Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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Ueber die Erkenntniß der Wuthkrankheit bei Hunden. 
-Ln den Sitzungen der Akademie der Medizin zu Paris 
vom 2. und 9. Juni 1863 hat Herr Bouley, Professor 
an der kaiserlichen Thierarzneischule zu Al fort und Mit 
glied der Akademie, einen umfassenden Vortrag über die 
Erkenntniß der Wuthkrankheit beim Hunde 
gehalten. 
Ein Auszug aus diesem Vortrage ist durch Rescript des 
konigl. bayer. Staatsministeriums des Innern vom 28. No 
vember v. I., zur Nr. 1729 nicht nur in den königlichen 
Kreisamtsblättern (u. A. in dem königl. bayer. Kreisamts 
blatte von Unterfranken und Aschaffenburg vom 9. Dezember 
1863, Nr. 176, S. 1943 mit 1971) zur allgemeinen Kenntniß 
gebracht, sondern es sind auch die Vorstände der Verwal 
tungsbehörden , die Bezirksgerichts- und die Bezirksärzte, die 
Praktischen und die Veterinärärzte, ferner die Vorstände der 
landwinhschaftlichen Bezirks -Comiteen, die Geistlichen, die 
Gemeindevorsteher und die Schullehrer aufgefordert worden, 
sowohl die Verbreitung der Kenntnißnahme hiervon, als 
namentlich die geeignete Belehrung der Bevölkerung sich an 
legen sein zu lassen, zu welchem Ende Separatabdrücke 
duses Vortrags aus der Lentner'schen Buchhandlung zu 
München (in einzelnen Exemplaren zu 12 Kreuzer, in größeren 
Partien zu 9 Kreuzer) zu beziehen sind. 
Bei dem höchst bemerkenswerten Inhalte der Bouley- 
schen Mittheilungen, im Hinblicke auf die mit der Wuthkrank- 
ont für den Menschen verbundenen furchtbaren Gefahren, 
Mt man nicht unterlassen wollen, den nachstehenden ge 
drängten Auszug aus diesen Vorträgen zur allgemeinen 
Belehrung und Warnung auch hier zu veröffentlichen. 
Von allen Krankheiten, welche zur'ärztlichen Beobachtung 
gelangen, ist die Hundswuth unstreitig in jeder Hinsicht 
du verzweiflungsvollste. Wo sie in Folge einer Selbstent- 
wlcklung (spontan) auftritt, wie dies bei dem Hunde vor 
kommen kann, sind uns nur ihre Aeußerungen (Symptome) 
und ihre Uebertragbcrrkeit durch Einimpfen (Inokulation) 
dekannt. Befällt sie andere Thiere, als die der Gattungen 
"Hunden!»)" und „Katze(Fells)" ungehörigen, so wissen 
wn nur das Eine mehr, daß sie nämlich auf diese Thiere 
k?ertragen worden ist. Was das Wesen, den Sitz, die 
Sachen ihrer Selbstentwicklung und Behandlung betrifft, 
L herrscht über alle diese Punkte noch ein vollständiges 
fn w \ Heute noch, wie in den frühesten Zeiten der Heil 
te, ist die Kunst vollständig ohnmächtig, den weiteren 
Erlauf der Krankheit zu hemmen, sobald einmal ihre ersten 
Anzeichen in die Erscheinung getreten sind. Alle, die von 
ul ^troffen, sind unvermeidlich dem Tode verfallen, und 
ore Lerchen sind dem anatomischen Forscher gegenüber heute- 
noch ebenso stumm, als sie zu den Zeiten unserer 
Erfahren waren. 
^ blud dennoch, wie vielfältig waren die Bemühungen, die 
n Frage der Hundswuth nur einigermaßen aufzuklären! 
8 siud die Leichenuntersuchungen, welche zu diesem 
Zwecke angestellt wurden; sie sind um so verdienstlicher, als 
^ne welche sie vornahmen, sich in der That ernstlichen 
tz.Mren dabei aussetzten. Alle Mittel der Heilkunst sind 
, aufgeboten worden, um die Krankheit zu bekämpfen, 
sowohl in dieser Hinsicht, als auch in Bezug auf das 
Wesen und die Entstehungsursachen der KrMkheit ist die 
Phantasie bis auf den heutigen Tag ungemein thätig ge 
wesen, die wissenschaftliche Lücke auszufüllen. Trotz alledem 
sind uns von der Hundswuth nur ihre Aeußerungen und ihre 
ansteckende (contagiöse) Eigenschaft bekannt. So gering 
dieses Wissen auch erscheinen mag, so ist es doch von sehr 
großem Belange. Denn wenn diese Kenntniß weiter ver 
breitet, oder vielmehr, wenn Jedermann von derselben durch 
drungen wäre, so würde dieses unter den meisten Umständen 
allein genügen, möglich-besten Schutz gegen die Anfälle 
wüthender Thiere zu gewähren, oder es würde mindestens 
dahin führen, daß unmittelbar nach erfolgter Verletzung 
die zur Zerstörung des Wuthgiftes geeigneten Maßregeln 
getroffen und auf diese Weise der Ausbruch der Krankheit 
verhütet würde. 
Es ist mithin von der größten Wichtigkeit, die ernste 
Theilnahme des Publikums für diese Frage zu erregen und 
in die weitesten Kreise die Kenntniß zu verbreiten, in welcher 
Weise die Hundswuth verläuft, von der ersten Andeutung, 
welche ihre Erscheinung ankündigt, bis zu dem Augenblicke, 
in welchem das Leben des wüthenden Hundes erlischt. Hier 
durch wird man dem öffentlichen Wohle besser dienen, als 
durch alle Zwangsmaßregeln, welche der Gesundheitspolizei 
zu Gebote stehen. ^ 
Mit der Vorstellung von der Hundswuth verbindet das 
größere Publikum gewöhnlich die Vorstellung von einer Krank 
heit, welche sich nothwendigerweise durch Wuthaus 
brüche, Bissigkeit u. A. m. kennzeichnet. Diese Anschauung 
ist um so tiefer eingewurzelt, als ja selbst der Ausdruck 
„Wuth" den Begriff des Zornes, des Haffes, der Grausam 
keit, der rasenden Leidenschaft in sich schließt. Diese vor 
gefaßte Meinung gehört zu den verderblichsten und folgen 
schwersten Irrthümern, welche sich hinsichtlich dieser Krankheit 
Geltung verschafft haben. Dieser Irrthum hat nämlich zur 
Folge, daß man einem kranken Hunde gegenüber, der keine 
Lust zum Beißen zeigt, ohne Mißtrauen bleibt, und dennoch 
kann der Hund recht wohl schon von der Wuth befallen sein. 
Die Klugheit gebietet daher, daß man voreine mH und e, 
der anfängt, nicht mehr die Kennzeichen der 
Gesundheit darzubieten, stets auf der Hut sei. 
Die ersten Erscheinungen der Hundswuth, ob zwar noch 
dunkel, sind gleichwohl schon bezeichnend für denjenigen, der 
sie zu verstehen weiß. Sie geben sich, wie I o n a t t treffend 
bemerkt, durch eine düstere, mürrische Laune und auf 
fallende Unruhe kund, welche sich durch fortwährende 
Veränderung der Lage bemerkbar macht. Der Hund 
flieht seinen Herrn; er zieht sich in seinen Korb, in-seinen 
Käfig, in die verborgensten Winkel der Zimmer, unter die 
Möbel zurück, zeigt jedoch keine Lust zu beißen. Ruft man 
ihm, so gehorcht er noch, aber langsam und mit Wider 
willen. Er liegt zusammengekrümmt und hält den Kopf tief 
zwischen Brust und Vorderbeine verborgen. Bald wird er 
unruhig, sucht einen neuen Platz, um zu ruhen und verläßt 
auch diesen bald wieder, um ihn gegen einen anderen zu 
vertauschen. Hierauf kehrt er in seine eigene Lagerstätte 
zurück, in der er sich fortdauernd herumbewegt, ohne eine 
passende Lage ausfindig machen zu können. Von seiner 
Lagerstätte blickt er mit einem fremdartigen Ausdrucke um
	        
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