
obgleich seine Krankheit bereits deutlich ausgesprochen ist.
Dieses Verhalten ist es, welches wir ganz besonders hervor
heben wollten. Würde sich das Publikum diese Wahrheit
zu Herzen nehmen, würde es den Werth der frühesten Er
scheinungen der Wuthkrankheit erkennen lernen, so konnten
die meisten tollen Hunde bei Seite geschafft werden, bevor
sie noch Zeit gehabt haben, ein Unglück zu verursachen.
Ist die Krankheit in jene Periode gelangt, welche man
das eigentliche Wuthstadium nennen kann, d. h. jener Zeit
raum, welcher sich durch die Ausbrüche der Raserei kenn
zeichnet, dann wird der Gesichtsausdruck des Hundes furchtbar.
Sein Auge leuchtet von einem unheimlichen Glanze, der
selbst dann Schrecken einflößt, wenn man das Thier durch
das Gitter seines Käfigs betrachtet. Hier ist es in unauf
hörlicher Bewegung; auf den geringsten Reiz hin stürzt es
gegen den Beschauer los, indem es sein charakteristisches
Geheul ausstößt; wüthend beißt es in die Stangen seines
Käfigs, so daß das Knarren seiner Zähne dabei hörbar
wird. Bietet man ihm eine Stange von Holz oder Eisen
dar, so fällt es über sie her, erfaßt sie mit vollen Kiefern
und beißt hinein. Auf diesen Zustand der Aufregung erfolgt
bald eine tiefe Ermattung. Erschöpft zieht sich das Thier
in den Hintergrund seines Käfigs zurück und bleibt daselbst
einige Zeit unempfindlich gegen alle Versuche, es zu reizen.
Plötzlich erwacht es wieder, springt vor und bricht in einen
neuen Anfall aus.
Bringt man einen Hund in den Käfig dieses im vollen
Wuthanfalle befindlichen Thieres, so wird er von demselben
nicht sogleich angefallen und gebissen. Im Gegentheile wird
im wüthenden Hunde durch die Gegenwart des unglücklichen
Opfers, welches man ihm überliefert — sei es nun ein
männlicher oder weiblicher Hund — zunächst der Geschlechts
trieb erregt, was sich durch Liebkosungen und Berührungen,
deren Bedeutung nicht zweifelhaft ist, zu erkennen gibt.
Zuerst nämlich beschnüfelt und beleckt der tolle Hund die
Geschlechtstheile des armen Thieres, welches man mit ihm
in Berührung gebracht hat. Dann tritt er noch näher an
dasselbe heran und beleckt auch dessen Kopf. Während dieser
leidenschaftlichen Kundgebungen hat das unglückliche ypfer
gleichsam ein Vorgefühl der entsetzlichen Gefahr, die ihm
droht; es drückt seinen Schrecken durch Zittern am ganzen
Körper aus und sucht sich in einen Winkel des Käfigs zu
ducken. Und in der That, kaum ist eine Minute verflossen,
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