Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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sagt, alle folgenden kämen mit demselben Winde? 
Wollt Ihr das ganze Jahr hindurch stehlen? Wißt 
Ihr nicht, wo ich wohne? und habe ich je einem 
Armen Holz verweigert, der mich bat? Schämt 
Euch, Häßbein, und folgt mir!-- — -Der Häßbein, 
ein blutarmer Mensch, rechtschaffen sonst, aber ein 
Holzdieb (denn das Sprüchwort: Einen Holzdieb hat 
Gott lieb, verführte auch ihn, und er bedachte nicht, 
daß es zwar wahr sei, aber daß es den Gott aus 
der Hölle meinte), folgt -schweigend dem Schulzen 
und dem Knäblein auf den Meierhof, dessen Lichter 
schon über den Schnee herüber leuchteten. Bei der 
Mühle wurde noch einmal Halt gemacht und dem 
Müller sein Iahreslohn ausgezahlt; und für das 
Büblein des Mannes, das in der Radstube unter 
dem Geklapper der Räder so ruhig schlief, als tickte 
neben ihm nur die Taschenuhr, wanderte aus der 
Holster ein neues Pathenkleid, denn der Schulze 
hatte es aus der Taufe gehoben. 
Bald erhob sich lautes Hundegebell, und wenige 
Augenblicke darauf umsprang die ganze Meute ihren 
Herrn, als er in's Haus trat, nur der alte Hofhund 
kehrte an der Thür wieder um, in sein eigenes Haus 
zu gehen. 
Häßbein war mit eingetreten; aber Niemand nahm 
Notiz von ihm. Der Schulze hatte seinem Weibe 
die Hand gegeben, Gewehr und Jagdzeug abgelegt, 
warf einen schnellen Blick auf die Zahl der Knechte 
und Mägde, von denen Niemand fehlen durfte, einen 
fast eben so sorglichen Blick über das Essen der 
Leute, um das ein guter Bauer sich fast mehr küm 
mert, als um seinen eignen Tisch, und setzte sich 
dann neben das Kaminfeuer, auf welches eben ein 
frischer Stamm gefahren ward. * 
»Häßbein, setzt Euch!« rief der alte Meier, und 
in einer Weise, worauf keine Ablehnung folgen konnte. 
Dann ward ihm Essen vorgesetzt, warm und reichlich, 
und schmeckte ihm dock nicht gut, weil immer eine 
unsichtbare Hand Salz in die Schüssel fallen ließ 
und zwar bittres, scharfes Salz; und der Leser weiß 
wohl, was für Salz der arme Häßbein zu essen hatte. 
. Als die Uhr eilf geschlagen hatte, traten alle 
Hausleute zusammen vom Meier und der Meierin 
an, bis zum untersten Hirtenbuben und der jüngsten 
Viehmagd, und füllten die Küche. Der Hausvater 
sagte Vers um Vers des Liedes: »Das alte Jahr 
vergangen ist« vor und es klang der volle Gesang 
weit durch die Nacht hin. Dann las er den 90. Psalm, 
betete ein Vater unser, sprach den Segen, sang 
wieder mit der Hausgemeinde daö Lied: Nun danket j 
Alle Gott, und nachdem er noch eine Weile das 
stille Gebet fortgesetzt, entließ er das Volk. 
Jetzt wandte er sich an den Holzdieb: Häßbein, 
Ihr müßt auch nach Hause. Habt Ihr einen Sack 
bei Euch? 
»Nein, Herr!-- Einen Beutel? »Nein, Herr.-- 
Frau, bring Säcke und Beutel. 
Als es geschehen, wird Waizen- und Roggenmehl, 
Grütze und gedörrtes Obst eingefüllt, wie viel ein 
Mensch tragen konnte. Häßbein, heißt es dann, 
packt die Siebensachen auf und gebt nun recht Acht, 
was ich Euch sagen werde. Häßbein, ich habe Euch 
vorhin als Dieb in meinem Walde gefunden, und 
halte Euch nun doch für ehrlich und glaube erstlich, 
daß Ihr mir meine Säcke und Beutel wieder bringt, 
zweitens, daß Ihr mich nicht wieder bestehlt und 
andere Leute auch nicht. Holz bekommt Ihr morgen 
nicht, denn ich halte den Feiertag; aber übermorgen 
will ich einen Karren bei Euch abladen lassen, und 
Ihr braucht's nicht ehrlich zu bezahlen, aber wohl 
mit Ehrlichkeit. Solltet Ihr morgen frieren, so 
kauft Euch für diese Groschen da Kohlen, und nun 
gute Nacht, Häßbein! 
Und ob's in der Neujahrsnacht recht kalt war, 
den Häßbein hat nicht gefroren, denn er trug Feuer 
auf seinem Kopfe. 
Und wenn Viele die Neujahrsnacht durchschwär 
men, es haben zwei in jener Nacht sehr gut ge 
schlafen; wer waren denn die und wer schlief am 
besten? 
Und der Karren Holz des Meiers war so schwer 
beladen, daß der Häßbein nicht wieder in den Wald 
zu gehen brauchte, neues Holz zu stehlen. Und man 
darf keinem Menschen auch nur den Finger verbrennen, 
aber wohl den Kopf. 
Das Stadtwappen. 
Als im Jahre 975 der erzbischöfliche Stuhl in 
Mainz erledigt war, kam das Domkapitel zusammen, 
um einen neuen Erzbischof zu wählen. Die alten 
Geschlechter der Herren von Dalberg, von Asfeldt, 
von Katzenellenbogen, deren Glieder unter den Dom 
herren saßen, hofften auf die Wahl, und weil sie 
einander die Ehre nicht gönnten, wählte man den 
jüngsten Domherrn, Willigis, zum Erzbischof, 
der am wenigsten an diese hohe Ehrenstelle gedacht 
hatte. Auch mißgönnten ihm die geistlichen Würden 
träger den Erzbischofstuhl Alle in gleicher Weise, 
und eö ist wegen der 900 Jahre, welche seitdem
	        
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