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Hunden zusammenleben und oft in demselben Bette mit
ihnen schlafen. Niemals hat ein Irrthum traurigere Folgen
nach sich gezogen, als dieser.
Der wüthende Hund ist nicht wasserscheu; es
grauet ihm nicht vor dem Wasser. Wenn man ihm
zu saufen anbietet, weicht er nicht entsetzt zurück. Im Ge
gentheile, er tritt zu dem Gefäße hin, schnappt das Wasser
mit der Zunge, oft auch verschluckt er es, besonders in der
ersten Periode der Krankheit. Und selbst wenn ihm die Zu
sammenschnürung des Schlundes das Schlingen erschwert,
versucht er nichts destoweniger zu saufen, und dann wieder
holt sich das Schlappen mit der Zunge um so häufiger und
dauert um so länger, je' fruchtloser es ist. Nicht selten sieht
man sogar, wie er aus Verzweiflung über die Erfolglosig
keit seiner Bemühungen die ganze Schnauze in das Gefäß
hineinsteckt und gleichsam in das Wasser hineinbeißt, da es
nicht gelingen will, dasselbe auf die gewöhnliche natürliche
Weise aufzunehmen.
Der tolle Hund verweigert nicht immer seine
Nahrung, namentlich nicht zu Anfang der Krankheit, aber
er kehrt sich bald mit Widerwillen von derselben ab.
Sehr auffallend und kennzeichnend ist eine weitere Er
scheinung , welche auf einer wirklichen Verkehrtheit der Freßlust
beruht oder vielleicht nur der Ausdruck des verhängnißvollen
Triebes ist, der den Hund zum Beißen nöthigt. Man
sieht ihn nämlich die vielfältigsten ungenieß
baren Gegenstände mit dem Maule erfassen,
Zerreißen, zerreiben und endlich auch verschlin
gen. Die Streu, auf welcher er in seinem Stalle ruhet,
die Wolle der Polster in den Zimmern, die Bettdecken,
Eppiche, Vorhänge, Pantoffeln, Holz, Erde, Stein, Glas,
Aoth von Pferden und von Menschen, selbst sein eigener,—
Alles wird von seinen Zähnen erfaßt. Daher findet man
so oft bei der Leichenöffnung in dem Magen wüthender
Hunde Gegenstände der verschiedensten Art, aus deren An
wesenheit allein schon dringender Verdacht auf die Wuth-
^ankheit zu schöpfen ist, ein Verdacht, der meist zur Gewiß
heit wird, wenn man über das Verhalten des Thieres vor
snnem Tode Erkundigungen einzieht. Ein solches Benehmen
emes Hundes ist von der größten Bedeutung. Das Thier
mllt schon seine Wuth an unbelebten Gegenständen, aber
ber Augenblick ist nahe, wo der Mensch selbst, so sehr ihm
auch das Thier zugethan sein mag, nicht mehr verschont bleibt.
Anhäufung von Geifer im Maule ist kein
Charakteristisches Zeichen der Hundswuth, wie
Man es nur zu allgemein annimmt. Es ist daher falsch
aus der Abwesenheit dieses Zeichens zu schließen, daß keine
^uthkrankheit vorhanden sei. Es gibt tolle Hunde, deren
^aul, besonders während der Anfälle, von schaumigem
Welser überfließt. Bei Anderen hingegen ist die Mundhöhle
vollkommen trocken und die Schleimhaut von dunkelblauer
Mrbuna. Diese Eigenthümlichkeit tritt besonders in den
/hken Zeiträumen der Krankheit hervor. In anderen Fällen
üblich ist hinsichtlich der Feuchtigkeit oder Trockenheit der
Mundhöhle nichts Besonderes wahrzunehmen,
dp- . Zustand der Trockenheit des Mundes und des Schlun-
^ gibt zu der Aeußerung einer weiteren Erscheinung Anlaß,
bezüglich der Uebertragung der Krankheit auf den
Menschen von sehr großem Belange ist. Der wüthende
«kÜ??' dessen Schlund trocken ist, macht mit seinen
K^eberpfoten zu beiden Seiten der Kinnbacken
Bewegungen, wie man sie bei einem Hunde
sieht, in dessen Schlunde oder zwischen dessen
Zähnen ein unvollständig zermalmtes Bein
stecksn geblieben ist. Dasselbe trifft man bei Hunden,
bei welchen das Maul in Folge von Lähmung des Unter
kiefers offen steht, — eine Erscheinung die namentlich der
sog. stillen Wuth oder einem vorgerückten Zeitraume der
rasenden Wuth eigen ist. Diese Wahrnehmung am Hunde
kann zu den gefährlichsten Täuschungen führen. Die Besitzer
der Hunde entnehmen daraus fast immer mit Sicherheit
daß ein Bein im Schlunde stecke und schreiten, beeifert ihren
Hunden beizustehen, zu Untersuchungen und Verfahrungs-
weisen, deren Gefahr leicht ersichtlich ist, sei es nun, daß
sie sich beim Einführen der Finger in den Schlund an den
Zähnen des Thieres selbst verletzen, oder daß dieses, durch
das Verfahren gereizt, die Kiefer krampfhaft zusammenklappt
und auf diese Weise Bißwunden zufügt. Ein Zhierarzt von
Lons-le-Saulnier, Herr Nicolin, starb im November 1846
als ein Opfer der Wuthkrankheit, welche er sich bei der
Untersuchung der Mundhöhle eines kleinen Hundes nach
einem fremden Körper in dieser zugezogen hatte.
Erbrechen ist bisweilen eine die Krankheit einleitende
Erscheinung. Hie und da kommt es im Verlaufe der Krank
heit vor, daß blutig gefärbte Massen und selbst reines Blut
erbrochen werden, was ohne Zweifel von Verletzungen der
Magenschleimhaut herrührt, welche sich das Thier durch Ver
schlucken harter und spitziger Gegenstände zugezogen hat.
Letztere Erscheinung ist insofern sehr beachtenswerth, als sie
nur ausnahmsweise vorkommend, nicht so leicht in ihrer
wahren Bedeutung erkannt wird. Der erfahrene Bouley
gesteht hierbei zum Nutzen Aller gerne ein, daß er selbst
durch ein solches Blutbrechen vor einiger Zeit irregeleitet
worden sei und den wirklichen KrankHeitszustand des Thieres
(Wuthkrankheit) anfänglich übersehen habe.
Das Bellen des tollen Hundes ist ganz und gar
characteristisch und zwar in der Art, daß, wer seine Bedeu
tung kennt, aus dem Laute dieses Vellens allein mit Sicher
heit schließen kann, daß es von einem tollen Hunde ausgeht.
Um zu dieser Sicherheit zu gelangen, ist es keineswegs
nöthig, daß das Ohr lange Zeit geübt worden sei. Auf
Jeden, der nur ein oder zwer Mal das Heulen des wüthen
den Hundes gehört hat und über die Bedeutung dieses Lautes
belehrt worden ist, macht dasselbe einen so tiefen Eindruck,
daß sich die Erinnerung an dieses düstere Heulen für alle
Zeiten seinem Gedächtnisse einprägt, und wenn wieder einmal
derselbe Laut an sein Ohr schlägt, wird er ihn sicher nicht
verkennen. Das Eigenthümliche in dem Heulen des tollen
Hundes mit Worten schildern zu wollen, wäre ein ver
gebliches Bemühen. Man kann darüber nichts Weiteres
sagen, als" daß das Bellen unter dem Einflüsse der Wuth
krankheit sowohl hinsichtlich des Tones, als auch hinsichtlich
der Art in bemerkenswerther Weise verändert ist. Während
das Bellen des gesunden Hundes mit hellem Laute ausbricht,
an welchen sich gleichstarke und gleichlang andauernde An
schläge anreihen, ist das Bellen des tollen Hundes rauh,
verschleiert, niedriger im Tone; auf einen ersten Anschlag
aus vollem Maule folgt unmittelbar eine Reihe von drei
bis vier schwächer» Lauten, welche aus der Tiefe der Kehle
dringen, und während das Thier diese Laute ausstößt, nähern
sich die Kiefer nur unvollständig, anstatt, wie bei dem ge
wöhnlichen Bellen, sich nach jedem Anschlage zu schließen.
Diese Schilderung kann allerdings nur eine sehr mangelhafte
Vorstellung von dem Bellen des wüthenden Hundes geben;