Geschlecht dem andern verkündigen wird, verließ
Luther die Versammlung. Acht Tage darauf zog er
von Worms ab und reiste unter dem starken Geleite
unseres Landgrafen Philipp durch Oberhessen über
Grünberg und Friedberg, kam durch Alsfeld und
wurde in Hersfeld von dem Abte, der ihm sein
eigenes Schlafzimmer für die Nacht darbot, und von
der gesammten Bürgerschaft herzlich empfangen und
herrlich bewirthet, ja am fünften Morgen genöthigt,
alda in der Stiftskirche zu predigen. Unterdessen
nun seine Feinde ihre Pfeile gegen ihn schmiedeten,
um ihn zu verderben, brachte ihn der Gott, unter
dessen Schutz er sich von Anfang an gestellt hatte,
auf eine unerwartete Weise in Sicherheit. Nachdem
er nach einem Besuche in Möhra, wo noch Verwandte
seiner Eltern lebten, am vierten Tage in die Nähe
des Schlosses Altenstein gekommen war, brachen auf
einmal Reisige aus dem Wald hervor, überfielen
seinen Wagen und bemächtigten sich seiner mit schein
barer Gewalt. Er ward auf ein Pferd gehoben,
ein Reitermantel ihm umgeworfen und aus Umwegen
nach der Wartburg geführt, wo man erst gegen
Mitternacht anlangte. Denn nach dem Willen seines
Landesherrn, des edlen Kurfürsten Friedrich von
Sachsen, mit dem Beinamen des Weisen, sollte diese
feste Burg dem kühnen Vertheidiger des evangelischen
Glaubens vorerst eine sichere Zufluchtsstätte bieten.
Und so lebte Luther, nur seiner nächsten Umgebung
bekannt, hier 10 Monate lang in stiller Abgeschieden
heit unter dem Namen Junker Jörg. Zugleich aber
brachte man das Gerücht aus, er sei durch Mörder
hände gefallen und herumziehende Leute sprengten
aus, man habe seinen Leichnam, von Blut und Wunden
bedeckt, im Walde gefunden. Während man draußen
im Reiche glaubte, Luther befinde sich nicht mehr
unter den Lebenden, schuf sein Geist auf der herrlichen
Durg ein Werk, das seinem Rainen ein ewiges Ge
dächtniß sicherte und seinem Werke die kräftigste
Stütze wurde. Das Wort, durch das er den erstor
benen Glauben wieder entzündet und in die verwe
sende Kirche wieder neues Leben gebracht hatte, war
unch in der Burg- und Waldeseinsamkeit seine
liebste Beschäftigung, und mit der ganzen Innigkeit
fluies tiefen Gemüthes versenkte er sich in die Offen
barung seines Schöpfers und Erlösers. Unv nachdem
der Entschluß, die heilige Schrift — die in hebräischer
und griechischer Sprache abgefaßt ist — in die
putsche Sprache zu übersetzen und dieselbige so seinem
Bolke zu verdollmetschen und sie ihm in seiner Sprache
zu lesen zu geben, bei ihm fest stand, rief er in
freudiger Zuversicht: "Dieses Buch muß aller Menschen
Zungen, Hände, Augen, Ohren und Herzen erfüllen.«
Nun arbeitete er mit. rastlosem Eifer, mit »Forschen
Vergleichen« und Untersuchen Tag und Nacht an
dem heiligen Werke, und Gott erhörte das Flehen
und Bitten seines Herzens, daß er es ihm wohl
gelingen lassen möchte. Ihr könnt euch aber denken, daß
die Bibel, wie sie jetzt auch iu der geringsten Hütte
als das nothwendige Gut des Lebens gefunden wird,
nicht in solch kurzer Zeit, als der Aufenthalt Luthers
auf der Wartburg dauerte, verdeutscht worden ist.
Luther vollendete daselbst nur das neue Testament,
und als er die Wartburg verließ, nahm er die Ueber-
setzung mit nach Wittenberg, um sie seinem Herzens
freunde, dem sanften und gelehrten Melanchthon,
vorzulegen. Und nachdem er sie mit diesem nochmals
eifrig und fleißig durchgegangen hatte, da erst übergab
er sie dem Drucke. Der ehrsame und fromme
Wittenberger Bürger und nachmalige Bürgermeister,
Hans Lufft, übernahm es, Luthers neues Testament
zu drucken, und dafür wurde ihm denn der Ehren
name des Bibeldruckers zu Theil. Welches Leben
und welche Rührigkeit mag. nun in dem Jahre 1522
in dieser Buchdruckerei geherrscht haben, wie viele
Setzer und Drucker mögen da beschäftigt, wie viele
Pressen in Thätigkeit gewesen sein. Denn es wurden
an einem Tage nicht weniger, denn 10,000 Bogen
gedruckt. Und so geschah es, daß in demselben Jahre
noch nicht nur die erste, sondern auch die zweite
Ausgabe fertig wurde. Doch zwölf Jahre lang
dauerte die Arbeit des Uebersetzens, erst im Jahre
1534 ward die ganze Bibel (sammt den Apokryphen)
im Druck vollendet. Bugenhagen war aber auch
über die Vollendung des großen Werkes so erfreut,
daß er in seinem-Hause ein eigenes Fest der über
setzten Bibel veranstaltete und mit seinen Kindern
und Freunden Gott dankte für den theuren und
seligen Schatz, den nun jedermann in der dargebo
tenen Gabe besitze. Es war eine mühsame, schwierige
und sorgenvolle Arbeit, diese Bibelübersetzung, ein
Werk, das die größte Umsicht, den ausdauerndsten
Fleiß verlangte. Hören wir, wie Luther selbst
darüber an einen seiner Freunde schreibt. Wir arbeiten
jetzt an den Propheten, sie zu verdeutschen. Ach
Gott, wie ein. groß und verdrießlich Werk ist es,
die hebräischen Schriftsteller zu zwingen, deutsch zu
reden! Wie sträuben sie sich und wollen ihre hebräische
Art gar nicht verlassen und den groben Deutschen
nachfolgen. Es ist, als ob eine Nachtigall ihre lieb
liche Melodie verlassen und dem Kuckuk nachsingen